Satyr-Verlag
Klappenbroschur
303 S., 16,90 EUR
ISBN: 978-3-938625-65-1
Genre: Belletristik
Klappentext (innen)
Jahrelang hat Jeremy Canty für seine Romane sehr wohlwollende Kritiken bekommen. Aber von wohlwollenden Kritiken kann man keine Gasrechnung bezahlen. Da muss man schon froh sein, wenn man sich genügend Gin Tonic leisten kann, um den eigenen Misserfolg unter den Tisch zu trinken. Doch als dann der Roman eines so verhassten wie untalentierten Rivalen eine Empfehlung in der populärsten Nachmittagssendung von Channel 4 bekommt, reicht es Jeremy. Von nun an kennt er nur noch ein Ziel: Erfolg um jeden Preis. Kurzentschlossen heuert er bei der zuständigen Literaturredakteurin als Senioren-Nanny an. Doch in ihrem Haushalt wartet nicht nur ein greiser Schwerenöter, sondern auch der ein oder andere Fettnapf ...
Rezension
Man kennt ihn, diesen Jeremy Canty. Diesen eigensinnig-verschrobenen
Charaktertypus, so sympathisch wie anstrengend, mit der fatalen Neigung,
nach jeder Party noch bis in den Morgen sitzen zu bleiben und sämtliche
Alkoholvorräte zu leeren. Hockt man sich dazu, bekommt man einerseits
eine Galavorstellung herrlich bissigen Wortwitzes geboten – jedenfalls,
so lange sich das Genuschel noch in Grenzen hält. Andererseits steckt
unter all der Scharfzüngigkeit so viel antriebsloses Gejammere über die
Ungerechtigkeiten der Welt, dass man spätestens, wenn die Sonne endlich
aufgeht, das dringende Bedürfnis verspürt, dem Gast einen ordentlichen
Tritt in den Allerwertesten zu versetzen.
Genauso geht es auch Jeremys Freunden in „Bestseller“, die schon allein
dadurch einen höchst sympathischen Eindruck machen, aber auch ansonsten
einiges zu bieten haben: ein überhaupt-nicht-schwuler Adonis im
Bauarbeiterkörper, der mit Jeremy eine Nicht-Beziehung führt, von der
Frau und Kinder nichts ahnen dürfen; Depri-Prue, gleichzeitig
überemotionale Heulsuse und eiskalte Marketingexpertin; und die
wunderbare Robyn, für ihre Freier mal Lackleder-Domina, mal blaue
Plüschgiraffe und immer für jeden abstrusen Schabernack zu haben. Wenn
diese Gestalten sich mehr oder weniger verschwören, ihrem jammernden
Schriftstellerfreund endlich einen ordentlichen Schubs Richtung Erfolg
zu verpassen, dann kommt genau das dabei heraus, was man erwartet: ein
wunderbar skurriles Durcheinander, in dem alternde Penisse in
Tiefkühlerbsenbeutel gesteckt werden und dicke Chauffeure Special
Forces-Flashbacks haben. Und natürlich misslingt am Ende der ganze
grandiose Plan, live und vor Millionen Fernsehzuschauern. Aber wie prägt
es sich doch auch Jeremy so schön ein? Es gibt keine schlechte
Publicity …
Der Leser kann zwischen den nicht allzu vielen Seiten dieses Romans eine
höchst vergnügliche Zeit verbringen, vorausgesetzt, er ist nicht zu
empfindlich, was den Gebrauch von Invektiven betrifft. Aus vollem Herzen
und mit losem Mundwerk wird hier intelligent geflucht und
geschimpfwortelt, dass es eine wahre, politisch erfrischend unkorrekte
Freude ist.
Ob so sehr viel steckt hinter den flotten Sprüchen, die einem immer
wieder buchstäblich Lachtränen auf die Wangen treiben – das ist eine
andere Frage. Das Panoptikum skurriler Gestalten führt ein amüsantes
Spektakel auf, und vielleicht ist ja nicht mehr als das auch das
eigentliche Ziel des Romans: bestimmte Charaktertypen möglichst
überzeichnet darzustellen, dem Leser zur Freude und, rein fakultativ,
zur Selbstreflektion (vor allem, wenn der Leser auch ein Schriftsteller
sein sollte). Der Roman trägt sich jedenfalls über den Großteil seiner
Strecke auf diese Weise wunderbar selbst; nur ganz am Ende, wenn die
Parade mit viel Getöse von der Bühne abgetreten ist, bleibt ein
fragendes Gefühl zurück. Das soll es jetzt also gewesen sein? Und – was
lernen wir daraus?
Nicht so sehr viel eigentlich. Menschen entwickeln seltsame Eigenheiten,
um mit ihrem seltsamen Leben irgendwie halbwegs zurecht zu kommen; sie
stolpern verloren, aber unverdrossen in ihren Alltagskulissen herum,
reißen gelegentlich die vertraute Dekoration ein, um endlich so etwas
wie einen Überblick zu bekommen – und lassen sich dann doch wieder
zurücksinken in das, was auch immer für sie Normalität bedeutet. Von
mehr berichtet „Bestseller“ uns nicht. Aber die Situationskomik und der
Wortwitz, mit dem es berichtet wird, machen den Roman trotzdem zu einem
lachbauchkämpfe-erzeugenden Lesevergnügen.
Fazit
Ein spitzzüngiger, wortwitziger Unterhaltungsroman voller skurriler
Figuren, die wie auf einem bunten Jahrmarktskarussell durch die
Geschichte wirbeln, mitreißend und sehr amüsant. Neue, tiefsinnige
Erkenntnisse zur menschlichen Spezies sind hier zwar nicht zu gewinnen,
waren aber auch nicht unbedingt zu erwarten. In diesem Sinne: Enjoy the
ride!
Pro und Kontra
+ sehr flott geschrieben
+ voller scharfem, intelligentem Witz und Situationskomik
+ unterhaltsame, bis ins Schrägste überzeichnete Figuren
+ sehr vergnüglich und leicht zu lesen
- ein leicht abgenutztes Thema
- flauer, beinahe nichtssagender Schluss
- Grundkonstrukt relativ schnell durchschaubar
- für rund 300 Seiten sehr teuer
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Sprache: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3/5