Der Ring des Falken (Frederik Berger)

Kindler (September 2011)
512 Seiten, 19,95 Euro
ISBN: 978-3463405872

Genre: Historik


Klappentext

Provence, im 13. Jahrhundert: Die heile Welt des jungen Bernardou, Sohn des Falkners auf der Burg von Les Baux, zerbricht mit dem Tod seiner arabischen Mutter. Eine von einem Hassprediger gegen die Katharer aufgestachelte Meute hetzt sie als «Ungläubige» in den Tod. Daraufhin wird Bernardou auch noch eröffnet, dass der Falkner ihn nur adoptiert hat. Das einzige Vermächtnis seines leiblichen Vaters: ein Amulett mit geheimnisvoller Gravur. Bernardou schwört sich, die Mutter zu rächen und alles über seine wahre Herkunft herauszufinden. Nach seiner Ausbildung zum Ritter und Troubadour führt ihn seine Suche an den Hof Friedrichs II. nach Sizilien. Dort kommt er dem Rätsel seiner Herkunft einen Schritt näher. Doch dann wird ihm die Liebe zu zwei sehr unterschiedlichen Frauen aus seiner Vergangenheit zum Verhängnis.


Rezension

Frederik Berger wurde in Bad Hersfeld geboren, studierte Germanistik, Politologie, Soziologie, Philosophie sowie Pädagogik. Seit 1985 schrieb er unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit sowie Die Woche und verfasste mehrere erfolgreiche Sachbücher. Mit der „Ring des Falken“ präsentiert er nun einen weiteren, gut recherchierten mit historischem Hintergrund.

>> Wir setzten uns gemeinsam auf das Gerüst an der beschatteten Nordseite des Turms. Ab und zu schrie ein Esel und bellte müde ein Hund, die Schwalben und Mauersegler jubelten im Himmel, sonst herrschte weitgehend Ruhe. Serena beklagte sich, dass ihre Mutter sie kaum noch unbeaufsichtigt lasse und begonnen habe, ihr Sticken beizubringen. Dann musste ich von Peregrina, vom Kampf mit dem Geier und ihrer Flucht berichten. <<

Gegen Ende 12. Jahrhundert: Bernardou, der Sohn eines Falkners, ist nicht ganz das, was sein Vater sich wünscht, doch er gibt sich Mühe. Seine Zeit verbringt er mit dem Beobachten von Vögeln, der Falknerei und natürlich auch mit Serena, der Tochter seines Herrn. Doch ihre freundschaftliche, mit den Jahren auch von unschuldiger Leidenschaft behaftete Kindheit ist nicht nur ungerne gesehen, sondern auch schlussendlich einer der Gründe für Bernardou aus seinem alten Leben zu fliehen. Als Troubadoure, auch Ritter, verschlägt es ihn von der Provence bis nach Palermo und dann, im Gefolge des Stauferkönigs Friedrich II., über Rom in die süddeutschen Lande. Wegpunkte, die letztendlich nicht nur seine rätselhafte Herkunft entschlüsseln, sondern auch mit ihm verknüpfte Schicksale prägen sollen …

Historische Romane sind zumeist ein zweischneidiges Schwert – zwischen Anspruch, Wissen und Unterhaltungswert. Verschiedene Lesergruppen machen unterschiedliche Ausprägungen möglich und Frederik Berger ordnet sich, wie man beim Lesen schnell feststellen wird, in anspruchsvollere Sparten ein. „Der Ring des Falken“ zeigt sich demnach facettenreich, lässt den Leser in gehobener Sprache miterleben und begeistert mit gesellschaftskritischen Andeutungen jener im Focus stehender Zeit. An der Seite von Bernardou erlebt der Leser die Willkür der Machthabenden, die Unterschiede einzelner Gesellschaftsklassen, die vergebliche Liebe zu Frauen im höheren Stand und auch einzelne Andeutungen zur Homosexualität manch Antagonisten. Weit ist hierbei der Weg zum Ruhm, der nicht nur steinig ist, sondern auch voller Elend und unvorhersehbaren Geschehnissen. Erzählt wird aus der Sicht des Protagonisten, demnach verwendet Frederik Berger etwas untypisch die Ich-Perspektive. Nie zu emotional, fast auch zu wenig in solchen Dingen, erlebt man so alles hautnah, dennoch aber befremdlich fern, wenn es um personelle Details geht. Für niedergeschriebene Tiefe ist der Umfang zu kurz, die Fülle an Information zu mächtig, was dem geneigten Leser ein ständiges, dennoch gut mögliches zwischen-den-Zeilen-Lesen abverlangt.

