Gute Geister (Kathryn Stockett)

Verlag btb, März 2011
Originaltitel: The Help, übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Hardcover, 605 Seiten, € 21,99
ISBN 978-3442752409

Genre: Belletristik


Klappentext

Jackson, Mississippi, 1962: Die junge Skeeter ist frustriert. Nach dem Studium verbringt sie die Tage auf der elterlichen Baumwollfarm, als einzige ihrer Freundinnen ohne einen Ring am Finger. Sehr zum Missfallen der Mutter. Doch der Mann, mit dem ihre Freundinnen sie verkuppeln wollen, ist ein Snob. Und dann ist auch noch ihr schwarzes Kindermädchen, bei dem sie stets Trost fand, spurlos verschwunden. Skeeter wünscht sich nur eins: Sie will weg aus dem engen Jackson und als Journalistin in New York leben. Und um diesem Ziel näher zu kommen, verbündet sie sich mit zwei schwarzen Dienstmädchen, die wie sie unzufrieden sind: Aibileen zieht die Kinder ihrer Arbeitgeber auf und bringt ihnen bei, sich selbst zu lieben – das Tafelsilber darf sie aber nicht anfassen. Und Minny ist auf der Suche nach einer neuen Stelle. Sie ist bekannt für ihre Kochkünste, aber sie ist auch gefürchtet: Denn Minny trägt das Herz auf der Zunge. Drei außergewöhnliche Frauen mit all ihren Stärken und Schwächen. Drei Frauen, die – allen Gefahr zum Trotz – den Mut haben, gegen die Konventionen ihrer Zeit zu verstoßen und gemeinsam etwas zu wagen.


Die Autorin

Kathryn Stockett ist in Jackson, Mississippi, aufgewachsen, wo ihr Roman spielt. Nach einem Studium der Englischen Literatur zog sie nach New York. Dort arbeitete sie neun Jahre lang bei Zeitschriftenverlagen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Atlanta. Gute Geister ist ihr erster Roman, der gleich zu einem phänomenalen Erfolg wurde. Seit 93 Wochen steht er auf der New York Times Bestsellerliste, er wird in 40 Sprachen übersetzt. Eine Verfilmung ist gerade fertig gestellt.


Rezension

Manche Bücher erzählen einfach eine gute Geschichte, manche Bücher bieten einfach kurzweilige Unterhaltung und bei manchen Büchern weiß man bereits nach den ersten Seiten, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Sie erzählen eine Geschichte so tief wie der Ozean, wo man den Grund nur noch erahnen kann. Sie sind von Bedeutung und fassen ein eigentlich simples Thema auf, was dann allerdings sich immer mehr und mehr in den eigenen Geist schleicht und auf Sachen aufmerksam macht, über die man im Leben vielleicht noch nie nachgedacht hat. Sachen, die zwar schon vergangen, aber von Grund auf falsch sind, obwohl es zu dieser Zeit noch niemand so gesehen hat. Menschenverachtend, ungerecht und mit gefährlichem Halbwissen versehen diskriminieren sie Menschen – bis heute. Genauso ein Buch ist Gute Geister, wo ein eigentlich banales und langweilig wirkendes Thema – das Leben eines schwarzen Dienstmädchens in den frühen sechziger Jahren im sklavengeprägten Süden der USA – sich zu Pandoras Kiste entwickelt und das Buch regelrecht an die Hände des Lesenden fesselt. Wir wissen das alles – aber haben wir je wirklich darüber nachgedacht? Kathryn Stockett pflanzt uns Gedanken in den Kopf, eindringlich in einem fesselnden Stil geschrieben, die lediglich das Leben wiedergeben – das Leben Anfang der sechziger Jahre, wo sich zwar mittlerweile viel geändert hat, man sich aber unwillkürlich fragt, ob es wirklich so viel ist, wie es sein sollte.

