Das Wunder von Treviso (Susanne Falk)



Kindler-Verlag (2011)
Hardcover, 256 Seiten, EUR 16,95
ISBN: 978-3463406008 

Genre: Belletristik


Klappentext

Gott sieht alles … außer Treviso!

Das kleine Dorf in Norditalien leidet unter seiner kompletten Bedeutungslosigkeit. Don Antonio, der Pfarrer des Ortes, hat die Nase voll: Ein Wunder muss her! Kurzerhand lässt er eine Madonnenstatue präparieren, und siehe da: Beim nächsten Gottesdienst weint sie rote Tränen. Sofort ist die Presse vor Ort, und bald kann sich Treviso vor Pilgern aus der ganzen Welt nicht mehr retten. Alle profitieren davon: der Supermarkt, die Trattoria und sogar Don Antonio. Seine Schwester Maria kommt nach Treviso, um ihn bei der Vielzahl der neuen Aufgaben zu unterstützen. Zwischen ihr und Luigi, dem Friseur, entspinnt sich eine zarte Romanze. Doch dann schickt der Vatikan einen Gesandten, der sich von der Echtheit des Wunders überzeugen soll …


Rezension

Kleine, verschlafene italienische Dörfer wecken in den meisten Menschen wohl romantische Assoziationen. Verträumte Gassen mit malerischen Wäscheleinen, Piazzen unter schattigem Weinlaub, auf denen sich mit einem Cappuccino in der Hand herrlich geruhsam der Tag verträumen lässt …

Vielleicht gibt es sie ja wirklich, diese steingewordenen Dorfklischees, zumindest für Touristenaugen. Susanne Falk erzählt von dem, was Touristen normalerweise nicht zu sehen und erst recht nicht zu spüren bekommen, nämlich von der nicht ganz einfachen Wirklichkeit im norditalienischen Binnenland. Von Bevölkerungsschwund und Geldsorgen und vom dem unschönen Gefühl, am Rande der Welt zu liegen und deshalb irgendwie und grundsätzlich zu kurz gekommen zu sein. Sie tut es charmant und mit leichter Hand; es ist kein Sozialdrama, was sie auf diesem Hintergrund aufbaut, sondern ein amüsanter Sommerroman, ein kleines Possenspiel mit Kirche und Touristen. Und wahrscheinlich ganz, ohne es selbst zu merken, zeichnet sie dabei wiederum genau die Art von Bild, die wir uns von einer Posse auf dem italienischen Dörfchen erwarten.

Die Dorfbewohner – der geplagte Bürgermeister, der Besitzer des Supermarkts, der nachdenkliche Friseur, der umtriebige Pastor – sind allesamt gutartige Menschen. Ein wenig skurril, ein wenig eigen, mit ordentlich Bauernschläue ausgestattet und im Grunde doch anständig und gewissenhaft. Ihren Winkelzügen zu folgen, mit denen sie Treviso zu einem Platz an der sprichwörtlichen Sonne verhelfen wollen, liest sich leicht und munter. Alle sind sie ungemein sympathisch, und in der Trattoria möchte man liebsten gleich die Pasta Pomodoro bestellen, die es dort immer zu Mittag gibt. Man wünscht ihnen nur das Beste, für den fadenscheinigen Madonnenbetrug ebenso wie für ihr Liebesleben, das immer wieder mit eingewoben wird und in dem sich hübsche Konstellationen ergeben. Susanne Falk beschreibt ihre Figuren so einladend, dass nichts leichter fällt, als sich in Treviso für ein paar vergnügliche Stündchen einzurichten.

Genauso leicht ist es allerdings, den Ort und seine Bewohner wieder zu verlassen. Die Geschichte endet, und was zurück bleibt, ist ein angenehmer, flüchtiger Hauch, wie der Sommerduft an einem T-Shirt, das man nach der Reise noch ungewaschen aus dem Koffer holt. Er wird die nächste Waschmaschinenladung nicht überleben. Wie anders wäre es, um im Vergleich zu bleiben, wenn man auch einmal ordentlich in einen Misthaufen gefallen wäre! Kein schöner Geruch, sicher nicht – aber einer, der einem mit ein bisschen Pech und schlechtem Waschmittel Jahre treu bleiben kann. Und immer wieder – neben dem Ärger – dieselben Bilder in leuchtender Klarheit hervorzaubert …

Es sind die Misthaufen, die in Treviso fehlen. Die Ecken und Kanten an den Menschen, die wirklich kratzen, anstatt dekorativ zu sein; die Brüche in den Charakteren, die nicht charmant und reizend skurril daherkommen. Treviso ist ein freundlicher, zu freundlicher Ort, bei aller bäuerlichen Durchtriebenheit. So sind es letztlich doch wieder Touristenaugen, die die Autorin uns leiht, um das Dorf damit zu betrachten; hinter die Fassaden dringen die Blicke nicht. „Das Wunder von Treviso“ ist zwar angenehm und flott zu lesen – die Rezensentin allerdings hätte sich sehr gefreut, auch einmal etwas näher an die Wirklichkeit herangeführt zu werden. Gerade weil die Figuren so sympathisch sind, hätte man ihnen ruhig erlauben sollen, sich ein bisschen weniger burlesk und dafür ein bisschen menschlicher zu zeigen. Und der eigentlichen Geschichte übrigens auch. Es hätte sich durchaus gelohnt.

Handwerklich, das bleibt hinzuzufügen, ist der Roman sehr ordentlich gemacht, besonders für eine Anfängerin; kein Stocken, kein Stolpern, das die leichte Lesefreude stört. Jetzt nur noch mehr Mut, Frau Falk! Geben Sie uns ordentlich Zunder beim nächsten Mal! Wir können es verkraften. Mehr noch, wir freuen uns sogar darauf.


Fazit

„Das Wunder von Treviso“ ist ein munterer, leichter Sommerroman, eine ländliche Posse, die vergnügte Lesestunden verspricht und das Versprechen auch hält. Die Geschichte um die skurrilen Dorfbewohner und ihre Bemühungen, dem italienischen Dörfchen endlich zu ein bisschen Ansehen in der Welt zu verhelfen, liest sich flüssig und amüsant; haften bleibt hinterher allerdings wenig.


Pro und Kontra

+ gut lesbar
+ sympathische Figuren
+ humorvoll
+ hübsche Liebesgeschichten

- zu seicht
- Klischees
- für die relative Kürze etwas überteuert
- Klappentext entspricht teilweise nicht der Handlung

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Sprache: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5