Kai Meyer (08.11.2011)

Interview mit Kai Meyer

Literatopia: Hallo Kai! Im Oktober ist „Die Alchimistin“ bei Heyne in edlem Schwarz neuerschienen, wobei es laut Deiner Homepage mehrere tausend Änderungen gab. Welche waren die wichtigsten davon? Und welche Art von Bonusmaterial erwartet interessierte Leser?

Kai Meyer: Die Änderungen waren sprachlicher und stilistischer Natur. Inhaltlich ist alles beim Alten geblieben. Als Autor fallen einem ja später immer Dinge auf, die man in älteren Büchern anders machen würde. Und ich hatte eben die Gelegenheit, noch einmal exzessiv einzugreifen.
Das Bonusmaterial ähnelt dem, was man auf einer BlueRay oder DVD bekommen würde: Es gibt ein ausführliches Making-Of des Romans, dazu diverse Artikel zu Einzelthemen der Geschichte.

Literatopia: Kürzlich ist außerdem der Comic zu „Frostfeuer“ bei Splitter erschienen, der von Marie Sann illustriert wurde. Wie würdest Du ihre Zeichnungen beschreiben? Und bist Du zufrieden mit der textlichen Umsetzung?

Kai Meyer: Ja, sehr zufrieden. Ich ändere auch gern Textpassagen, die mir nicht gefallen. Yann Krehl kennt das schon, wir arbeiten ja schon seit Jahren an Comic-Adaptionen meiner Bücher zusammen. Erst an DIE WELLENLÄUFER, dann an DAS WOLKENVOLK und nun eben an FROSTFEUER. Aber das sind stilistische Kleinigkeiten, Yanns Umbruch des Romans in Einzelbilder ist fantastisch.
Maries Zeichnungen passen wunderbar zum Stil der Geschichte, finde ich. Sie sind ein wenig naiv im positiven Sinne, wären auch für ein Kinderbuch sehr passend. Genau richtig für FROSTFEUER.

Literatopia: Auch „Das Wolkenvolk“ hat eine Comic-Adaption erfahren. Entspricht der Stil von Ralf Schlüter Deinen Vorstellungen vom Wolkenvolk oder warst Du überrascht von seiner Interpretation? Und gibt es eine Zeichnung in den Comics, die Dir besonders gut gefällt?

Kai Meyer: Dutzende. Ich mag vor allem Ralfs Landschaften und sein Gefühl für Größe, für monumentale Kulissen.

Literatopia: Neben Marie Sann und Ralf Schlüter konnte man auch Dich auf der Buchmesse in Frankfurt erleben. Wie waren Deine Eindrücke vom größten Buchevent des Jahres? Und hast Du manch interessantes Buch für Dich entdeckt?

Kai Meyer: Kein einziges, weil ich auf der Messe so gut wie gar keine Bücher wahrnehme. Für mich persönlich gibt es dort einfach zu viele davon. Ich komme ja schon seit zehn Jahren regelmäßig dorthin, nach Frankfurt und nach Leipzig, aber ich habe die Messen noch nie dazu genutzt, mir andere Verlagsprogramme anzusehen. Meist habe ich einfach genug damit zu tun, meine eigenen Bücher zu promoten.

Literatopia: Aktuell sind Jugend-Dystopien im Trend – wenn ein Verlag noch keine im Programm hat, bringt sie garantiert im nächsten Frühjahr. Was hältst Du von dystopischen Jugend-Romanen? Und gibt es einen Roman, den Du weiterempfehlen möchtest?

Kai Meyer: Ehrlich? Dystopien haben mich schon als Kind zu Tode gelangweilt und tun es heute noch. Ich bin einfach nicht der richtige Leser dafür.

Literatopia: Die Liebesgeschichte darf natürlich auch bei den Dystopien selten fehlen – überhaupt ist sie aus der Phantastik kaum mehr wegzudenken. Du sollst Dich ein wenig schwer getan haben mit der Liebesgeschichte in der Arkadien-Trilogie. Wo liegen Deiner Meinung nach die großen Herausforderungen bei einer wirklich authentischen Lovestory? Und wie stark darf sie sich in den Vordergrund drängen?

