Mr. Shivers (Robert Jackson Bennett)

Piper (Juli 2011)
Taschenbuch, 400 Seiten
ISBN: 978-3492267533
€ 12,95 [D]

Genre: Horror


Klappentext

Michael Connelly ist ein Rastloser, und er durchquert das Land mit nur einem Ziel: Rache zu üben. Denn dort draußen, zwischen den ratternden Zügen, den Lagern der Landstreicher und der endlosen Prärie verbirgt sich der Mann, der Michaels Tochter ermordet hat. Michael kennt weder den Grund für die Tat, noch weiß er, wohin er sich wenden soll. Aber er wird seine Suche zu Ende führen, und sie wird in Blut enden. Denn niemand kennt den Täter, und doch flüstert jeder seinen Namen: Mr. Shivers …


Rezension

Ein vernarbter Mann streift durch das tote Land Amerikas während der großen Depression und hinterlässt eine Spur des Todes. Überall, wo er auftaucht, wird sein Name in Angst und Erfurcht gewispert. Niemand weiß, wer er ist und warum er tötet, aber die Gerüchte über ihn gleichen Gespenstergeschichten. Dennoch lassen sich viele nicht dadurch abschrecken und verfolgen den Mann. Sie wollen Antworten aber vor allem Rache, denn er hat ihnen das Liebste genommen. John Connelly ist einer davon. Einer der Personen, die willens sind, den Narbenmann zu vernichten. Wie ein Obdachloser bleibt er ihm auf den Fersen und wenn er ihn findet, wird er nicht zögern, ihn zu töten.

Mr. Shivers“ ist wie ein Witz, der ewig in die Länge gezogen wird, weil der Erzähler sich gerne reden hört. Mit zahlreichen Details wird auf eine Pointe hingearbeitet, die dem Zuhörer aber inzwischen gleichgültig ist, weil er sie entweder bereits erraten hat oder sie nicht sonderlich gut ist. Die erste Hälfte des Romans besteht aus gähnender Langeweile und ist so inhaltsfrei wie das Land, durch das Connelly streift. Die recht kurzen Kapitel erzählen bis dahin, wie er auf Menschen trifft, die ebenfalls hinter dem Narbenmann her sind. Sie schließen sich zusammen oder eben nicht und wandern von einem Ort zum anderen. So gut wie immer endet es damit, dass Connelly sich schlafen legt. Nur selten passiert etwas Erwähnenswertes. Immerhin kann sich die Sprache sehen lassen. Sie unterstreicht perfekt die depressive Stimmung, in der sich Amerika einst befunden hatte. Aus jedem Satz trieft es finster heraus und die Bilder, die der Autor nutzt, sind stellenweise schlichtweg meisterhaft. Ebenso erwähnenswert ist, dass es Bennett gelingt die Sprache und Lebenseinstellung der Figuren an die Zeit anzupassen und so das alte Amerika wieder zum Leben erweckt. Es ist einem richtig unangenehm, wenn die Leute sich über Afroamerikaner unterhalten, als seinen sie nichts wert. Dennoch wird das Buch viele Leser bereits verloren haben, denn von Stephen King und vor allem dem genialen Neil Gaiman, mit denen Bennett verglichen wird, gibt es keine Spur. Auch wenn sich sicherlich, wenn man lang genug sucht, zumindest inhaltlich Überschneidungen finden lassen. Im weiteren Verlauf passiert dann doch etwas. Im weitesten Sinne sind es sogar Horrorelemente, die einen hoffen lassen, dass „Mr. Shivers“ doch keine Zeitverschwendung war. Die Brutalität und Action nimmt zu, einige wenige guten Ideen weist das Buch auch noch auf und insgesamt fragt man sich, warum konnte nicht das ganze Buch so sein. Das Ende, wie oben bereits erwähnt, lässt sich leicht erahnen. Immerhin werden einige Krümel auf dem Weg hinterlassen, die den Leser zum richtigen Schluss führen. Gleichzeitig ist es auch nicht gerade weltbewegend, oder hätte einen größeren Effekt, wenn es nicht so herausgezögert worden wäre.

So düster die Sprache und die Story, so sind auch die Protagonisten nicht gerade fröhliche Gemüter. Jeder hat eine offene Rechnung mit dem Narbenmann. Sie sind innerlich erkaltet und emotional tot. Keine gute Voraussetzung für Lichtgestalten der Charakterentwicklung. Zumindest Connelly hätte eine zweite Dimension an Gefühlen und Gedanken gebraucht, um beim Leser wenigstens etwas Mitleid zu erregen. Rachestorys gibt es viele. Meistens ist der Rächer voller Wut und Trauer; er ist entschlossen, alles zu Ende zu bringen, dennoch hat er noch etwas Menschliches. Einen Funken identifizierbarer Gedanken und Ängste. Connelly bleibt aber flach und kaltherzig. So passend die Figuren zu der Atmosphäre auch sein mögen, unterm Strich ist einem deren Schicksal egal. Connellys Wegbegleiter sind allesamt zwielichtige Figuren, mit denen man nie richtig warm wird.
Der ominöse Widersacher mit den schrecklichen Narben ist hingegen gelungen. Es dauert lange bis man weiß, ob er denn nun menschlich ist oder nicht, warum er mordet und was er eigentlich für eine Rolle spielt. Man kann sich nie sicher sein, ob die erzählten Geschichten der Obdachlosen wahr oder erfunden sind. Das gelingt dem Autor durch die Abstinenz des Narbenmanns. Man hat zwar das Gefühl, er sei in der Nähe und würde lauern, meistens bleibt man aber im Dunkeln.

Vergleiche mit Autoren der Königsklasse wie King und Gaiman sind gefährlich, sie sorgen für höhere Verkaufszahlen aber auch höhere Erwartungen, aber die Enttäuschung ist auch groß, wenn es dann einfach nicht stimmt. Und Bennett ist mit seinem Roman weit davon entfernt. Letztlich ist „Mr. Shivers“ solide Suspens-Horrorkost der alten Schule und für einen Debütroman durchaus gut gelungen. Aber zu viele Längen, belanglose Dialoge und wenige erwähnenswerte Dialoge schmälern das Lesevergnügen.

Das Buch hat dieselbe Aufmachung bekommen wie die grandiose Reihe von Dan Wells („Ich bin kein Serienkiller“, „Mr. Monster“ und „Ich will dich nicht töten“). Die Seiten sind so zugeschnitten, dass sie ein gezacktes Muster ergeben. Zwar sieht der so genannte Rough Cut cool aus, ist aber nicht wirklich praktisch zum Lesen, weil sich die Seiten schwerer biegen lassen.


Fazit

Für ein Debüt kann sich „Mr. Shivers“ sehen lassen. Die Story ist zwar stellenweise fad, dafür ist die Sprache sehr bildgewaltig und entwickelt eine gute Atmosphäre. Von einem Meisterwerk zu sprechen, ist aber viel zu weit ausgeholt. Dafür sorgt schon die sterbenslangweilige erste Hälfte.


Pro und Kontra

+ Der Narbenmann
+ simple aber auch bildgewaltige Sprache
+ schöne Aufmachung

- die erste Hälfte des Romans
- Ende vorhersehbar
- schwer bis unmöglich eine Identifikationsfigur zu finden

Beurteilung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5