Eine Frage der Gerechtigkeit (Charles Todd)

Verlag: Heyne (April 2011)
Taschenbuch: 464 Seiten,  € 9,99
Sprache: Deutsch
Originaltitel: A Matter of Justice
ISBN-13: 978-3453435438

Genre: Kriminalroman


Klappentext

England 1920. In einem idyllischen Küstenstädtchen wird ein Geschäftsmann auf bizarre Weise ermordet. Schnell stellt sich heraus, dass er allen im Ort verhasst war – selbst seiner Frau. Daher stößt Inspector Rutledge vom Scotland Yard bei seinen Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens. Bis er eine Spur entdeckt, die zu einem Verbrechen in der Vergangenheit führt.


Rezension

Wer Charles Todd kennt, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits Bekanntschaft mit Ian Rutledge geschlossen, dem eigenbrötlerischen Inspector von Scotland Yard mit chronischen Autoritätsproblemen, der, verabscheut von seinem Vorgesetzten, vorzugsweise mit besonders unangenehmen Fällen betraut wird. Dabei verschlägt es Rutledge meist irgendwo weit hinaus aufs Land, wo er sich einer verschworenen Dorfgemeinschaft gegenüber sieht, die nicht gewillt ist, ihn bei seinen Ermittlungen zu unterstützen.
Auch Todds zwölfter Inspector-Rutledge-Roman folgt diesem Handlungsgerüst: In einem beschaulichen Ort südlich von Glastonbury findet sich, aufgehängt unter einem Scheunendach, die höchst eigenartig zugerichtete Leiche eines gewissen Mr. Quarles, einem erfolgreichen Londoner Aktienmakler, der hier in der Grafschaft Somerset seinen Landsitz hat. Der ortsansässige Inspector Padgett, der die Leiche zufällig entdeckt, sieht sich von dem Fall überfordert und bittet Scotland Yard um Unterstützung, und Rutledge, der sich anlässlich der Hochzeit eines Freundes in der Nähe aufhält, wird mit dem Fall beauftragt.
Im Dorf war das Opfer Dank seiner arroganten Art und seiner Schürzenjägerei regelrecht verhasst, es gibt zahlreiche Personen, die das auch offen zugeben und sich erfreut über Quarles’ Ableben zeigen. Seltsamerweise beißt Rutledge mit seinen Ermittlungen aber trotz aller Offenheit und Freude bei den Dorfbewohnern auf Granit. Der Täter könnte sowohl aus dem Ort als auch aus London stammen, und dann gibt es da auch noch ein Verbrechen in der Vergangenheit ...

Der Beginn startet an einem völlig anderen Schauplatz und scheint mit dem Fall zunächst nichts zu tun zu haben, es geht dabei um einen Vorfall aus dem Burenkrieg, der im späteren Verlauf der Handlung noch eine wichtige Rolle spielt. Diese Rückblende an den Anfang zu setzen, war keine optimale Wahl, denn der Leser behält diesen Sachverhalt stets im Gedächtnis, was empfindlich auf Kosten der Spannung geht.

In gemächlichem Tempo entwickelt sich die Story voran, wobei der Autor zunächst ein Ereignis aus Rutledges Privatleben voranschickt, was eine harmonische Überleitung zum eigentlichen Fall bildet. Auch Rutledges aus den Vorgängerbänden hinlänglich bekanntes Trauma aus dem ersten Weltkrieg, über welches er nicht hinwegkommt, macht sich sehr schnell bemerkbar, es äußert sich in Form eines alter Egos namens Hamish, mit dem er ständig Selbstgespräche führt. Davon darf niemand etwas merken, denn zu jenen Zeiten galt so etwas als Zeichen von Schwäche und Feigheit und würde das Aus für seine Karriere bedeuten.
Leider werden ansonsten nur sehr wenige Einzelheiten erwähnt, die darauf hindeuten, dass die Geschichte im Jahre 1920 spielt. Rutledges Geheimniskrämerei, Autos, die angekurbelt werden müssen oder auch ein einziges Telefon am Ort, bei dem man ewig auf eine Verbindung warten muß, viel mehr ist es eigentlich nicht, was sehr bedauerlich erscheint, denn darüber hinaus wartet der Autor durchaus mit stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen auf, die sich sehr gut in den beschaulichen Handlungsablauf einfügen.

Lebendig präsentieren sich die Charaktere, nicht nur Rutledge, auf dem der Erzählfokus liegt, auch die Nebenfiguren verfügen über Tiefgang und Persönlichkeit. Der Schreibstil liest sich sowohl im Erzähltext als auch bei den Dialogen unterhaltsam und flüssig, die deutsche Übersetzung bringt die englische Mentalität gut zur Geltung. Gelegentliche Längen sind zwar vorhanden, fallen aber nicht weiter störend ins Gewicht, weil zu zum gemächlichen Tempo passen.
Durchaus spannend gestaltet sich der Plot, wobei der Leser nach einer gewissen Zeit allerdings zu früh merkt, in welche Richtung es steuert. Die Auflösung bietet demnach auch kaum eine wirkliche Überraschung.


Fazit

Für Neulinge der Rutledge-Reihe entspricht das Buch dem guten Durchschnitt, ein englischer Landhauskrimi in gemächlichem Stil und ohne atemberaubende Momente. Kenner der Serie dürften sich dafür langsam aber sicher in eine Art von Endlos-Schleife versetzt fühlen und sich fragen, warum der Plot immer nach demselben Schema abläuft – und wann sich Rutledges Persönlichkeit endlich in irgendeine Richtung weiterentwickeln wird.


Pro & Kontra

+ lebendige Charaktere
+ auch in der deutschen Übersetzung gut geschrieben
+ stimmungsvolle Beschreibungen

o keine Action
o gelegentlich ein wenig langatmig

- zu vorhersehbar
- wichtiger Sachverhalt wird zu früh erwähnt
- kaum historisches Lokalkolorit
- Auflösung ohne Überraschung
- Für Kenner der Reihe zu wenig innovativ

Wertung:

Handlung:2/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 4/5