Weisser Tod (Liza Marklund)

Verlag Ullstein, März 2012
Übersetzt von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt
HC, 384 Seiten, € 19,99
ISBN 978-3550087523

Genre: Krimi


Klappentext

In Stockholm wird die Leiche einer jungen Mutter gefunden. Sie ist nicht die erste Frau, die in den vergangenen Monaten in einem Vorort erstochen wurde. Treibt ein Serientäter sein Unwesen, oder verbirgt sich etwas anderes hinter den Morden? Journalistin Annika Bengtzon will den Geschichten der Opfer auf den Grund gehen, denn sie glaubt nicht an eine Serie. Da verändert eine Nachricht schlagartig ihr Leben. Terroristen haben ihren Mann Thomas entführt. Mit einer internationalen politischen Delegation hält er sich in Afrika auf. Nach und nach exekutieren die Geiselnehmer die Mitglieder der Gruppe. Gemeinsam mit Staatssekretär Jimmy Halenius reist Annika nach Afrika – ohne jeden Anhaltspunkt, ob sie noch rechtzeitig kommen.


Die Autorin

Liza Marklund, geboren 1962 in Pitea, arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender, bevor sie mit der Krimiserie um Annika Bengtzon eine gefeierte Bestsellerautorin wurde.


Rezension

Grade will Annika mit der Recherche zu einigen Frauenmorden in Stockholm anfangen, da flattert ihr eine beunruhigende Nachricht ins Haus. Ihr Mann Thomas wurde in Afrika von Terroristen mit seiner kompletten Gruppe als Geisel genommen. Zusammen mit dem Sekretär Jimmy Halenius, Thomas’ Vorgesetzten, wartet Annika auf eine Lösegeldforderung. Weder weiß sie wann, noch wieviel sie zahlen soll. Wer wird wohl für das Lösegeld aufkommen, sie alleine? Außer dem Geld von der Versicherung für ihre abgebrannte Villa besitzen sie doch nichts – und der Staat tritt für solche Fälle nicht ein, denn die Reise in ein krisengeschütteltes Gebiet gilt nur auf eigene Faust und Verantwortung. Mit den möglichen Konsequenzen müssen die Familien alleine zurecht kommen. Da die Geiseln aus verschiedenen Ländern kommen, gibt es auch kein gemeinsames Bangen und Zittern, ebenso wenig einen gemeinsamen Austausch über Lebenszeichen. Alles, was Annika und Halenius erfahren, kommt direkt von den Entführern oder aus dem Internet von Nachrichtenagenturen, die über ihre eigenen Geiseln berichten.

Annika erfährt diesmal am eigenen Leib, was es heißt, in den Schlagzeilen zu stehen. Reporter lauern ihr und ihren Kindern auf, um Interviews gebeten, sogar ihre Freunde versuchen, Kapital aus ihrer Situation zu schlagen. Eigentlich die ganz normale Vorgehensweise bei nachrichtenrelevanten Personen, Annika selber zu ihren besten Zeiten hat oft genug anderen aufgelauert oder sie zu Hause überfallen. Ihre Aufregung darüber ist nun nicht wirklich verständlich, nur weil es jetzt um ihre Familie geht, gibt es keine anderen Regeln. Bis zu einem gewissen Grad sieht sie allerdings auch die Notwendigkeit ein, an die Öffentlichkeit zu gehen, denn nur mit schlagzeilenträchtigen Nachrichten verkaufen sich Zeitungen, egal, wer die Opfer der Blutgeier sind. Warum sollte es ihr anders als anderen ergehen? Ein paar Leser werden sicher schadenfreudig die Mundwinkel zucken, dass es einen Geier mal selber erwischt.

