Uwe Gehrmann (10.06.2009)

Interview mit Uwe Gehrmann

Literatopia: Hallo Uwe! Schön, Dir ein paar Fragen stellen zu können. Stell Dich doch bitte unseren Lesern erst einmal vor – wer bist Du und was machst Du?

Uwe Gehrmann: Guten Tag, Judith. Schön, Dir ein paar Antworten geben zu können. Nun, im Hauptberuf bin ich Journalist und verbringe meine Zeit auf den Fußballplätzen und Handballhallen der Zweiten Bundesliga. Da haben wir schon die Schnittmenge, das Schreiben, mit dem ich meine Sonntagsbrötchen zahlen kann. Tja, und dann ist da noch das Malen und Zeichnen. Ich bin ein sehr visueller Mensch, Bilder in jeder Form bestimmen mein Denken. Also male ich auch, habe sogar mal Ausstellungen und war eine Zeit sogar ein bisschen erfolgreich. Zurzeit konzentriere ich mich aber viel aufs kreative Schreiben. Leider bleibt mir in den verbleibenden Nachtstunden nach meinem Brotberuf nur Zeit für das eine oder andere. Und das ist eben gerade das Schreiben. Um beides zu schaffen, dafür fehlt dann doch die Kraft. Leider.

Literatopia: „Der Pakt der Mäuse“ ist Dein Erstlingswerk. Man hört oft, dass gerade das erste Buch sehr viel Zeit braucht – wie lange hast Du daran gearbeitet? Und wie kamst Du auf die Idee, einen Märchen-Roman zu schreiben?

Uwe Gehrmann: Drei Jahre hab ich schon gebraucht. Allein auch deshalb, weil der Beginn sehr schleppend war. Viele träumen davon, mal ein Buch zu schreiben, also bin recht fahrig und unentschlossen auch mal angefangen. Dann ist es wieder liegen geblieben, dann kamen ein paar Seiten hinzu und so fort. Und plötzlich war die Zeit reif und ich habe gar nicht mehr aufgehört, daran zu arbeiten. Das Thema war da, der Plot und die Überzeugung, dass es gut werden würde. Das motiviert enorm. Und ein Märchen-Roman? Das lag sicher daran, dass ein purer Ausstoß meiner Fantasie war, nichts Konstruiertes, nichts von langer Hand Geplantes. Du hast Bilder im Kopf, Szenarien, ein wahres Kaleidoskop von wüsten Geschichten und spontanen Ideen. Eigentlich hab ich den Comic in mir drin nur abgeschrieben. Das später dann doch ein Plan, ein Gerüst und eine Struktur hinzukommt, um den wild sprießenden Dschungel zu bändigen, ist ein ganz anderes Thema.

Literatopia: Warum gerade Mäuse? Gab es einen bestimmten Grund, dass Du Dich für diese Tierchen entschieden hast oder war es reiner Zufall á la „ich hatte die Idee und da ist mir eine Maus über den Weg gelaufen“?

Uwe Gehrmann: Nein, mir sind keine Mäuse über den Weg gelaufen, Katzen waren´s. Wir hatten zwei von diesen eleganten Hauspanthern zu Haus. Eigensinnig wie andalusische Esel und kleine Streuner der Nacht. Den Keim der Geschichte haben die beiden gelegt, übrigens eins-zu-eins die beiden Katzen, die auch in der Geschichte vorkommen. Eigentlich hab ich den beiden ein Denkmal gesetzt. Nur die Namen der handelnden Figuren sind geändert. Spinnt man diesen Faden weiter, kommt man sowieso ins Mäuse-Land. Von da aus führen die Wegweiser zu den anderen Tieren und schließlich zu den haarsträubenden Abenteueren, von denen ich sicher bin, dass sie da draußen hinter unseren Häusern und in unseren Gärten jeden Tag passieren.

Literatopia: Wenn man etwas von Märchen liest, denkt man meist, dass es auch für jüngere Leser geeignet sein muss. Ist dem so oder ist Dein Roman eher nur etwas für Erwachsene?

