Gebannt - Unter fremdem Himmel (Veronica Rossi)

Oetinger (März 2012)
Originaltitel: Under the Never Sky
Einbandgestaltung von Carolin Liepins
Aus dem Amerikanischen von Franca Fritz / Heinrich Koop
Gebunden mit Schutzumschlag, ab 14 Jahren
EUR 17,95, SFR 25,90, EUA 18,50
ISBN-13: 978-3-7891-4620-6

Genre: Dystopie


Klappentext

Zwei Welten, die sie trennen – Eine Liebe, die sie eint

Als Aria aus ihrem geschützten Lebensraums, einem Raum ohne Schmerz und Leid, in die Wildnis verbannt wird, scheint ihr Tod so gut wie sicher. Wäre da nicht Perry, der so anders ist als alles, was sie kennt. Er rettet ihr das Leben. Ganz allmählich fasst Aria Vertrauen zu ihm, und gemeinsam begeben sie sich auf eine gefährliche Odyssee, die Aria bis an ihre Grenzen bringt. Und die Gefühle in ihr weckt – Gefühle für Perry, die sie unbedingt vor ihm geheim halten muss. Denn kann ihre Liebe eine Zukunft haben in einer Welt, in der sie nicht füreinander bestimmt sind?


Rezension

Arias Leben findet in sogenannten Welten statt, virtuellen Umgebungen, in denen alles möglich ist. Sie braucht sich dazu nur mit Hilfe ihres Smarteyes zu bilokalisieren und kann einen Tag am Strand verbringen, durch ein historisches Künstlerviertel streifen, mittelalterliche Kämpfe ausfechten oder in einem Opernhaus Arien für ihre Mutter Lumina singen. Doch als der Kontakt zu Lumina, die in einer anderen Biosphäre lebt, plötzlich abreißt, steigt Aria aus dem System aus. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen deaktiviert sie ihr Smarteye und bricht in eine der Agrikulturkuppeln ein – in der Hoffnung, Informationen über die Ereignisse in Bliss, der Biosphäre ihrer Mutter, zu finden. Aus dem jugendlichen Spaß wird jedoch eine Katastrophe. Aria wird aus ihrer Biosphäre verbannt und in der Wildnis ausgesetzt – einer lebensfeindlichen Welt, die von Ätherstürmen und Barbaren regiert wird …

„Gebannt – Unter fremdem Himmel“ bietet eine relativ typische Ausgangssituation für Dystopien: Die Siedler leben in Biosphären, vollkommen abgeschottet von der eigentlichen Welt und verbringen ihr Leben hauptsächlich in virtuellen Räumen, die ihnen alles bieten und vom grauen Alltag ablenken. Außerhalb der Biosphären leben die Menschen in zerfallenen Dörfern, kämpfen täglich um Nahrung und gegen die Ätherstürme. Denn der Himmel ist von einem seltsamen, blauen Leuchten geprägt, dass an ruhigen Tagen einer sanften Strömung gleicht und bei Stürmen zu tosenden Äthertrichtern wird, die das Land verbrennen. Aria wird in der Wüste der Wirklichkeit ausgesetzt und überlebt nur mit Hilfe von Perry, einem Barbaren, der sie nur rettet, um seinen Neffen Talon zu finden. Denn dieser wurde von Siedlern entführt. Die Umstände zwingen Aria und Perry zur Zusammenarbeit, doch die Siedlerin scheint zu schwach für die Welt außerhalb ihrer schützenden Kuppel zu sein und bringt Perrys Pläne gewaltig durcheinander. Aus der anfänglichen Ablehnung wird schnell Faszination und auch wenn die Unterschiede unüberbrückbar erscheinen, kommen sich Aria und Perry schließlich näher. „Gebannte – Unter fremdem Himmel“ mutiert relativ bald zur dystopischen Indianergeschichte, in der die zivilisierte Siedlerin sich in den naturverbundenen Wilden verliebt und von ihm das Überleben lernt. Die Liebesgeschichte an sich hat ihre berührenden Momente, wirkt insgesamt jedoch zu platt und klischeebeladen.

