Gehetzt (Sean Creed)

Bastei Lübbe (Dezember 2011)
413 Seiten; 8,99 Euro
ISBN: 978-3404165919

Genre: Thriller


Klappentext

London. In einem Hotelzimmer des Ritz erwacht der ehemalige CIA-Agent Danny Shanklin – In der Hand ein Sturmgewehr, neben ihm die Leiche eines Mannes, den er noch nie zuvor gesehen hat. Noch völlig benommen stolpert er auf den Balkon und sieht das Unfassbare: Auf dem Platz vor dem Ritz liegen überall Leichen. Eine Limousine brennt, schreiende Menschen laufen ziellos umher. Sämtliche Einsatzkräfte der Londoner Polizei sind auf der Straße. Scharfschützen beziehen Stellung. Inmitten dieses Chaos sieht Danny plötzlich drei Menschen, die ganz ruhig wirken. Eine der Personen hält einen großen Gegenstand in der Hand und Danny begreift: Dieser Gegenstand ist eine Fernsehkamera und die ist genau auf ihn gerichtet …


Rezension

Sean Creed führte in jungen Jahren ein Wettbüro in einer öffentlichen Telefonzelle, bereiste mit Anfang zwanzig Asien, arbeitete als Kellner und begegnete Sylvester Stallone ebenso wie Prinzessin Anne. Eine Weile in der Verlagsbranche tätig, sammelte er nebenbei Erfahrungen als Journalist, bevor er sich dazu entschied, selbst zu schreiben. Heute lebt er zusammen mit seiner Frau und drei Kindern in Brighton und präsentiert mit „Gehetzt“ einen Roman, der an Tempo und Spannung zeitweise kaum zu überbieten ist.

>> Die Frau, mit deren Beinen etwas nicht stimmte ... Sie begann, sich zu bewegen. Langsam schug sie am Boden mit den Armen hin und her wie ein Vogeljunges, das aus dem Nest gefallen war und nun versuchte herauszufinden, wie man fliegt. Sie war es, die geschrien hatte, begriff Danny. Sie war diejenige, die nicht aufhören konnte zu schreien. Als zwei Polizisten die Frau anhoben, sah Danny, dass dort, wo ihre Beine sein sollten, nur noch blutige Masse war. <<

Von Jeffery Deaver gelobt, von Lesern kritisiert – Jean Creeds Thriller „Gehetzt“ spaltet seine Leserschaft und dabei hat doch alles so schön angefangen: zwei unterschiedliche Erzählperspektiven, von Beginn an viel Spannung, ein Protagonist, der als vielversprechend bezeichnet werden kann und ein Hotelzimmer. Danny Shanklin, alleinstehend und gewissenhaft, erhält einen für ihn typischen Job, denn als ehemaliger CIA-Agent setzt er nun sein Können ein, um Menschen mit genügend Kleingeld zu beschützen. Im Hotelzimmer des Ritz erwarten ihn jedoch weder Kunden noch Informationen, stattdessen wird Danny überwältigt und niedergeschlagen. Als er wieder zu sich kommt, hält er ein Sturmgewehr in der Hand. Schreie ertönen vor dem Fenster des Hotels. Im Zimmer liegt eine weitere Leiche, ohne Fingerkuppen und mit zerstochenem Gesicht. Dreißig Opfer sind zu beklagen, wie der Personenschützer Stunden später, auf seiner spektakulären Flucht, erfahren wird. Der Verdächtige hat nur ein Gesicht. Sein eigenes. Soweit, so gut. Die ersten einhundert Seiten, die Hatz und der Leserausch sprechen für sich und bis zu diesem Zeitpunkt sind sich viele Thriller-Fans einig: gut geglückt, spannend und lesenswert. Danach stützt sich die Handlung auf simple, geradlinige Elemente und noch mehr Geschwindigkeit. „Gehetzt“ nutzt hierbei gängige Klischees ebenso wie verfilmungswürdige Kulissen. Von Seite zu Seite wird der Leser getrieben, ohne Gelegenheit, über das Geschehen zu reflektieren. Szene folgt auf Szene und keine sich bietende Möglichkeit wird ausgelassen, um Danny Shanklin sehr gelungen zu charakterisieren. Ob durch ein herrenloses Bügeleisen, das auf seiner Flucht durch eine Wäscherei neutralisiert wird, moralisch eingeflochtene Hintergründe oder einem blutigen Rückblick auf ein einschneidendes Familiendrama: Sean Creed lässt keinerlei Zweifel an den Qualitäten seines Protagonisten. Danny ist der typisch amerikanische Held. Stark, mit festem Willen das Richtige zu tun, durch Dreck zu warten und voller Gnade, wenn es ihm möglich ist. Wenn nicht, wird eben ein Gesicht zertrümmert.

Nicht nur diese Eigenschaften, sondern auch seine Vorgeschichte machen ihn sympathisch: Danny war nicht immer alleinstehend. In den Vierzigern angekommen, blickt er auf ein Leben zurück, das einmal Glück kannte. Doch seine Frau Sally wurde vor seinen Augen ebenso qualvoll von einem Serienkiller ermordet, wie ihr gemeinsamer Sohn. Geblieben ist nur Alexandra, die scheinbar nichts mehr von ihrem Vater wissen will. Sean Creed webt diese, eigentlich schon fast typische, Vergangenheit durch Rückblenden sehr gut ein, schockiert, fesselt und rückt das Familiendrama bis zuletzt durch seinen äußerst packenden Stil ins rechte Licht. Im Fokus bleibt jedoch: Flucht, Flucht, Verrat und noch mehr Flucht. Und genau dieses Detail stößt, neben der vorhandenen Schwarz- und Weißmalerei, sicherlich so manchem Leser sauer auf. Denn trotz bildhafter Beschreibungen, verliert die Wiederholung dieses Elements im letzten Drittel doch an Reiz. Leider weiß das Ende diesen Makel nicht zu überspielen, liefert stattdessen einen Wink auf den nächsten Band und dieser will gelesen werden, denn neugierig gemacht hat der Autor in jedem Fall!


Fazit

Ein rasanter Erzählstil, ganz schön viel Geschwindigkeit und eine Geschichte mit packenden Hintergrund lassen den Leser „Gehetzt“, trotz einiger Makel, geradezu verschlingen. Sean Creeds Thriller ist sicherlich kein Meilenstein, bietet jedoch einen sympathisch geschilderten Protagonisten, viel Action und darüber hinaus eine Flucht, die ihres gleichen sucht und lange nicht finden wird.


Pro und Kontra

+ Action und Lesegeschwindigkeit
+ simple, dennoch funktionierende Handlung
+ glaubhafter Protagonist
+ stimmungsvolle Detailarbeit

- unbefriedigendes Ende
- unnötige Schwarz- und Weißmalerei
- ein bisschen zu langezogen

Wertung:

Handlung: 3 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5