Kai Meyer: Ich habe mich nicht schwer damit getan, ich habe nur intensiver daran gearbeitet als in vielen anderen Büchern. In den Vordergrund drängen darf sich gar nichts, egal ob Liebesgeschichte, Action, Gewalt, was auch immer. Wenn Elemente nicht harmonisch zusammenpassen, hat der Autor etwas falsch gemacht.

Literatopia: Du bist Co-Schöpfer des Fantasy-Rollenspiels „Engel“, aus dessen Universum Werke bei Feder & Schwert erscheinen. Worum geht es darin? Und inwiefern bist Du heute noch involviert?

Kai Meyer: Gar nicht mehr. Ich habe am Weltentwurf des Hintergrunds gearbeitet, aber nie eine Runde gespielt ... Was mir fast ein wenig leid tut.

Literatopia: „Die Winterprinzessin“ ist im Zaubermond-Verlag als Hörspiel erschienen. Wie gefällt Dir die Umsetzung? Und wieso hast Du gerade Karlsruhe als Schauplatz ausgewählt? Warst Du schon einmal dort?

Kai Meyer: Der Schauplatz wurde vom Thema diktiert – es geht ja um die Geschichte von Kaspar Hauser, und die hat offenbar dort ihren Anfang genommen. Ich war schon in Karlsruhe, aber nicht als Recherche für den Roman.
Das Hörspiel mag ich sehr, genau wie auch DIE GEISTERSEHER, ebenfalls eine Adaption von Marco Göllner.

Literatopia: In einem Interview meintest Du einmal, Du seist extrem lernbegierig. Welche Quellen stellen Deinen Wissensdurst? Und gibt es eigentlich irgendetwas, für das Du Dich überhaupt nicht interessierst?

Kai Meyer: Ich interessiere mich für vieles oberflächlich, ich habe „Die Zeit“ und den „Spiegel“ im Abo – allerdings merke ich dann oft, dass meine Aufmerksamkeit nicht immer bis zum Ende der Artikel ausreicht. Ich muss mich dann gelegentlich zwingen, bis zum Schluss dranzubleiben.
Ansonsten nutze ich die üblichen Medien: eine Tageszeitung, Zeitschriften, Internet und Fernsehen.

Literatopia: Eine Frage müssen wir den Autoren bei jedem ersten Interview stellen (Du mögest uns die Wiederholung verzeihen!): Wie bist Du eigentlich zum Schreiben gekommen? Hattest Du ein Schlüsselerlebnis oder hat sich das eben einfach so ergeben?

Kai Meyer: Ich habe mit elf „Der Herr der Ringe“ gelesen und beschlossen, dass ich eigene Geschichten erzählen möchte.

Literatopia: Hand aufs Herz – hast auch Du die obligatorischen, nicht wirklich tollen Schreibanfänge in Deinen Schubladen versteckt? Und meinst Du, man sollte seine ersten Gehversuche auf jeden Fall aufbewahren – oder einfach wegwerfen / löschen?

Kai Meyer: Ich habe noch alles, was ich jemals geschrieben habe. Das macht es aber nicht besser ...

Literatopia: Nach „Arkadien erwacht“ sollst Du keine einzige Zeile geschrieben haben. Ist Dir das irgendwann dann schwer gefallen? Oder hast Du Dich doch an den ein oder anderen kürzeren Text gewagt?

Kai Meyer: Du meinst, zwischen ARKADIEN ERWACHT und ARKADIEN FÄLLT ... Da habe ich etwa vier Monate Pause gemacht. In der Zwischenzeit habe ich Hörspielmanuskripte bearbeitet, Druckfahnen korrigiert und erstaunlich viel Arbeit gehabt, mit der ich so nicht gerechnet hatte.

Literatopia: Trilogien und Reihen sind auf der Phantastik nicht mehr wegzudenken. Auch Du schreibst gerne mehr als weniger – worin siehst Du die Vorteile von mehrbändigen Geschichten? Und findest Du, dass Fantasywelten geradezu danach schreien, ausführlich erkundet zu werden? Oder tut es auch ein toller Einzelroman?