Prinzipiell sind Veronica Rossis Ideen gut und interessant, doch in ihrer Umsetzung viel zu schwach. Der Ätherhimmel wird zunächst schön beschrieben und fasziniert den Leser ungemein, doch irgendwann klingt alles gleich. Auch wird nichts über das Phänomen verraten, noch nicht einmal erwähnt, dass die Charaktere es vielleicht einfach (noch) nicht wissen. Man muss am Anfang nicht alles erklären, aber im ersten Band von „Gebannt – Unter fremdem Himmel“ bleiben viele Fragen offen. Auch die Funktionsweise des Smarteyes bleibt ein Mysterium. Eigentlich eine gute Idee, aber man fragt sich schnell, wie man mit Hilfe einer transparenten Augenklappe virtuelle Welten per Gedanken steuern kann. Wie man nur mit einem Smarteyes, das aufgesetzt wird und nicht direkt mit dem Gehirn verbunden zu sein scheint, Gerüche, Berührungen und Geschmäcker wahrnehmen können soll. In den technischen Details ihrer futuristischen Ideen bleibt die Autorin so diffus, dass sich einige Logiklöcher auftun. Fast hat man das Gefühl, Veronica Rossi hätte ihre Geschichte nur in ein dystopisches Science Fiction-Setting gezwungen, weil die Verlage sich bemühen, einen Trend daraus zu machen.

Die Charaktere bleiben ebenso schwammig wie die Geschichte, auch wenn sie eigentlich sehr interessante Eigenschaften aufweisen. Aria kann beispielsweise wunderschön singen, doch dass das junge Mädchen schon eine kräftige und perfekt ausgebildete Opernstimme haben soll, wirkt wiederum unlogisch. Auch Perry, der in seinem jungen Alter Kriegsherr eines Stammes werden will, wirkt oftmals zu erwachsen und dann wieder viel zu jugendlich. Aria und Perry sind zudem typische Jugendbuchprotagonisten, deren Fehler offensichtlich aufgesetzt wirken und die insgesamt einen viel zu überlegenen Eindruck machen. Dabei ist vor allem Perry mit seinem überstarken Geruchs- und Sehsinn spannend. Denn manche Menschen außerhalb der Biosphären verfügen über besondere Begabungen: stark ausgeprägte Sinne, die es ihnen erlauben, Stimmungen per Geruch wahrzunehmen oder weit entfernte Geräusche und Stimmen klar und deutlich zu hören. Perry ist ein sogenannter Witterer. Seine Welt besteht aus Gerüchen, die ihm verraten, wer vor ihm an einem Ort war, wer sich ihm nähert und sogar was andere Menschen (insbesondere Aria) empfinden. Doch auch aus dieser spannenden Konstellation macht die Autorin vergleichsweise wenig.

Der gesamte Roman krankt an den durchweg unsauberen Ausführung. Vor allem am Ende sieht es stark danach aus, als hätte Veronica Rossi ihren Roman schnell beenden müssen und keine Zeit für eine angemessene Überarbeitung gehabt. „Gebannt – Unter fremden Himmel“ wirkt wie schnell heruntergeschrieben. Spannende Ideen wurden zu einer dystopischen Welt vermengt, in der die düstere Grundstimmung durch zu viele glückliche Fügungen zerstört wird. Da gibt es derzeit schlichtweg bessere Dystopien, die aus ihrem Setting viel mehr herausholen und eine durchgängig packende und finstere Atmosphäre kreieren. Veronica Rossi hingegen verschenkt ihr Potential, wobei der Roman keinesfalls schlecht ist. Er ist einfach so sehr Mittelmaß, dass man am Ende gar nicht weiß, was man davon halten soll. Denn handwerklich ist der Roman grundsolide, nur mangelt es an Leidenschaft und Authentizität. Da kann die traumhafte Aufmachung nur wenig retten – immerhin bekommen interessierte Leser ein superschönes Buch geboten, inklusive Reliefdruck auf dem Schutzumschlag und farbig bedrucktem Hardcover (mit abgewandeltem Covermotiv). Es bleibt zu hoffen, dass sich die Autorin in den Folgeromanen steigert.


Fazit

„Gebannt – Unter fremdem Himmel“ trumpft mit spannenden Ideen auf, scheitert jedoch an der meist schwachen Umsetzung. Die Protagonisten sind zwar sympathisch und interessant, doch leider nicht authentisch. Der Niemalshimmel mit dem blauen Äther ist dennoch faszinierend und es bleibt zu hoffen, dass Veronica Rossi in den Folgeromanen das durchaus vorhandene Potential ausschöpft.


Pro & Contra

+ spannende Ideen
+ der mysteriöse Ätherhimmel
+ stark ausgeprägte Sinne bei den „Barbaren“
+ Perry ist sympathisch und interessant
+ traumhafte Aufmachung

o einfache, schmucklose Sprache

- schwache Umsetzung
- diverse Logiklöcher
- klischeebeladen

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Jugenddystopie, Veronica Rossi