Rezensionen im April (2011)

Liebe LeserInnen,

der Wonnemonat Mai hat Einzug gehalten und vor uns liegen vier neue frische Wochen, um den Versuch zu starten, wirklich alle Bücher zu lesen, die wir uns vorgenommen haben. Dass das nicht immer klappt, weiß jeder Lesebegeisterte aus eigener Erfahrung. Trotzdem hat das Redaktionsteam auch im April jede Menge gelesen – eine kleine empfehlenswerte Auswahl liefern wir euch heute mit unserem allmonatlichen Rückblick.



Belletristik

Der Roman “Wasser für die Elefanten“ von Sara Gruenerzählt eine wundersame, bezaubernde Liebesgeschichte in einer so bunten wie brutalen Welt. Trotz aller Schlichtheit der Sprache leben und atmen seine Figuren und rücken dem Leser mit ihren Leidenschaften so nah, dass man sie nicht leicht vergessen wird. Nicht ganz so sehr überzeugen konnte die Autorin hingegen mit ihrem aktuellen Roman “Das Affenhaus“.

Yannick Haenel hat mit “Das Schweigen des Jan Karski“ einen erschütterten Bericht geschrieben und eine sehr wichtige Persönlichkeit portraitiert, die man nach diesem Buch wohl nie wieder vergessen kann. Ein dunkler Zug entführt den Leser durch die Abgründe der Geschichte, durch alle in dieser Zeit nennenswerten, und nimmt den Leser mit auf eine Reise, die man schlussendlich jedem empfehlen möchte, der sich für dieses Thema interessiert. – Ein großer Mann, eine schreckliche Geschichte, schockierende Wahrheiten und ein Stil, der tief ins Herz des Lesers dringt. Schlicht und einfach: Ein wichtiges, lesenswertes Buch.

Dark Fantasy

Einmal mehr bietet Kresely Cole einen lesenswerten und sehr unterhaltsamen Roman, der es versteht, dem Leser einzuheizen. Ab und an leider etwas übertrieben, bietet “Zauber der Leidenschaft“ viel Erotik und ein sehr interessantes Liebespaar, das den Leser jedoch nicht immer für sich einnehmen kann; sie wirken ab und an einfach zu verschieden. Dennoch versöhnen die letzten Seiten und so ist und bleibt der sechste Band zwar ein bisschen schwächer als gewohnt, aber immer noch sehr lesenswert. Vor allem für Fans, die nun erneut der nächsten Übersetzung harren! Denn wer einer etwas härter gestalteten Dark Fantasy etwas abgewinnen kann, kommt an dieser Autorin einfach nicht vorbei!

“Beastly“ von Alex Flinn ist ein wunderbares Jugendbuch ohne Erotik und Gewalt und hat damit so manch ähnlichen Roman viel voraus. Denn die Autorin verlässt sich nicht auf großartige (oder billige) Spannungseffekte sondern allein auf Emotion. Witz, Charme und ein bisschen Banalität begleiten den Leser durch die Handlung, die nicht überraschen kann, jedoch einfach nur liebenswürdig und schlicht gestaltet ist. Von Herzen: Vier Sterne und für so einen gelungenen Jugendroman noch ein halber dazu!

Fantasy

Mit “Grim – Das Erbe des Lichts“ hält Gesa Schwartz das hohe Niveau ihres Debüts und wartet erneut mit originellen Ideen auf, die von ihrem traumhaften Stil mit schillernden Farben untermalt werden. Hier werden gängige Fantasyklischees auf den Kopf gestellt, während man mit den Protagonisten kräftig mitfiebert. Ein phantastisches Spektakel, das den Leser selten zu Atem kommen lässt!

Ein wirklich grandioser Auftakt der Fantasyreihe “Das Lied von Eis und Feuer“. George R.R. Martins “Die Herren von Winterfell“ bietet starke Charaktere, ein Geflecht aus Intrigen und eine glaubwürdige Welt. Abgeschmeckt mit Realismus in den Handlungen, etwas rauen, seltenen Humor und Sarkasmus an den richtigen Stellen, kommt eine absolute Leseempfehlung heraus.

Ein Roman, bei dem leider alles, was schief gehen kann, auch schiefgegangen ist: “Das Gesetz der Neun“ verfügt weder über den Zauber eines Fantasywerkes noch über die Spannung eines Thrillers. Dazu kommt die extrem schwache Gesamtgestaltung, die beinahe schon lieblos wirkt. Es bleibt zu hoffen, dass Terry Goodkind, ein erfahrener Autor, der es nachweislich besser kann, in künftigen Werken aus seinem Formtief herausfinden wird.

Historik

Die Eroberung des fünften Kontinents ist eine Zeit, die viele Geschichten hervorgebracht hat. Deportation, Farmer, Aborigines und das Militär treffen aufeinander und versuchen sich zu arrangieren – oder auch nicht. Mit “Das Lied der roten Erde“ hat Inez Corbi aus diesen Zutaten eine gefühlvolle Mischung mit leidensfähigen Charakteren geschaffen, die durch ihren eingängigen Stil zu einem wahren Lesegenuss wird.