Kai Meyer: Ich schreibe als nächstes einen Einzelroman und habe das ja schon immer und häufig getan. Aber grundsätzlich mag ich die Einteilung einer Geschichte in drei oder vier Akte, das gibt dem Ganzen eine gute dramaturgische Struktur. Man muss nur darauf achten, dass man eben auch drei Höhepunkte braucht, drei komplette Spannungsbögen. Ich glaube, manche Autoren vergessen das – und erzählen einfach gradlinig von Buch zu Buch weiter.

Literatopia: Auch Du bist bei Facebook vertreten und auch Deine Homepage bemüht sich um Aktualität. Wie wichtig ist in Deinen Augen das Internet für einen (deutschen) Autor? Und wie ist das Online-Feedback von Deinen Fans?

Kai Meyer: Ich kann mich noch an Zeiten erinnern – in den Neunzigerjahren – als zwei Leserbriefe pro Jahr mit der Post kamen. Heute bekomme ich an manchen Tagen zwanzig Mails und Facebook-Nachrichten. Das macht schon einen Unterschied. Im Großen und Ganzen genieße ich den Kontakt zu den Lesern, würde mir nur manchmal wünschen, dass der eine oder andere einfach mal eine halbe Seite nach unten scrollt, statt sofort eine Frage zu schicken, die ich schon einen Tag vorher öffentlich beantwortet habe.

Literatopia: In der Presse wirst Du als „Zauberweltenerfinder“, „Meister des Magischen Realismus“ und „Herr der Einfälle“ betitelt – musst Du bei solchen Bezeichnungen manchmal schmunzeln?

Kai Meyer: Das nimmt man so hin. Werbetechnisch ist es eine gute Sache, aber meine Frau sagt nicht zu mir: „Hey, Herr der Einfälle, kannst du noch mal schnell zum Supermarkt fahren?“

Literatopia: Du bist ein großer Fan von „Captain Future“ – was gefällt Dir denn so gut an dem Anime? Und gibt es andere Serien oder Romanreihen, bei denen Dein Fanherz lauter schlägt?

Kai Meyer: Das ist reine Nostalgie. Ich hab kürzlich noch mal versucht, ein paar Folgen anzuschauen. Allzu lange ging das nicht gut. Aber ich mag Space Opera im Film und – mit Einschränkungen – Fernsehen. Captain Future hat einen wunderbaren Retro-Charme, auch heute noch. Die Serie basiert ja auf Kurzgeschichten und Romanen von Edmond Hamilton, wobei ich die Bücher seiner Ehefrau Leigh Brackett sehr viel lieber mag – das ist auch heute noch, viele Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung, ganz, ganz großartige phantastische Literatur. Meine STURMKÖNIGE-Trilogie ist stark von Bracketts Mars-Geschichten aus den Vierzigern beeinflusst.

Literatopia: Abschließend wollen wir natürlich wissen, was uns in der Zukunft und insbesondere im nächsten Jahr von Dir erwartet. Kannst Du uns schon Konkretes verraten? Und wird es weitere Comicadaptionen zu Deinen Werken geben?

Kai Meyer: Im März erscheint DIE ALCHIMISTIN III bei Heyne. Und Carlsen wird, irgendwann Ende 2012, einen neuen Roman im Stil der ARKADIEN-Bücher herausbringen. Daran arbeite ich gerade.
Comic-Adaptionen wird es weiterhin geben. Auch ein weiteres Hörspiel ist schon in Arbeit, wieder unter der Regie von Marco Göllner, wobei ich den Titel noch nicht verraten darf. Und was die Comics angeht – hier sind ARKADIEN, DIE STURMKÖNIGE oder die MERLE-Trilogie im Gespräch. Allerdings noch sehr vage, wir suchen derzeit gute, verlässliche Zeichner mit der Ausdauer, mehrere Jahre an einem solchen Projekt zu arbeiten.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview, Kai!


Autorenfoto: Copyright by Martin Steffen

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Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.