15 Meilen (Rob Scott)



Verlag: Heyne (April 2011)
Taschenbuch: 528 Seiten,  € 8,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: 15 Miles
ISBN-13: 978-3453527409

Genre: Kriminalroman


Klappentext

Samuel Doyle, gerade erst ins Morddezernat versetzt, wird zu seinem ersten Fall gerufen, und der hat es in sich: Auf einer gottverlassenen Farm im ländlichen Virginia wurden die Leichen des Ex-Marines Carl Bruckner und seiner Frau gefunden. Womit Doyle jedoch nicht gerechnet hat: Die Rache des verstorbenen Marines kennt keine Grenzen – nicht einmal den Tod...


Rezension

Sam Doyle, Polizeibeamter in Richmond, Virginia, verfügt über alles andere als eine stabile Persönlichkeit: Er ist Alkoholiker und tablettenabhängig, wird von einem Jugendtrauma getrieben, hat zuhause Frau und zwei Kinder und sich gerade eine junge Geliebte zugelegt. Zudem wurde er frisch von der Sittenabteilung in die Mordkommission versetzt, wo gleich der erste Fall, dessen Ermittlungen er leiten soll, reichlich bizarr anmutet: Auf einer abgelegenen Farm 15 Meilen außerhalb der Stadt werden zwei grausam zugerichtete Leichen entdeckt. Dazu ist sämtliches Vieh aus mysteriösen Gründen verendet und die geistig behinderte Tochter des ermordeten Ehepaares spurlos verschwunden. Was ist auf dieser Farm geschehen? Es dauert nicht lange und die  Ereignisse nehmen Formen an, die nicht nur den restlos gestressten und überforderten Doyle endgültig zu überfahren drohen ...

Die Geschichte beginnt mit einem 40-Seitigen Prolog, in welchem eigentlich nur ein Saufgelage von Doyle nebst Kollegen ausführlichst wiedergegeben – und dem Leser die ganze Tragik seiner Existenz nahegebracht wird. Dieser Start ist nicht optimal, denn viele von Doyles Problemen haben mit dem Fall wenig bis nichts zu tun und wären harmonischer in der Story untergebracht gewesen, wenn sie der Autor nach und nach in die Story eingefügt hätte. In dieser Darreichungsform werden jedoch so ziemlich alle erreichbaren Klischees geballt bedient und als Leser entwickelt man nur wenig Sympathie für den Protagonisten.

Der Fall, mit dem sich Doyle dann am folgenden Tag konfrontiert sieht, gestaltet sich sehr spannend und auch reichlich mysteriös. Auffällig ist dabei die Detailverliebtheit, mit der der Autor den Schauplatz des Verbrechens beschreibt und dabei eine wahre Stätte des Grauens erschafft. Der Leser vermag bei diesen Schilderungen Gestank, Dreck, Fäulnis, Verwesung, Fliegen und Schweiß beinahe plastisch wahrzunehmen, was sicher nicht jedermanns Geschmack, dafür aber unbestreitbar gut gelungen ist. 

Sehr zögerlich finden erste Indizien an ihren Platz, wobei die Handlung aus Doyles Sicht in der ersten Person erzählt wird. Dabei werden nicht nur die Fortschritte, sondern auch seine Ängste und Selbstzweifel immer wieder betont. Es ist sein erster Fall, er möchte alles richtig machen und sich mit niemandem überwerfen, fühlt sich aber von der Sachlage völlig überfordert. Dazu kommt das Dilemma mit Familie und Geliebter und auch seiner Vergangenheit, was alles zusammen dazu führt, dass er ständig mit Tabletten zugedröhnt und mehr oder weniger angetrunken herumläuft. Beim Leser stellt sich sehr schnell die Frage, warum ein unerfahrener Ermittler mit einem solch komplexen Fall betraut wird. Ebenfalls nicht wirklich nachvollziehbar ist die Tatsache, dass Doyle trotz seines immer desolater werdenden Zustandes bei der Sache bleibt und den Fall tatsächlich gelöst bekommt; hier hat es der Autor zu gut gemeint und weniger wäre mehr gewesen.
Der weitere Fortgang entwickelt sich gradlinig, wobei die Spannung größtenteils gehalten wird. Auch die Ermittlungen werden anschaulich und interessant präsentiert, man merkt dem Autor, der selbst Sohn eines Polizisten ist, deutlich seine fundierten Kenntnisse auf diesem Gebiet an. Allerdings hat er einen Hang zu Übertreibungen und schweift auch zu gerne und zu oft ab. Die Erwähnung von Doyles Jugendtrauma und die Tatsache, dass seine psychischen Probleme daraus resultieren, hätten beispielsweise vollauf genügt, stattdessen wird dieses Thema, das mit dem Fall nichts zu tun hat, in diversen Rückblenden ausführlich erzählt und, weil das anscheinend noch nicht ausreichte, wird er von einer Person aus seiner Vergangenheit in Form einer Halluzination heimgesucht.

Zum finalen Showdown wird einerseits die Spannung noch einmal gesteigert, zum anderen ist Doyle zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich bereits dermaßen angeschlagen, dass er eigentlich nicht einmal mehr hätte aufrecht stehen können. Er versichert zwar alle paar Augenblicke, jetzt endgültig am Ende zu sein, doch irgendwie rappelt er sich immer wieder hoch. Auch hier wurde der Glaubwürdigkeitsbogen zu sehr überspannt.
Die endgültige Auflösung ist eher unspektakulär, aber in sich stimmig, ein Ende ohne künstliche Effekthascherei, wie es auch aus dem richtigen Leben hätte stammen können.


Fazit

Ein durchaus spannender Roman, der aber stellenweise überfrachtet wirkt und sich in zu vielen Details verliert. 200 Seiten weniger hätten den Gruselfaktur erheblich erhöht und alles insgesamt besser abgerundet.


Pro & Kontra

+ interessante Story
+ Autor hat deutlich Ahnung von Polizeiarbeit
+ lebendig und spannend erzählt
+ sehr plastische Schilderungen
+ gelungener Horror ohne übersinnliche Elemente
+ Schluß logisch und ohne Effekthascherei

o stellenweise mit starkem Ekelfaktor
o Erzählung in Ich-Form

- Protagonist zu klischeebeladen und wenig sympathisch
- an einigen Stellen unglaubwürdig
- viele überflüssige Abschweifungen
- insgesamt zu viele Längen

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 4/5