Aus drei Perspektiven lässt uns Liza Marklund an dem Drama teilhaben. Thomas beschreibt in der Ich-Perspektive die unsagbaren Grauen seiner Kerkerhaft, durch menschenunwürdiges quält er sich, für seine Kerkermeister gelten die Leben der Ausländer nicht viel. Nicht einmal, wenn es Geld einbringt – zur Abschreckung wird auch schon mal jemand umgebracht, aber nicht, ohne vorher unendlich gelitten zu haben. Ganz nah am Geschehen ist man durch diese Erzählperspektive, man leidet mit Thomas und kann sich doch trotzdem die Qualen nicht wirklich vorstellen – so unvorstellbar sind sie. Eine weitere Perspektive ist die Sicht des Chefredakteurs Anders Schyman, der schon viel zu lange bei der Zeitung ist und den Wandel der Nachrichten im heutigen Zeitalter hautnah miterlebt. Er fühlt, dass seine Zeit abgelaufen ist, mit der Banalität und der heutigen Schnelllebigkeit kommt er nicht mehr zurecht. Investigativer Journalismus ist gar nicht mehr erwünscht, je blutiger die Schlagzeile, umso besser, schnelle Ergebnisse sind gefordert. Ob die Frauenmorde in Stockholm nun das Ergebnis eines Serienmörders oder ob es Einzeltäter waren, ist nicht wirklich wichtig, Hauptsache, man kann Verdächtige präsentieren und bloßstellen.

Annikas Sichtweise bestimmt natürlich den Hauptanteil, wie schon in acht Bänden zuvor, bleibt sie ihrer Linie treu. Allerdings wirkt sie immer mürrischer, hadert mit ihrem Leben und fragt sich nach ihrer Daseinsberechtigung. Warum sie immer noch mit Thomas zusammen ist bleibt ihr Geheimnis, er betrügt sie ständig und sie wird immer verbissener. Alleine die Suche nach einem Babysitter ist absolut verstörend, wer so eine Familie und Freunde hat, der braucht wahrlich keine Feinde mehr. Mit Entsetzen liest man, wie ihre Familie sie im Stich lässt und die eigenen Bedürfnisse weit vor allen anderen stellt. Hilfe kommt dann von ganz unerwarteter Stelle, bei der Annika aber auch gehörig über ihren Schatten springt. Aus der einst ehrgeizigen und fröhlichen Jungreporterin ist eine verbitterte, depressive und sarkastische Frau geworden, von ihrer Familie verlassen und die es auch nicht schafft, Freundschaften zu hegen und pflegen.

Stark politisch ist der Inhalt des Buches, die ausgiebige Warterei von Annika und Jimmy auf Neuigkeiten nutzt die Autorin für weitschweifende Ausflüge in die Politik der beteiligten afrikanischen Länder. Spannung kommt dabei nicht wirklich auf, wem dieses Thema nicht liegt, wird nicht grade mit Begeisterung lesen. Das Geiseldrama liegt ganz klar im Vordergrund, dazu die politische Situation in Afrika. Weitere ausführliche Schilderungen in Afrika selber nehmen einen großen Raum ein, dazu die eindringlichen und verstörenden Schilderungen von Thomas’ Geiselhaft vermischen sich zu einer Geschichte, die von den üblichen Pfaden Liza Marklunds abweicht. Spannung findet man nicht bei der Suche nach einem Mörder, sondern alleine in der Frage, ob Thomas überleben wird.


Fazit

Unfassbares Grauen birgt der 9. Band um die Journalistin Annika Bengtzon. Sie selbst wird zur Hauptperson in einem Drama und darf am eigenen Leib erfahren, wie es ist, von einer Reportermeute verfolgt zu werden.


Pro und Contra

+ fesselnder Schreibstil
+ spannende Recherche
+ nicht vorhersehbar
+ interessanter Schauplatz
+ ungewöhnliche Sichtweisen
+ brisantes, politisches Thema

° zu viel Politik aus Afrika

- mürrische, depressive Prota
- langatmig
- merkwürdiges Verhalten

Wertung

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


Rezension zu "Kalter Süden"