Ostseegrab (Anke Clausen)

Verlag Gmeiner, Juli 2007
TB, 370 Seiten, € 11,90
ISBN 978- 3899777390

Genre: Regionalkrimi


Klappentext

Sophie Sturm, Klatschreporterin eines Hamburger Hochglanzmagazins, macht Urlaub auf Fehmarn. Statt jedoch die gewünschte Erholung zu finden, entdeckt sie am Strand eine tote Frau im Neoprenanzug. Schon die zweite ertrunkene Kitesportlerin innerhalb einer Woche. Entgegen der Polizei glaubt Sophie nicht an einen Zufall. Sie macht einen Kitekurs und schnüffelt in der Szene herum. Doch sie schenkt dem Falschen ihr Vertrauen und bringt sich damit selbst in tödliche Gefahr.


Die Autorin

Anke Clausen, Jahrgang 1970, lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Hamburg. Seit 16 Jahren arbeitet sie als Kamerafrau, Bildmischerin und Regisseurin in Norddeutschland. Die Sommerwochenenden verbringt sie oft auf der Ostseeinsel Fehmarn, um zu kiten.


Rezension

Sophie Sturm braucht dringend Erholung. Nach dem Debakel mit ihrem letzten Geliebten, einem bekannten Fernsehmoderator, sucht sie Zuflucht bei ihrer Freundin aus ehemaligen Modelzeiten, Tina Sperber. Die ist mittlerweile mit Stefan, einem Kriminalkommissar aus Lübeck, verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Fehmarn idyllisch auf der Insel. Mit offenen Armen empfängt sie ihre Freundin, was ihrem Mann so gar nicht gefällt. Denn der kann die High Society Klatschreporterin nicht leiden, er findet sie eingebildet und überheblich. Sobald die beiden aufeinander treffen, sprühen die Funken und die Beleidigungen fliegen nur so hin und her. Sophie und Tina lassen sich aber nicht beirren, sie freuen sich, wieder einmal Zeit für sich zu haben.

Sophie genießt die Ruhe, einmal abseits vom Jetset Urlaub machen zu können. Die drei Kinder Tinas, mit denen sie hervorragend zurechtkommt, wecken vergrabene Sehnsüchte in ihr, so langsam ist sie in einem Alter, in dem sie eine Familie vermisst. Die Jagd nach dem neuesten Klatsch, den sie in ihrem Hochglanzmagazin verbreitet, bringt sie zwar an die Luxusplätze der Welt, lässt sie gleichzeitig aber vereinsamen. Hatte sie noch gehofft, ihr Geliebter verlässt ihretwegen seine Ehefrau, so wurde sie unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeschleudert, als sie von ihm schwanger ist. Er will das Kind auf keinen Fall, denn er hat schon eine uneheliche Tochter, was Sophie aus lauter Rache dann in ihrer Zeitung veröffentlicht. Seiner Karriere hat sie damit einen ziemlichen Knick verpasst – und er sinnt nach Rache.

Auf ihrem ersten Strandspaziergang mit ihrem Hund Pelle stolpert sie direkt über eine Leiche. Eine ertrunkene junge Kitesurferin, noch in ihrem Neoprenanzug, liegt tot am Strand. Einfach nur ertrunken? Erst auf ihre Intervention hin, dass am Fundort etwas nicht stimmt, nimmt die Kripo die Ermittlungen auf. Leitender Ermittler ist Stefan, der gar nicht darüber entzückt ist, dass ausgerechnet Sophie den richtigen Riecher hatte. Und was istmit dem anderen ertrunkenen Mädchen vor zwei Wochen? War es doch kein natürlicher Tod, wie der Landarzt attestiert hatte? Erst die Erkenntnisse aus der Gerichtsmedizin belegen eindeutig, es war Mord. Wer ist der Täter, was sein Motiv? War es womöglich einer der beiden Surflehrer, Ben und Olli, die beide etwas mit dem letzten Mordopfer hatten? Eifersucht als Motiv? Als Sophie merkt, dass die Ermittlungen auf der Stelle treten, belegt sie einen Kitekurs bei den beiden und kommt Ben auch sehr schnell näher. Ist der ehemalige Aussteiger, der lange Zeit in Thailand und jetzt in einem alten Van lebt, der Richtige für sie?