Wir haben 1963. Das Weltraumzeitalter sagen die Leute. Ein Mensch hat in einem Raumschiff die Erde umkreist, es gibt seit neuestem eine Pille, damit verheiratete Frauen nicht schwanger werden müssen. Bierdosen öffnet man jetzt mit einem Finger statt mit einem Dosenöffner. Aber im Haus meiner Eltern ist es immer noch genauso heiß wie 1899, als Urgroßvater es erbaut hat. (Seite 323)

Genau dies muss man sich beim Lesen immer wieder vor Augen führen, denn bei der Lektüre hat man das Gefühl, noch im Sklavenzeitalter zu sein. In Jackson, Mississippi, ist die Zeit stehen geblieben. Rassentrennung ist an der Tagesordnung, den weißen Hausangestellten wird ein Örtchen im Garten oder Garage gebaut. Denn sie haben Krankheiten und Keime in sich, von denen weiße Menschen krank werden, da sie keine Abwehrstoffe gegen diese Krankheiten haben, sie hatten sie ja noch nie. Die schwarzen Dienstmädchen dürfen zwar die weißen Kinder großziehen, mit ihnen an einem Tisch zu sitzen ist ihnen aber nicht gestattet. Sie dürfen auch nicht die gleichen Sachen essen oder anfassen, ihren Mittagslunch dürfen sie auch auf gar keinen Fall in den Kühlschrank legen, aus dem das Essen für die Weißen kommt. Wie gesagt, wir schreiben das Jahr 1963. Halten sie sich nicht daran, sind die Folgen desaströs und können ganze Familien zerstören.

Sie weiß nichts von dem feinen, scharfen Werkzeug, das weiße Ladys benutzen. Nichts von dem Klopfen spät in der Nacht. Nichts von den weißen Männern da draußen, die nur danach gieren, dass jemand sagt, wer Farbiges hätt sich mit Weißen angelegt. Die schon bereitstehen mit ihren Knüppeln und Streichhölzern. Da reicht die kleinste Kleinigkeit... (Seite 261)

Skeeter zieht nach ihrem Studium wieder zu ihren Eltern auf die Baumwollplantage, da sie noch keinen richtigen Plan für ihr weiteres Leben hat. Sie würde ja gerne etwas schreiben, etwas Bedeutendes, ein Buch vielleicht. Dazu sollte sie aber auch erst einmal ein Thema finden, über dass es sich lohnt zu schreiben. In der Zwischenzeit gibt sie den Newsletter für die League heraus, die Liga der gehobenen Töchter. Zusammen mit ihren beiden besten Freundinnen, Hilly Holbrook und Elizabeth Leefolt trifft sie sich immer mittwochs zum Bridgespielen. Hilly ist die tonangebende Frau in Jackson, sie bestimmt, wer angesehen ist und wer nicht. Hat man ihren Zorn auf sich gezogen, ist man gesellschaftlich so gut wie erledigt – oder arbeitslos und ohne Zeugnis und guten Ruf auf der Straße. Sich mit Miss Hilly anzulegen ist viel gefährlicher als vor einen fahrenden Bus zu springen – da ist wenigstens nur das eigene Leben in Gefahr. Skeeter ist zu intelligent für diese Gesellschaft, sie will die bestehenden Beschränkungen ändern, ist sich der Gefahren allerdings sehr wohl bewusst. Leider findet sie nirgendwo Rückhalt, sie ist zu groß, um attraktiv zu sein. Männer stehen nicht grade Schlange, um ihr einen Ring anzustecken – sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, die sie gerne versorgt gewusst hätte. Erst ein Gespräch mit Elaine Stein, einer Verlegerin in New York bringt sie auf die richtige Spur – ein Buch mit Interviews von Dienstmädchen über ihr Leben in Jackson und ihre Arbeit in den herrschaftlichen Häusern. Ein Spiel um Leben und Tod beginnt, denn die Weißen werden mit Sicherheit nicht begeistert sein, über ihr Leben hinter geschlossenen Türen zu lesen.

Der Bus gibt auf der State Street Gas. Wir fahren über die Woodrow-Wilson Brücke, und ich press die Zähne so fest zusammen, dass ich Gefahr lauf’, mir welche abzubrechen. Ich fühl, wie der bittre Sämling wächst, den ich in mir drin hab’, seit Treelore gestorben ist. Ich will schreien, so laut, dass es die Kleine hört, dass Dreck keine Hautfarbe ist und Krankheit nicht der Negerteil von der Stadt. Ich will nicht, dass der Moment kommt, der bei jedem weißen Kind kommt – wenn sie anfangen zu denken, dass Farbige weniger wert sind wie Weiße. (Seite 134)

