Oneiros - Tödlicher Fluch (Markus Heitz)

Knaur (Mai 2012)
Taschenbuch, 624 Seiten
978-3426505908
€ 14,99 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Der Bestatter
Er gilt als einer der Besten seines Fachs, denn er kennt den Tod wie kein anderer.

Die Wissenschaftlerin
Sie führt grausame Experimente durch, die nur ein Ziel haben: den Tod zu betrügen.

Der Mann auf der Flucht
Er flieht vor sich selbst und seine Fähigkeiten. Doch der Tod findet ihn überall.


Rezension

Der Traum vom ewigen Leben. Viele Menschen haben ihn, verlieben sich in die Idee, jung zu bleiben und die sterbliche Hülle nie zurückzulassen. Doch Konstantin Korff als einer von einigen wenigen weiß es besser. Unsterblich zu sein, ist ein Fluch. Er ist ein Todschläfer. Wenn er sich dem Schlaf hingibt, kommt der Schnitter und reißt alles Lebendige um ihn herum mit sich. Alles, nur Korff nicht, denn der Knochenmann kann ihn nicht sehen. Eine Tatsache, die andere seiner Sorte für finstere Zwecke nutzen, wie Konstantin genau weiß. Er möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen und sein neues Leben so gut es geht genießen. Doch dann taucht Iva auf, die Frau seiner Träume und so kehrt der Wunsch nach einem Mittel, den Fluch aufzuheben zurück. Sein Freund und Agent im Dienste der Queen bringt ihn auf eine neue Fährte, gleichzeitig bitter er ihn aber auch, ihm seine Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, um einen Mann zu finden. Einen Todschläfer, mächtiger als jeder Andere und ebenso gefährlich.

Eins muss man Markus Heitz lassen, er ruht sich nie auf seinen Lorbeeren aus, sucht immer neue Wege, neue Genres und innovative Möglichkeiten, den Leser zu unterhalten. Bei Ausflügen aus der High-Fantasy zu Science Fiction, Horror und Mystery ist es natürlich schwer, es jedem Recht zu machen und deshalb kehrt er erfreulicherweise auch immer wieder zu seinen Welten zurück. „Oneiros“ ist inhaltlich mit keinem bisherigen Heitz-Roman vergleichbar. Er verzichtet gänzlich auf bekannt Figuren wie Werwölfe, Vampire, Zwerge und Konsorten sondern wagt eine Neuschöpfung, den Todesschläfer. Tatsächlich erschafft er dadurch eine neue Perspektive auf das ewige Leben. Eine Version, in der es schlimme Auswirkungen auf Normalsterbliche hat, in der etwas so Fundamentales wie Schlaf eine Waffe wird. Heitz schöpft das Potential dieser Idee eigentlich ganz gut aus. „Oneiros“ ist ein spannendes Buch, auch wenn der Einstieg noch etwas langatmig ist. Action, mit der sich der Autor inzwischen bestens auskennt, gibt es genug, ist nett in Szene gesetzt und insgesamt wird der Leser bis zum Schluss unterhalten. Dennoch gehört der Roman nicht zu seinen besten. Bei seinem Science-Fiction-Roman „Collector“ hat er sich – nach eigenen Aussagen – nicht auf die „Science“, also Wissenschaft, konzentriert, sondern wollte unterhalten. Auch hier hat er letztlich den Bogen nicht so weit gespannt und darauf verzichtet, sich tiefgründig mit dem Thema der Unsterblichkeit auseinanderzusetzen. Vielmehr lag der Unterhaltungfaktor im Vordergrund.

Die große Schwachstelle sind aber die Charaktere. Auf dem Buchrücken sind drei Protagonisten gelistet, genau genommen sind es aber eher fünf. Allesamt sind sie Todesschläfer und darin liegt das Problem. Vier von fünf Figuren sind erprobte Soldaten, können sich verteidigen und kämpfen. Sie sind fähig mit ihrem Fluch oder Segen – je nach Gesinnung – bestens umzugehen und stellen für die Welt drumherum kaum eine Gefahr dar, außer sie entscheiden sich dafür. Mit solchen Charakteren ist es schwer, sich zu identifizieren, mitzufiebern oder ihren Schmerz zu teilen. Am besten schneidet noch der Mann auf der Flucht ab. Der hier aber besser nicht weiter erwähnt wird. Konstantin Korff, die eigentliche Person von Interesse, hat wie der Rest nur wenig Tiefgang. Aus Liebe will er seinen Fluch aufheben und das war es auch schon. Insgesamt etwas happig. Natürlich versteht man seine Handlungsabsichten, dennoch hätte man da etwas mehr erwartet. Anders verhält es sich mit der Wissenschaftlerin von Windau, deren Beweggründe viel nachvollziehbarer sind, ihre Taten dafür weniger. Es stellt sich die Frage, wie weit ein Mensch gehen würde, um einen anderen geliebten Menschen zu beschützen. Windaus Machenschaften sind sehr extrem und zumindest für einen Gutmenschen schwer zu glauben – aber die Geschichte hat zugegebenermaßen schon in der Realität solche Personen hervorgebracht. Dann wären da noch der geschniegelte MI6 Agent, der so cool ist, dass es schmerzt. Sein Drang, jeden mit einem Oscar Wilde - und sei es noch so lang - zu langweilen, wirken sehr bemüht, um ihm etwas kultiges zu verpassen, wie es nur Quentin Tarantino vermag. Leider gelingt das hier nicht wirklich. Noch bizarrer und radikaler ist Thielke, der Mann, der sich bevorzugt im Hintergrund hält. Im Repertoire hat er eine abgefahrene Waffe, eine Sucht nach Süßem und Insulinspritzen und etwaige andere Eigenschaften, um dem Leser im Gedächtnis zu bleiben. Bei ihm klappt es um einiges besser, ihm eine Spur Unvergesslichkeit zu verpassen.

Die Charaktere sind also nicht die Stärke von „Oneiros“, aber der typisch schlichte und flüssige Schreibstil schafft es dennoch, dass man die knapp über 600 Seiten, überraschend schnell bewältigt hat. Und das Ende kann sich auch sehen lassen. Egal wie sehr man sich über manches wundert oder wie sehr man über jenes den Kopf schüttelt, letztlich verzeiht man Heitz alles. Allerdings wünschte man sich, er hätte sich auf einen Bruchteil der Figuren und Handlungsstränge konzentriert. Dadurch wäre das Ganze etwas übersichtlicher und spannender geworden.


Fazit

Bei all den Erwähnungen diverser Filme im Buch, ist es nur konsequent, einen eigenen Vergleich zu ziehen: „Oneiros - Tödlicher Fluch“ ist Popcornkino im Stile eines Michael Bay. Es kracht oft gewaltig, die Charaktere sind interessant, ihre Entwicklung bleibt aber mit der Zeit auf der Strecke und sie schlagen sich durch eine interessante Story, die aber viel mehr geboten hätte. Dennoch fühlt man sich sehr gut unterhalten.


Pro und Kontra

+ neue Herangehensweise an das zeitlose Thema des Todes und dessen Überwindung
+ kurzweilig
+ angenehmer Schreibstiel

- Charaktere nicht wirklich sympathisch
- und eignen sich nicht zum Identifizieren
- gelegentliche Längen

Beurteilung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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