Mit ständig wechselnden Perspektiven gibt Anke Clausen Einblicke in die Charaktere aller Hauptprotagonisten, einschließlich des Mörders. Sophie ist ein bisschen zu impulsiv, sie mischt sich ein und lässt einfach keine Ruhe, ohne zu merken, wann es besser wäre, sich dezenter zu benehmen. Sie erfährt die Ergebnisse der Obduktionen vom Gerichtmediziner, gegen den sie etwas in der Hand hat. Ihre Streitereien mit Stefan sind oft kindisch und arten sehr schnell aus, allerdings von beiden Seiten aus. Stefan fühlt sich gedemütigt, wenn sie Zusammenhänge schneller erkennt und ihre Beziehungen spielen lässt, wo er sich an Regeln und Vorschriften halten muss. Erst am Ende schließen sie eine Art Waffenstillstand, auch Tina zuliebe. Die leidet unter den ständigen Streitereien, denn sie mag Sophie sehr gerne, immerhin entlastet die sie etwas und erkennt neidlos an, was Tina mit drei Kindern und einem Haus leistet. Seit Sophie da ist, kann Tina auch mal wieder durchatmen, denn Sophie hat einen besonderen Draht zu den Kindern, wenn auch mit Hilfe von Pelle. Anke Clausen hat die Verschiedenartigkeit der beiden Freundinnen hervorragend betont, gerade dann, wenn sie erkennen, dass das Leben der anderen gar nicht so beneidenswert ist, wie sie immer meinten. Denn Sophie ist trotz ihres ganzen Luxus einsam und angreifbar, Tina wiederum vermisst die Aufmerksamkeit und Anerkennung, die sie einst als Model hatte. Zusammen sind sie stark und verstehen sich blendend – und rücken der anderen auch schon mal den Kopf zurecht. Mit Stefan gibt es einen weiteren sympathischen Charakter, ein Familienvater, der sich zwischen Arbeit, seinen Kindern und seiner Frau aufreibt. Ständig muss er jemanden vernachlässigen, meistens seine Familie. Auch wenn die Fetzen zwischen Sophie und ihm fliegen, so ist er doch einsichtig und erkennt, dass in Sophie viel mehr steckt, als er bisher anerkennen wollte.

Der Krimiplot gerät fast über die privaten inneren Kämpfe, die alle Charaktere mit sich tragen, zur Nebensache. Anke Clausen legt mehr Wert auf die Entwicklung ihrer Personen, die Enthüllung ihrer Geschichte und der Bekämpfung der eigenen Dämonen. Dies ist genauso interessant und spannend wie die Auflösung des Mordfalles. Sophie allerdings wirkt manchmal zickig und nervend, sie hält mit ihren Verdächtigungen nicht hinterm Berg und weiß nie, wann sie besser den Mund gehalten hätte. So gerät sie natürlich ins Visier des Mörders, aber zum Glück gibt es noch ein paar ihrer Freunde, die die richtigen Schlüsse ziehen. Ortskundige werden sich über bekannte Namen freuen und für alle anderen wirkt die Inselatmosphäre befreiend und idyllisch. Am liebsten möchte man anschließend die Badesachen einpacken und am Strand spazieren gehen, Fehmarn wird einem hier näher gebracht. Das Cover wieder einmal wunderschön und passend ausgewählt, der Gmeiner Verlag leistet hier hervorragende Arbeit. Das Buch ist auch hervorragend verarbeitet, man kann es durchaus mehrmals lesen, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.


Fazit

Sommer- und Strandfeeling pur, Wasserrauschen inklusive, interessante Charaktere und ein ungewöhnliches Mordmotiv, das alles auf einer atmosphärisch beschriebenen Ostseeinsel – was will man mehr. Alleine die Urlaubsatmosphäre, die durch das Buch dringt, lohnt das Lesen. Anke Clausen hat einen fesselnden Schreibstil, sie lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen und füttert den Leser mit kleinen Häppchen, so dass nach und nach jeder irgendwie verdächtig wirkt.



Pro und Contra

+ stimmige Atmosphäre
+ Urlaubsfeeling
+ interessante, bodenständige Charaktere
+ Einblicke in die Glamourwelt
+ außergewöhnliche Todesursache
+ ausgewogene Mischung von Kriminalfall und privaten Umfeld

- Sophie manchmal zu nervig
- ein Ereignis war überflüssig und unschön

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5