Die Geheimnisse der Tinkerfarm (Tad Williams und Deborah Beale)

Klett-Cotta (September 2011)
Gebunden mit Schutzumschlag
430 Seiten, 19,95 EUR
illustrierte Kapitelanfänge, Lesebändchen
ISBN: 978-3-608-93822-7

Genre: All-Age-Fantasy


Klappentext

Tyler und Lucinda machen sich auf, einen weiteren Sommer auf der mysteriösen, wundervollen und schaurigen Tinkerfarm zu verbringen. Welch gefährliche Herausforderungen sie hier erwarten, ist nicht zu ahnen und übertrifft alles, was sie bisher erlebt haben.

Ein düsteres Geheimnis liegt über der Tinkerfarm. Das ist für Tyler und seine Schwester Lucinda unmittelbar zu spüren, als sie wieder das kleine abgeschiedene Tal weit im Hinterland besuchen. Die Farm mit ihren einzigartigen Tieren, den Drachen, Einhörnern und Wasserschlangen wird bedroht. Nicht nur die allgegenwärtigen Sicherheitsmaßnahmen verraten es: Zäune, Überwachungskameras und sogar gefährliche neue Kreaturen sind im Einsatz. Als dann auch noch Onkel Gideon spurlos verschwindet, sind Tyler und Lucinda ganz auf sich gestellt, die Farm mit all ihren Tieren zu schützen. Was hat aber die zwielichtige Haushälterin Miss Needle im Sinn? Ist sie eine gefährliche Hexe, wie Tyler und Lucinda fürchten? Ein spannendes Leseabenteuer von der ersten bis zur letzten Seite.


Rezension

Die Rückkehr auf die phantastische Tinkerfarm ist für Tyler und Lucinda erst einmal ein großer Schock: Hohe Zäune, die unter Strom stehen, umgrenzen das Gelände. Besucher müssen mehrere gesicherte Tore passieren, ehe sie zu den Tieren oder bis zum Farmgebäude gelangen. Tyler erinnert die Szenerie an die Berliner Mauer und dieser Eindruck spiegelt die Atmosphäre bestens wieder. Die Tinkerfarm ist ein düsterer Ort geworden, an dem Geheimnisse schwer wiegen und der Besitzer und Großonkel der Kinder Gideon offenbar paranoid geworden ist, seit den Ereignissen des letzten Sommers. Neben Überwachsungskameras und Zäunen kommen die bösartigen Mantikore als „Wachhunde“ zum Einsatz, wobei selbst die Farmbewohner diesen schrecklichen Tieren nicht zu nahe kommen wollen. Im Farmhaus hat die unheimliche Miss Needle das Zepter in der Hand und auch ihr sonderbarer Sohn Colin macht den Geschwistern schwer zu schaffen …

Der Einstieg in „Die Geheimnisse der Tinkerfarm“ gestaltet sich nicht nur für die Protagonisten schwierig. Der Leser hat auf den ersten hundert Seiten das Gefühl, dass die Geschichte nicht richtig in Gang kommt. Die düstere Atmosphäre auf der Farm wirkt geradezu erdrückend und nicht einmal kleine Lichtblicke können den Lesespaß steigern. Zudem sind die neuen Sicherheitsmaßnahmen auf der Farm so modern, dass das vertraute, phantastische Flair vom Vorgängerband nicht aufkommen mag. Allerdings ändert sich die Stimmung nach etwa einem Viertel des Buches und die Geschichte nimmt deutlich an Fahrt auf. Sie wird zwar noch düsterer und dramatischer, doch auch wieder zunehmend phantastischer, sodass man endlich das Gefühl hat, auf der Tinkerfarm angekommen zu sein. Dabei spielen selbstverständlich wieder die Verwerfungsspalte, aus der Menschen und phantastische Tiere aus der Vergangenheit auf die Tinkerfarm gekommen sind, sowie der magische Spiegel, der allerdings inzwischen bei Miss Needle im Zimmer steht. Die zwielichtige Haushälterin weiß jedoch nicht, welches Geheimnis dieser birgt.