Uwe Gehrmann: Angefangen habe ich das Projekt als Jugend- oder Kindergeschichte. In meiner unendlichen Naivität dachte ich, dass so etwas leichter zu bewältigen sei. Ein Irrtum, denn dann ist alles immer verwickelter geworden, es kamen Szenen hinzu, die für Kinder vielleicht doch zu heftig sind und literarische Anspielungen sowie blümerante prosaische Beschreibungen, und – zack! - war das Buch ein Zwitter, eigentlich ein unverkäufliches Mittelding. Von den handelnden Personen eher ein Jugendbuch, von der Art zu erzählen und beim Humorverständnis eher ein Buch für recht große Kinder. Das ist übrigens die Sicht einiger Lektoren und Freunde, die sich sorgten, dass es dann beide Seiten nicht interessieren würden. Das war mir zu diesem Zeitpunkt aber egal, weil ich einen Stil gefunden hatte, der mir viel Spaß gemacht hat. Zum Glück ging es Uschi Zietsch, meiner Patin beim „fabylon“-Verlag dann ebenso.

Literatopia: Auf der Leipziger Buchmesse hast Du aus „Der Pakt der Mäuse“ gelesen – warst Du zuvor schon öfter auf Lesungen? Und macht Dir das Vorlesen Spaß? Oder wärst Du beinahe vor Nervosität gestorben?

Uwe Gehrmann: Oh ja, ich lese gern vor. Im Bett. Und ich lese – denke ich - auch gut vor, weil mir Sprache Freude macht. Aber vor Publikum war es schon sehr neu für mich. Erste Lesung, und dann gleich Leipzig, oh weh. Ich dachte, dass gleich alle aufstehen und gehen, als mein Vorgänger seine Lesung beendet hatte und das Buch zuklappte. Komisch, alle Zuhörer sind geblieben und waren glaube ich ganz zufrieden. Eine schöne Erfahrung. Seitdem habe ich noch einige Lesungen gemacht, einige Fehler korrigiert, um es spannender und kurzweiliger zu machen und jetzt macht es mir richtig Spaß, meine Geschichten Fremden vorzulesen. Blöd nur, dass man beim Vorlesen manchmal denkt, hey, dass hättest du aber eleganter schreiben können. Fällt aber keinem auf....

Literatopia: Wer auf Deine Homepage blickt, liest auch viel von Vernissagen – und findet schnell zu Deinen Galerien. Deine Bilder sind sehr bunt und abstrakt. Wie bist Du zu dieser Kunstform gekommen? Und hast Du gewissermaßen künstlerische Vorbilder?

Uwe Gehrmann: Das Problem meines Sujets ist, dass ich zwei Richtungen liebe: Einerseits das Grafisch-Bildliche vielleicht eines Paul Klee, um nur einen zu nennen, mit angedeuteten Landschaften und darin irrenden Tieren und Menschenwesen. Andererseits mag ich das Figurative, Illustrative. Sieht man beides nebeneinander, kann man einen „echten Gehrmann“ wohl kaum erkennen. Das macht es Kritikern manchmal schwierig, eine Einordnung zu finden, ein typisch deutsches Problem. Ist aber kein Grund, meine Vorlieben zu ändern.

Literatopia: Wie würdest Du selbst Deine Kunst in Worte fassen? Kann man sie überhaupt in eine Schublade stecken?

Uwe Gehrmann: Hätte ich eine Schublade für meine eigenen Arbeiten, würde ich sofort aufhören zu malen. Ich hab ja nicht einmal Schubladen für meine Pinsel.

Literatopia: Du beschäftigst Dich offensichtlich mit verschiedenen Maltechniken, unter anderem mit Öl und Acryl. Wie arbeitest Du am liebsten? Vielleicht mit Ölfarben, da man dort weiche Übergänge wunderbar hinbekommt? Oder eher Acryl wegen den kräftigen Farben?

Uwe Gehrmann: Auch Acryl hat seine kräftigen Farben. Aber stimmt schon: Öl ist sehr streichzart und man kann noch tagelang korrigieren, mit Lappen, Fingern und allem arbeiten, was man in die Hände bekommt. Jedes Bild, jeder Plan verlangt seine ureigene Technik, wie im richtigen Leben. Um in mehreren Schichten zu malen, eignet sich eine Mischtechnik am besten. Ich mag auch Tusche oder Kugelschreiber sehr gern. Oder Ölkreide für Konturen. Oder Tempera für die knallharten Lichteffekte, Öllasuren für das Durchscheinende, Erde aus dem Garten für die Strukturen, pulverisierter Lehm für die Herbstfarben und und und....

Literatopia: Wie bist Du eigentlich zum Schreiben gekommen? War diese Leidenschaft schon immer da und hat das Licht der Öffentlichkeit nur später als Deine Bilder erblickt? Oder kam die Liebe zum selbst-geschriebenen Wort erst mit Deinem Germanistik-Studium?

