Kryson - Das verlorene Volk (Bernd Rümmelein)

Otherworld Verlag (September 2010)
605 Seiten, 14,95 €
ISBN: 978-3-8000-9526-1

Genre: High Fantasy


Klappentext

AUSGEZEICHNET MIT DEM WOLFGANG-HOHLBEINPREIS-2008

Das Zeitalter der großen Kämpfe und Katastrophen scheint der Kontinent Ell hinter sich zu haben. Die Nno-bei-Klan erleben unter der Führung Jafdabhs eine neue technologische Blütezeit. Doch die Feinde des Friedens formieren sich bereits: Die Hexe Rajuru zieht mit Hilfe der Todsänger eine Armee der Finsternis zusammen. Das bleibt in den Klanlanden nicht unbemerkt und bald müssen die Fürsten reagieren.

Das Buch der Macht muss gefunden werden, um das Gleichgewicht der Welt zu wahren und neues Unheil abzuwenden. Doch die Gefolgschaft, die sich auf die Suche begibt, präsentiert sich alles andere als einig. Einer von ihnen, der Lesvaraq Tomal, schmiedet seine eigenen Allianzen und schickt sich an, das verlorene Volk aus den Schatten zu befreien ...


Rezension

Mit „Das verlorene Volk“ setzt Bernd Rümmelein, der mit seinem gradlinigem Debüt „Die Schlacht am Rayhin“ begeisterte, nach „Diener des Dunklen Hirten“ und „Zeit der Dämmerung“ seine Reihe weiter fort. Nähe Tübingen lebend, nutzt der Autor auch aktuell seine Freizeit für dieses doch sehr umfangreiche Romanprojekt und gewann für seine gemachte Mühe bereits 2008 den begehrten Wolfgang Hohlbein-Preis. Befremdlich anders, aber dennoch mit dem Reiz des Besonderen präsentiert sich sein neuestes Machwerk weniger dunkel. Denn Kryson ist im Wandel. Das Ende der trügerischen Ruhe jedoch in Sicht.

>> In den Schatten sollst du suchen, willst du ergründen das Geheimnis. Gar schrecklich Taten wir vermuten. Verschwunden, Flüstern im Verborgenen. Verloren im grauen Nichts der Ewigkeit, zu Schatten auserkoren ... <<

Die Ruhe Krysons trügt, denn die Hexe Rajuru, jung und schön durch das einverleiben misshandelter Seelen, rüstet erneut zum Schlag gegen die Klan. Dieses Mal soll er endgültig und verheerend sein. Denn in ihren dunklen Brutstätten züchtet sie, mit Hilfe von Nalkaar und dem dahinvegetierenden Drachen Haffak Gas Vadar, eine neue Generation Chimären heran, die das Grauen des Krieges auf immer prägen sollen. Das Schicksal der bekannten Welt scheint besiegelt zu sein, wie sich auch Regent Jafdabh eingestehen muss. In der Festung des Kristallpalastes reift sein Plan heran, um das drohende Unheil abzuwenden. Madhrab, der geächtete und früher von allen geliebte Bewahrer, soll gefunden werden. Denn nur er kann, wie es scheint, die Klan endlich einen, um das drohende Unheil zu überstehen.

Während Madhrab sich mit seiner Gefährtin Elischa zurück in die alte, inzwischen für ihn so fern scheinende Heimat begibt, flüstern die Steine dem langlebigen Tartyk Sapius, Lehrmeister des Lesvaraqs Tomal, zu, dass die Zeit gekommen ist, die sieben Auserwählten zu einen. Denn nur gemeinsam ist es möglich das Buch des Ulljan zu bergen, um das Gleichgewicht der Welt zu wahren. Doch Tomal verfolgt andere, eigene Pläne ...