Eine wirkliche Neuerung stellt lediglich ein bizarrer Pilz da, der das Gewächshaus erobert und die Bewohner der Farm krank macht. Ansonsten wirkt es ein wenig, als würden alte Themen aus dem ersten Band aufgewärmt werden. Andererseits sind die aktuellen Ereignisse die Folge aus der Geschehnissen vom letzten Sommer, wo Verwerfungsspalte und Spiegel zwar schon vorkamen, aber zu viele Geheimnisse geblieben sind. Dies ändert sich auch im zweiten Band nur zum Teil. Zwar werden weitere Geheimnisse gelüftet, doch am Ende bleibt man wieder mit einigen Fragezeichen und auch Sorgen zurück. Denn die Bedrohung des letzten Sommers wirkt verschwindend klein gegen die dramatischen Entwicklungen auf der Farm. Gleich mehrere Personen versuchen, Gideon Goldring die Farm zu entreißen und würden dabei über Leichen gehen. Tyler und Lucinda sowie andere Farmbewohner geraten mehrmals in Lebensgefahr und auch wenn man ahnt, dass alles gut werden muss, bangt man so manches Mal um die Zukunft der Farm und der liebgewonnenen Charaktere.

Was „Die Geheimnisse der Tinkerfarm“ wie auch seinen Vorgänger „Die Drachen der Tinkerfarm“ auszeichnet, ist das große kreative Potential der Autoren. In der Geschichte sind zahlreiche Anspielungen auf phantastische Werke wie „Der Zauberer von Oz“ oder auch „Alice im Wunderland“ versteckt, die auch erwachsenen Lesern Freude bereiten. Auch wenn die Bücher aus Sicht der Kinder geschrieben sind und so folglich manch kindische Reaktion nicht ausbleibt, sind es doch gerade die unüberlegten Handlungen der Kinder, die die Geschichte authentisch machen. Tad Williams und Deborah Beale schreiben Jugendbücher, wie sie sein sollen: gut verständlich für junge Leser und voller Andeutungen, die auch erwachsene Leser fordern. Zudem ist die Geschichte trotz anfänglicher Längen und Schwächen unheimlich spannend – auch wenn man sich wünschen würde, dass nicht ganz so viel schief geht. Ein weiterer Pluspunkt sind die Farmbewohner, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen und entsprechende Eigenarten mitbringen. Manche sind nicht einmal richtig menschlich und so mancher war ein König in seiner Zeit und versorgt nun in der Gegenwart phantastische Wesen wie Drachen, Einhörner und Amphisbaenen.

Das Hardcover von Klett-Cotta kommt dabei in gewohnt bester Qualität und wartet mit illustrierten Kapitelanfängen auf, denen man eigentlich nur vorwerfen kann, dass viele mehrmals vorkommen und nicht jedes Kapitel eine ganz eigene Illustration hat. Dazu gibt es ein Lesebändchen, welches bei Hardcovern eigentlich Standard sein sollte, es aber leider nicht immer ist. Dieses Mal erstrahlt das Cover in dunklen Rottönen und sieht wieder wahnsinnig schön aus – und düster. Denn „Die Geheimnisse der Tinkerfarm“ ist kein Buch voller Sonnenschein, sondern eher eine Geschichte voll finsterer Gewitterwolken. Dabei gelingt es den Autoren jedoch, die Balance zwischen actionreich und unnötig brutal zu wahren, sodass man das Buch bedenkenlos jüngeren Lesern ans Herz legen kann. Im Vergleich zu anderen Werken von Tad Williams, die gerne etwas ausufernder sind, ist die Reihe um die Tinkerfarm stärker auf den Punkt gebracht. Zwar fehlen Nebenhandlungen nicht vollständig, ihnen wird allerdings nicht ganz so viel Raum gegeben wie beispielsweise in „Otherland“ – und so eignen sich die Romane um die Tinkerfarm vor allem für jene Leser, die gerne etwas von Tad Williams lesen würden, sich aber nicht beim ersten Mal durch tausend Seiten kämpfen wollen.


Fazit

Im Vergleich zum Vorgänger schwächelt „Die Geheimnisse der Tinkerfarm“ anfangs ein wenig, wird dafür gegen Ende aber umso spannender. Die Atmosphäre ist dieses Mal deutlich düsterer und der Leser muss einige Schreckensmomente durchstehen, kommt dafür jedoch in den Genuss vieler Anspielungen und phantastischer Ideen. Ein dramatisches und kreatives Abenteuer, das mit viel Liebe zum Detail überzeugt.


Pro & Contra

+ düstere Atmosphäre
+ authentische Charaktere
+ extrem spannend und dramatisch
+ viele Anspielungen auf phantastische Werke
+ kreative Ideen

- schwacher Anfang

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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Interview with Deborah Beale (english)

Interview mit Deborah Beale (deutsch)

Interview with Tad Williams (english)

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Tags: Drachen, Tad Williams