Horror / Mystery

“Amputiert“ von Gord Rollo mag auf den ersten Blick wie ein Frankenstein-Imitat wirken und tatsächlich sind einige Parallelen erkennbar. In die moderne Welt gezogen bewirkt diese Geschichte beim Leser vor allem eins: Beklemmung, da sie eine erschreckende Realität inne hat und in der heutigen Zeit gar nicht so abwegig erscheint.

“Zwei Engel der Nacht“ von Jörg Weigand (Hrsg.) ist eine interessante Anthologie für Freunde des Mystischen, die hält, was ihr Titel verspricht. Die vielfältige Umsetzung des Themas sticht dabei besonders hervor; leider gibt es aber auch die eine oder andere Enttäuschung unter den dargebotenen Geschichten.

Krimi

Flavia ist einfach eine bezaubernde Figur, deren clevere aber auch ironische Art, das Lesen zu einem Genuss machen. Mit einer handfesten Kriminalstory und dem englischen Erzählstil überzeugt Alan Bradley ein weiteres Mal. “Mord ist kein Kinderspiel“ - mindestens so gut wie sein Vorgänger.

Ein sehr beschaulicher, englischer Landhauskrimi, der nicht zu Ruth Rendells stärksten Romanen zählt. Überzeugte Liebhaber des Genres und Inspector-Wexford-Fans, die bereit sind, einige Schwächen in Kauf zu nehmen, können hier zugreifen, wobei es durchaus auch eine Überlegung wert ist, die Taschenbuchausgabe von “Der vergessene Tote“ abzuwarten.

Manga / Comic

Nicht mehr ganz so komplex, wie die Vorgänger, dafür umso explosiver, schließt “Seelensterben“ von Jacamon und Matz den ersten Zyklus um den Killer ab und bringt damit einen der besten Thriller der letzten Jahre zu einem Ende, in dem so gut wie alle Handlungsstränge zusammengeführt werden.

Gallié und Andreae liefern einen herausragenden Einstieg in eine undurchschaubare und spannende Geschichte ab. Mit sehr schönen Zeichnungen und einer wundervolle Kolorierung gehört “Die Bruderschaft der Krabbe“ sicherlich zu einer der besten Veröffentlichungen beim Splitter-Verlag.

Science Fiction

Ein Buch, das den Erwartungen des Lesers rundherum gerecht wird, ist “Die Stadt“ von Andreas Brandhorst. Fans von mystisch angehauchter Science Fiction sei hiermit eine klare Leseempfehlung ausgesprochen, sie werden auf ihre Kosten kommen.

Sonstiges

Nur ein Kinderbuch? Beileibe nicht, denn zwischen den Buchdeckeln von “Das große Labyrinthbuch“ steckt ein wahres Wunderwerk an Labyrinthkunst. Farbenfroh, realistisch, plastisch und unglaublich verschlungen kommen sie daher, auf Anhieb ist kein Weg zu finden. Sofort juckt der Finger, um die unglaublich diffizilen Wege entlangzufahren und sich in der Tiefe des Labyrinthes zu verlieren, das Martin Nygaard & Jesus Gaban erschaffen haben.

Oliver Dreyers Debüt “Kopfschuss“ zeigt einen Amoklauf mal von der anderen Seite. Klischees werden geschickt mit nicht immer kranken Gedankengängen und toll eingebauten Computerspiel-Szenen verbunden, dabei hält der Autor immer das Gleichgewicht: Und am Ende weiß der Leser nicht mehr, was er für den Täter empfinden soll. Verstörend real und erschreckend nah am Zeitgeschehen!

Thriller

”Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land“ ist die brillante Darstellung eines fehlgeleiteten Durchschnittsbürgers, die umso spannender ist, weil sie nachvollziehbar ist. Atmosphärisch dicht und stilistisch gelungen, ist dieser Roman ein wahrer Genuss nicht nur für treue Fans des italienischen Erfolgsautors Gianrico Carofiglio.

Langwierige und unergiebige Ermittlungen prägen “Entsetzen“ von Karin Slaughter, die Protagonisten sind immer noch very tortured. Der zweite Thriller nach “Verstummt“ mit dem Ermittler Will Trent besticht durch seine leisen Töne. Legasthenie und Pädophilie sind die Hauptthemen, sie kommen geflüstert daher und entwickeln sich erst zum Schluss zu einem wahren Sturm – auch der Gefühle. Mit Faith Mitchell betritt eine wunderbare Ergänzung zu Will Trent die Bühne, hoffentlich bleibt sie ihm noch lange erhalten.



Wie immer waren unsere Rezensionen auch im April sehr vielseitig und für nahezu jedes Leserherz dürfte etwas dabei sein. Auch im Mai erwarten euch wieder viele ausführliche und interessante Buchbesprechungen, bis zum nächsten Rückblick Anfang Juni könnt ihr natürlich jederzeit in unserer Übersicht stöbern.

Einen sonnen- und lesereichen Wonnemonat wünscht euch
euer Literatopia-Team