Uwe Gehrmann: Das Germanistik-Studium war eher hinderlich, ein Werk bis ins Kleinste tödlich ernst in seine Atome zu interpretieren, ist sicherlich wissenschaftlich der richtige Weg, aber mein Zugang zu Literatur kommt aus dem Bauch, weswegen auch meine Hausarbeiten gerne wegen ihres manchmal etwas flotten Stils immer eine Note Abzug bekamen. Da ich beruflich viel schreibe und dabei auch gerne versuche bei aller journalistischen Sorgfalt etwas Kreativität einfließen zu lassen, war der Weg nicht weit. Als Oberprimaner wurden sogar mal ein paar meiner Gedichte veröffentlicht. Na ja... Dazu kommt, dass ich viel, viel lese. Und wer das tut und dabei Sprache genießt, hat bereits einen großen Schritt gemacht.

Literatopia: Wie bist Du zum Fabylon-Verlag gekommen? Warst Du davor lange auf Verlagssuche oder hast Du sofort einen Glückstreffer gelandet? Und haben da vielleicht Deine Arbeit als Künstler „geholfen“? Dich quasi interessanter gemacht?

Uwe Gehrmann: Ich muss ein riesen Dusel gehabt haben. Fabylon war mein achtes Anschreiben. Und schon kam eine Zusage, das ist traumhaft und kam natürlich völlig unerwartet. Ich glaube eher nicht, dass mein Maler-Dasein dabei hilfreich war. Das wusste ja keiner. Ehrlich? Ich denke, dass mir meine beiden Katzen geholfen haben, denn die Verlagschefin Uschi Zietsch ist wohl selbst eine Katzen-Närrin, die Gute, weswegen mein Werk nicht gleich in der Rundablage gelandet ist, und sie wenigstens die ersten Zeilen angelesen hat. Der Rest Überzeugungsarbeit muss dann wohl mein überragender Stil geleistet haben. Ok., ok. sollte mal ein Witz werden....

Literatopia: Was inspiriert Dich? Sowohl malerisch als auch literarisch? Erfüllst da dabei gewisse Künstler-Klischees? Oder sind Deine Inspirationsquellen eher „unspektakulär“?

Uwe Gehrmann: Nein, kein Künstler-Klischee, eher ein Lebens-Klischee. Es mag sich ja völlig abgeschmackt anhören, aber das ganze Bunte um uns herum, das man Leben nennt, muss leider dafür herhalten. Zuhören können. Zuschauen können. Einlassen, beobachten, Fantasie vom Zügel befreien, Ungewöhnliches im Gewöhnlichen entdecken, Fragen stellen und nichts als Selbstverständlich nehmen. So was wird's leider sein. Ist das spektakulär? Ich fürchte, eher nein.

Literatopia: Was wird uns in Zukunft von Dir erwarten? „Der Pakt der Mäuse“ ist ja bereits 2007 erschienen – hast Du in der Zwischenzeit an etwas anderem gearbeitet? Wird vielleicht sogar sehr bald ein neues Buch von dir erscheinen?

Uwe Gehrmann: Ja, ich habe an zwei Projekten gearbeitet, von denen eines leider verworfen ist. Das aber hat mich ein halbes Jahr gekostet. Jetzt kehre ich zur ersten Idee zurück, bei der der Plot bereits fertig ist, ein Viertel der Geschichte ist auch schon geschrieben. Das Dumme daran ist, dass es ein sehr abgefahrenes und dennoch sorgfältig zu behandelndes Thema behandelt und ein ungeheurer Recherche-Aufwand nötig ist. Nimmt man dazu meine berufliche In-Anspruchnahme hinzu, muss ich wohl noch einmal ein Jahr Arbeit veranschlagen. Gerade mache ich eine Kurzgeschichte für Literatopia fertig, die mir sehr viel Spaß macht und ich habe ein Comic-Projekt mit einem Freund begonnen. Aber ob davon etwas erscheinen wird....? Wer weiß das schon, die Antwort auf diese Frage haben unser aller Lektoren in die Sterne geschrieben.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview!


Gewinnspiel zu "Der Pakt der Mäuse" (Juni 2009)

Buchvorstellung zu "Der Pakt der Mäuse"

Autorenfoto und Gemälde "Lillywhite": Copyright by Uwe Gehrmann


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.