Abwechselnd aus der Sicht von Skeeter, Minny und Aibileen bekommt man exklusive Eindrücke in die Welt von Arm und Reich, von Weiß und Schwarz. Abstammung ist alles, sie ist der Eintritt zu Ansehen und Macht, sie entscheidet über Bildung oder Arbeit. Man fühlt sich ins vorherige Jahrhundert versetzt, obwohl es gerade mal 60 Jahre her ist, dass Martin Luther King die Massen aufrüttelte. Denn es ist gefährlich, farbig zu sein – die Weißen haben einfach immer Recht. Allerdings werden auch die Weißen, die Rassengrenzen übertreten, abgestraft und verurteilt. Sie verlieren ihr Ansehen und ihren Ruf, Freunde wenden sich ab und geschäftlich kann es ganz schnell das Aus bedeuten. Umso wertvoller werden dadurch die Beiträge der Dienstmädchen, die sich erst nach langem Ringen und eines einschneidenden Erlebnisses zur Mitarbeit bereit erklären. Mit ganz einfachen Wendungen und unmerklich geänderten Stils erkennt man sofort die Unterschiede zwischen Skeeter und den beiden Dienstmädchen, wenn auch die Wendung wie wenn doch arg das Lesevergnügen strapaziert.

Kathryn Stockett erreicht eine beispiellose Eindringlichkeit, die ohne den moralischen Zeigefinger auskommt, indem sie einfach in klaren Sätzen eine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, in der kleinste Ereignisse riesengroße Wellen nach sich ziehen, eine Geschichte, die ausdrückliche Einsichten in eine Welt gibt, über die man schon lange nicht mehr nachgedacht hat. Eine Geschichte, die wieder einmal zeigt, wozu Menschen in der Lage sind, wenn sie sich im Recht fühlen. Eine Geschichte, die aufzeigt, wie wenig Wege es aus der Unterdrückung gibt, wie schwer es doch ist, jahrzehntelange Vorurteile zu überwinden und abzubauen. Und zum Schluß fragt man sich, ob die Rassenschranken eigentlich selbst heute überwunden sind.

Sie haben Carl Roberts getötet, weil er den Mund aufgemacht hat. Fürs Reden. Ich muss daran denken, wie leicht ich es mir vor drei Monaten vorgestellt habe, ein Dutzend Dienstmädchen dazu zu bringen, mit mir zu reden. Als hätten sie die ganze Zeit nur darauf gewartet, einer Weißen ihre Geschichten zu erzählen. Wie dumm ich doch war. (Seite 325)

Es gibt aber nicht nur ernste Seiten in dem Buch, der Humor kommt beileibe nicht zu kurz. Man kann Schmunzeln und Leiden, sich mit den Protagonisten freuen und weinen, konstant allerdings wird die Wut immer größer. Die Wut über Intoleranz und Standesdünkel, über Hilflosigkeit und Ungerechtigkeit. Im Mittelteil gibt es zwar einige Längen, trotzdem möchte man keine einzige Seite missen. Der Sog in das Buch hinein ist genial, seine Aussage regt zum Nachdenken an. Ein Thema, über das man noch lange diskutieren kann, ein Buch, was einfach jeder lesen sollte. Dazu lädt das geschmackvolle Cover ein, was alleine schon dazu verleitet, das Buch in die Hand zu nehmen.

War das nicht der Sinn des Buches? Dass Frauen erkennen: Wir sind einfach nur zwei Menschen. Uns trennt gar nicht so viel. Nicht annähernd so viel, wie ich dachte. (Seite 604)


Fazit

Gute Geister ist eines der Bücher, was in einem leicht zu lesenden Stil ernste, tiefgründige Themen behandelt, eines der Bücher, die man weiterempfehlen muss, die gar nicht genug Menschen lesen können. Gute Geister ist nicht nur gut, sondern grandios – ein Buch was packt, fesselt, den Leser zum Weinen und vor allem zum Nachdenken bringt.


Pro und Contra

+ hochinteressantes Thema
+ interessante und wandelbare Charaktere
+ Rassentrennung als Thematik
+ ungewöhnliche Situationen
+ einfühlsam und fesselnd geschrieben
+ die Nebencharaktere haben ihre eigenen Geschichten
+ wechselnde Perspektiven, auch sprachlich getrennt
+ spannende Zeitreise in die Vergangenheit

- im Mittelteil ein paar Längen

Wertung

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5