Biokrieg (Paolo Bacigalupi)

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Heyne Verlag (Februar 2011)
Taschenbuch, 608 Seiten, EUR 9,99
ISBN: 978-3453527577

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Die nahe Zukunft: Das Erdöl ist versiegt, unzählige Spezies sind ausgestorben, überall reagiert Bioterrorismus. Der perfekte Zeitpunkt für Anderson Lake, um auf den außer Kontrolle geratenen Märkten von Bangkok Jagd auf die letzten genetisch unverseuchten Nahrungsmittel zu machen …


Rezension

Bacigalupis Bangkok der Zukunft ist wahrlich kein Ort, an dem man gerne leben würde – umgeben von Wasser, das nur durch Deiche zurückgehalten wird und doch geplagt durch geradezu infernalische Hitze, drängen sich hier auf dichtestem Raum unglaublich viele Menschen unter den widrigsten Umständen. Denn das relativ stabile Thailand ist Zufluchtsort für Menschen aus den krisengeschüttelten umliegenden Ländern – allen voran China. Und so leben die allenfalls geduldeten, aber keinesfalls willkommenen „Yellow Cards“ in sogenannten „Expansionshochhäusern“, in denen sie übereinandergestapelt dahinvegetieren.

Beinahe vermeint man diese Hitze, den Gestank und die Geräusche dieser flirrenden, pulsierenden Metropole aus den Seiten sickern zu spüren – mit eindrücklicher Intensität malt Bacigalupi das Bild eines Molochs, der ständig am Rande des Chaos entlang schlittert, und lässt dabei auch kraftvolle Beschreibungen der Umgebung sowie der Gesellschaft mit einfließen.
Diese dichte und eindringliche Atmosphäre ist die größte Stärke des Romans – und das kommt nicht von ungefähr. Denn „Biokrieg“ ist ganz darauf ausgelegt, das verstörende Bild der Zukunft durch vielerlei verschiedene Mittel zum Leser zu transportieren. Diese betreffen nicht nur den Schauplatz, sondern greifen bei vielerlei Details an. So ist die Macht innerhalb der Stadt verteilt auf zwei mächtige Ministerien – das Umweltministerium und das Handelsministerium, von denen sich besonders ersteres durch Tyrannisieren der Bevölkerung auszeichnet. Denn seine Agenten – angstvoll auch aufgrund ihrer Uniformen „Weißhemden“ genannt – sind korrupt und brutal; eine Folge der großen Macht, die das Ministerium auf Grund ihrer wichtigen Aufgabe inne hat.
Dies ist indes nur eines von vielen durchdachten Details, die Bacigalupi in seine Zukunftsvision einflechtet und die diese so glaubhaft erscheinen lassen. Stets präsentiert er seine Ideen dabei unaufdringlich, beinahe nebensächlich, sodass seine Zukunftsvision wie selbstverständlich wirkt.

Der wichtigste Punkt der Geschichte bleibt jedoch die Problematik der Ernährung. Denn all die schrecklichen Lebensbedingungen werden in den Schatten gestellt durch den immerwährenden Hunger, der zu einem stetigen Begleiter der Bevölkerung geworden ist.
Auch diesen Punkt bringt Bacigalupi geradezu erschreckend authentisch herüber; durch genetische Manipulation sind furchtbare Seuchen entstanden, die ganze Ernten vernichten und gegen die kein wirkliches Mittel gefunden wird. Die einzige Möglichkeit besteht darin, jedes Jahr angepasstes Saatgut zu verwenden, welches die sogenannten „Genhacker“ für die mächtigen Lebensmittelkonzerne entwickeln – Konzerne, die angesichts dieser Lage eine schier unvorstellbare Macht erlangt haben, sichern sie doch die einzige Ressource, die wirklich noch von Wert ist: Kalorien. Und Anderson Lake arbeitet bei einem dieser Konzerne, und er weiß diese Macht zu nutzen …

Auch die Schilderung einer Welt im Schatten dieser „Währung der Zukunft“ gelingt Bacigalupi meisterhaft. Ein interessanter Nebeneffekt seiner Zukunftsvision ist die Tatsache, dass er einem immer wieder in aller Eindrücklichkeit vor Augen führt, in welch paradiesischen Umständen wir heutzutage eigentlich leben – eine Tatsache, die für sich allein genommen das Buch schon lesenswert macht.
Wem das nicht reicht, der bekommt obendrein eine packende und spannende Handlung, sowie gelungene Charaktere. Neben Anderson Lake sowie den überzeugenden Nebencharkateren ist hierbei besonders „Emiko“ – ein sogenanntes „Aufziehmädchen“ (engl. „Windup girl“, Originaltitel des Buches: „The Windup Girl“) erwähnenswert. Genetisch manipuliert und von Forschern als „Unterstützung“ für reiche Japaner konstruiert, ist sie in einer der übelsten Spelunken Bangkoks gelandet und geht dort durch ihre ganz eigene Hölle, nicht ahnend, dass sie bald das Schicksal dieser Stadt verändern wird.


Fazit

In dieser atmosphärisch überragenden Zukunftsvision setzt Bacigalupi sich auf anschauliche und interessante Art mit aktuellen und kontroversen Themen – hauptsächlich dem menschlichen Eingreifen in Erbgut von Pflanzen und sogar Menschen – auseinander und flechtet um diese herum eine spannende und kurzweilige Handlung.


Pro & Kontra

+ interessantes Thema
+ einzigartige Atmosphäre
+ spannende Handlung
+ gelungene Haupt- und auch Nebencharaktere

Wertung: alt

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu "Versunkene Städte"