Herausragend sind und bleiben die gut recherchierten Andeutungen, die historischen Beschreibungen und das überaus passende Geflecht interessanter Geschichtszahlen. Menschlichkeit steht neben diesen Dingen im Vordergrund. Ebenso Toleranz und Verständnis für Andersartigkeit in dieser doch noch recht verborten Gesellschaftsform. Auch (reine) Liebe von Mann zu Mann wird Thema. Unaufdringlich. Ebenso steht die Frage, ob man zwei unterschiedliche Frauen gleich lieben und begehren kann immer wieder im Mittelpunk. Sie und auch die Homosexualität beschäftigt mit am stärksten, macht es hin und wieder schwer nachzuvollziehen, wird aber dennoch – mit wachsender Seitenanzahl – immer natürlicher an den Leser gebracht. Gerade letzteres gab mitunter auch Anlass dafür, Menschen aus dem Leben zu reißen und auch für solche grauenhaften Taten lässt Frederik Berger durchaus Platz. Die emotionale Stärke dieser Dinge, tröstet über manch zähe Stellen ebenso hinweg, wie über den Wunsch, Bernardous emotionale Sichtweisen stärker zu erleben. Auch die Lyrik gefällt. Der Autor  verleiht dem Troubadoure-Dasein einen würdigen Rahmen, erklärt auch hier Schwerpunkte und grundsätzliche Ansichten, sowie die Leidenschaft zum Wort. Zur Stimme. Zum lyrischen sowie reimenden Gesang. Letztendlich darf sich der Leser über eine von Leid geprüfte Lebens- sowie Abenteuergeschichte, eine groß angelegte Reise, Eindrücke aus der unteren sowie oberen Gesellschaftsschicht sowie ein authentisches Portrait des junge Stauferkönig Friedrich II freuen.


Fazit

„Der Ring des Falken“ erzählt die Lebens- sowie Abenteuer Geschichte eines Mannes, der früh die Grenzen seines Standes erkennen muss und von da an versucht, sich in einer Welt voller Regeln und Armut zu Recht zu finden. Frederik Berger lässt sich Zeit in seiner Erzählung, verpackt viel Inhalt auf (leider zu) wenig Raum und versteht es meisterlich historische Schwerpunkte, Kultur und emotional behaftete Schicksale zu vermengen. Eine klare Leseempfehlung für Leser anspruchsvoller Geschichten, die viel erfahren sowie durchaus auch lernen wollen und dafür eben auch an manchen Stellen auf groß angelegten Unterhaltungswert verzichten.


Pro und Kontra

+ authentische Darstellung von Kultur und Geschichte
+ facettenreiche Ansichten auf Gesellschaft und Menschen
+ gute, abenteuerlich historische Geschichte
+ menschliche Schilderung verschiedener Sichtweisen
+ wirklich großartig recherchiert
+ tolle, historische Portraits

o Ich-Perspektive
o geradlinige Handlungen

- zu viel Inhalt zu gedrängt
- etwas konstruiert wirkendes Ende
- sehr erzählerisch (oftmals kein direktes erleben lassen)

Wertung:

Handlung: 4 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 3,5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5


Interview mit Frederik Berger (25.11.2011)