Der Purpurhimmel (Laila El Omari)



Knaur-Verlag
Taschenbuch
718 Seiten; 8,99 EUR
ISBN: 3-426-50674-2 

Genre: Historik

Klappentext

Hass, Liebe und Verrat in einer fremden und exotischen Welt!

1778: Das Leben der Offizierstochter Olivia Kilbourne ändert sich schlagartig, als ihr Vater nach Gibraltar versetzt wird: Ihre Eltern entzweien sich, ihre Geschwister scheinen etwas vor ihr zu verbergen, und der Offizier Sir John Retallick drängt sie in eine Ehe. Trotz der Unnahbarkeit, die ihn umgibt, verliebt sich Olivia in ihn. Als es zur Belagerung von Gibraltar kommt, spitzt sich ihr Schicksal jedoch dramatisch zu. Ein düsteres Geheimnis verbindet John und ihre Familie, und Olivia wird hineingezogen in ein Spiel um Vergeltung, Intrigen und Verrat …


Rezension

Klappentexte sind manchmal mehr als ungünstig verfasst. Wer sich nur auf die plakative erste Zeile verlässt, die in großen Lettern die Buchrückseite des „Purpurhimmels“ schmückt – „Hass, Liebe und Verrat in einer fremden und exotischen Welt!“ – zieht möglicherweise gleich die Hand zurück, erschreckt von so viel reißerischem Schwulst. Das wäre schade, denn der „Purpurhimmel“ ist ein Buch, das eigentlich einen sehr viel schöneren Aufmacher verdient hätte.

Die junge Olivia, deren Leben wir ein Stück weit begleiten, ist ein recht sonderbares, eigenwilliges Geschöpf. Nach außen hin ruhig und angepasst, schreibt sie heimlich Geschichten über starke, unabhängige Frauen, deren Leben ihr wie ein purpurner Abendhimmel farbenprächtig zu leuchten scheint, während ihr eigenes träge dahin fließt. Eigentlich ist ihre ganze Familie sonderbar, jedenfalls im Kontext des ausgehenden 18. Jahrhunderts betrachtet. Der eher sanfte Vater steht unter dem Pantoffel; die Mutter vertreibt sich die Zeit mit diskreten Liebschaften; die Schwester leidet an Schwindsucht und ist doch immer noch voller Lebenssehnsucht und Freiheitsdrang; der Bruder mischt in finsteren Geschäften mit … Und dann taucht auch noch John Retallick auf, der Sonderbarste von allen, verschlossen, so grausam wie charmant, voller dunkler Geheimnisse aus der Vergangenheit.

Die verschlungenen Pfade dieser eigensinnigen Figuren durch das Buch hindurch zu verfolgen, ist ein großes Lesevergnügen. Alle sind sie liebevoll, detailreich gezeichnet, nicht nur die Hauptpersonen, sondern auch so hinreißende Nebenfiguren wie die übergewichtige Freundin Olivias, die sich von ihrer Gluckenmutter in ein rosa Rüschenkleid zwängen lassen muss. Eine herrliche Abwechslung zu den Frauengestalten, die sonst mit Vorliebe die historischen Romane bevölkern! Und wo bekam man bisher zu lesen, dass das Einschnüren in ein Mieder des 18. Jahrhunderts manchmal einen ganzen Tag lang dauern konnte? Über solche kleinen Details entsteht eine Ahnung davon, wie es tatsächlich gewesen sein könnte, dieses Leben mit Sonnenschirmen und Handschuhen und zischelndem Getuschel hinter den Fächern bei jedem falschen Schritt in der Öffentlichkeit.

Die spannende Hintergrund-Handlung zieht den Leser dabei stetig weiter durch all die farbenfrohen, lebendigen kleinen Szenen – das Rätsel um die Familiengeheimnisse, die Vater Kilbourne dazu brachten, sich nach Gibraltar versetzen zu lassen, das sprichwörtliche „jwd“ der Briten in dieser Zeit. Rückblende um Rückblende wird mehr enthüllt, an Täuschung, Verrat, aber auch an verborgener Liebe und ihren Folgen. Und die einzelnen Mitglieder der Kilbourne-Familie erscheinen in einem immer seltsam schillernderen Licht …

Der Schauplatz und das historische Geschehen, die Auseinandersetzung zwischen Briten und Spaniern um Gibraltar, geraten dabei ins Hintertreffen. Schön und eindringlich beschrieben sind die erbärmlichen Verhältnisse, unter denen die einfachen Soldaten in der Garnison leben müssen; das Schlachtengetümmel, das sich gelegentlich drumherum entspannt, interessiert eigentlich weniger. Die Geschichte um die Kilbournes ist so spannend, dass man solche Schilderungen leicht ungeduldig überblättert.

Davon abgesehen aber ist „Der Purpurhimmel“ ein wunderbarer Schmöker, der immer wieder mit Überraschungen aufwartet, nicht in Klischees ertrinkt und, bei aller Spannung, auch zarte, nachdenkliche Töne kennt.


Fazit

„Der Purpurhimmel“ ist genau das richtige Buch für lange, faule, verträumte Lesetage. Einen Liegestuhl auf den Balkon gestellt – den altmodischen Strohhut aufgesetzt und einen Fruchtcocktail in Reichweite platziert – schon werden sie sich dazu gesellen, all die eigenwilligen, interessanten, lebensbunten Gestalten, die Laila El-Omari aus der Vergangenheit herbei zaubert. Am besten gleich eine Decke mitnehmen – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man am Abend auch noch lesend da sitzen wird.


Pro und Kontra

+ souverän erzählt
+ sehr spannend geschrieben
+ interessante, wechselhafte, eigenwillige Figuren
+ immer wieder sehr humorvoll
+ wenig Klischees
+ wunderbar lebendige Darstellung der Vergangenheit
+ sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
+ schöne Ausstattung mit Karten und einer Zeitleiste

- das historische Zeitgeschehen ist nicht immer ganz geschickt mit der Geschichte verwoben
- die Verliebtheit Olivias in John Retallick ist zu vorhersehbar

Wertung:

Handlung: 4/5
Historische Bezüge: 4/5
Charaktere: 4/5
Sprache: 3/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5