Schnüffelt man in eines der Bücher von Bernd Rümmelein hinein, so ist schnell klar, dass man von einem Gewinner des Wolfgang Hohlbein-Preises keinesfalls gleich wirkende Massenware erwarten kann, die ein solch berühmter Autor seinen Leser immer noch zu bieten versteht. Denn Bernd Rümmelein geht auch im vierten Band seiner Reihe gänzlich andere Wege. Pfade, die den geneigten High Fantasy-Fan nur schwer enttäuschen können bedenkt man die bisherigen Entwicklungen. Im Gegenteil. Der in der Nähe von Tübingen lebende Autor beweist mit „Das verlorene Volk“ einmal mehr sein inzwischen sehr bewundernswertes Gespür für das große Ganze und baut die begonnen Handlungsstränge (dieses Mal jedoch weitaus unspektakulärer) weiter aus. Die einzelnen Verwicklungen sind nun nicht mehr ausschließlich von Leid und Schmerz geprägt; halten den Leser weniger in Atem, der sich rascher als bisher, durch die einzelnen, kurzen Kapitel hindurcharbeiten kann. Schnell wird klar, dass dieser Teil der Reihe eine Brücke zu einem mit Spannung erwarteten Höhepunkt schlägt, der hier nicht mehr geboten werden kann. „Das verlorene Volk“ bietet stattdessen Erklärungen für so manch notwendig scheinende Entwicklung und ruft alte Charaktere zurück auf ihren Platz; oder entledigt sich anderer. Hierbei wird die Fülle der Protagonisten leider etwas zum Verhängnis. Denn Bernd Rümmelein kommt einfach nicht davon los, dem Leser in einem Fortlauf zu vermitteln, dass es bald richtig beginnen kann. Hat der erste Band den Weg geebnet, der zweite weitergeknüpft und der dritte eine Art vorläufigen Schlussstrich gezogen, so wärmt „Das verlorene Volk“ dieses zwar durchaus wohlschmeckende Süppchen wieder auf, gibt aber nicht unbedingt das Gefühl, den Charakteren noch wirklich nahe zu sein.

Denn alle haben sie sich verändert und zu viel Zeit scheint vergangen; verloren. Statt sich auf das Vorhandene zu konzentrieren, wird weitergetrieben und das wichtigste kurz angerissen. Es ist ein bisschen so, als würde nun, nach der Fülle des Vorangegangen, der Rahmen gesprengt. Dem Leser bleibt schlussendlich überlassen sich zu fragen, wohin die jüngsten Entwicklungen hinführen können und ob man die Wiederholung des Krieges (mit gleichen, müde gewordenen Charakteren) tatsächlich das ist, was man erwartet hat. Lässt man diese leise entstehenden, aufkeimenden Zweifel neben sich, so ist man abermals gut unterhalten und beobachtet voller Interesse die einzelnen, manchmal nicht gänzlich rund wirkenden Werdegänge. Gewisse Dinge sind nicht sehr überzeugend, oder zumindest nicht so ausgebaut, dass man sie einfach ohne einem Stirnrunzeln annehmen kann. Dafür jedoch gleicht Bernd Rümmelein die sich bietenden Schwächen durch kurze, spannungsschürende Kapitel aus, die sich der geneigte Leser durchaus auch für die Zukunft wünschen würde. Sie machen „Das verlorene Volk“ lockerer; ziehen den Leser besser von Seite zu Seite und münden in dem Versprechen, die sich gesammelten Gefährten vermutlich im nächsten Band (Herbst 2011) begleiten und den Beginn des bevorstehenden Krieges miterleben zu können.

Die Menge löste sich augenblicklich auf. Die meisten Zuschauer redeten mit gedämpfter Stimme. Einige waren zornig, andere traurig. Die meisten jedoch tief betroffen. Manche Brüder und Schwestern blickten traurig zu dem schlaff wischen den Richtpfählen hängenden, geschundenen Körper, der als solches kaum noch zu erkennen war. Sie würden die Bestrafung nie wieder vergessen ...

(Seite 305)


Fazit

Wieder setzt Bernd Rümmelein seine Reihe gelungen, diesmal jedoch mit mehreren Schwächen, fort. Mit „Das verlorene Volk“, einem gut geglückten Zwischengang, wird nun so manche, ruhigere Entwicklung geboten, die den Leser erneut mit Spannung den nächsten Roman erwarten lässt. Immer ist Kryson ein Muss für Fans düsterer und dunkler High Fantasy der anderen, schwermütigeren und schonungsloseren Art!


Pro & Kontra

+ anspruchsvolle High Fantasy
+ bewundernswert ausgearbeiteter Hintergrund
+ spannend zu lesen / kurze Kapitel
+ ein sich vom Einheitsbrei abhebendes Werk
+ würdige Fortsetzung
+ wunderschönes Cover
+ intensive Bilder & Beschreibungen

o oftmals sehr schonungslos
o erzählender Stil
o für Erwachsene geeignet
o insgesamt überzeichnet

- trotz allem vorhandene Schwarz- & Weißmalerei
- teilweise unlogisch in einzelnen Entwicklungen
- manche Protagonisten oberflächlich in ihrer Darstellung
- ab und an zu platt geraten

Wertung:

Handlung: 3 / 5
Charaktere: 3,5 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


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