Flammen über Arcadion (Bernd Perplies)

Egmont Lyx (September 2012)
Hardcover mit Schutzumschlag
528 Seiten, 19,99 EUR
ISBN: 978-3-8025-8637-8

Genre: Dystopie


Klappentext

Wenn das Licht den Tod bringt, musst du in die Schatten fliehen.

Die sechzehnjährige Carya lebt mit ihren Eltern in Arcadion, einer der wenigen Zufluchtsstätten in einer öden, verwüsteten Welt. Doch das scheinbare Paradies, über das der religiöse Orden des Lux Dei herrscht, wird von Angst und Irrglaube beherrscht. Als der Geliebte ihrer besten Freundin von der Inquisition festgenommen wird, lässt sich Carya zu einer verzweifelten Tat hinreißen, um ihn vor der Folter zu retten. Doch damit gerät sie selbst ins Fadenkreuz der Inquisitoren. Ihre einzige Hoffnung ist der junge Templersoldat Jonan, der für Carya sein Leben aufs Spiel setzt …


Rezension

Carya glaubt wie auch ihre Mitschüler fest an die Lehren des Lux Dei, der die Menschen in Arcadion durch die Dunklen Jahre geführt und stets vor den niederen Kreaturen der Außenwelt beschützt hat. Zwar überkommen sie ab und an leise Zweifel, wenn sie die strengen Hierarchien und die Verteufelungen betrachtet, doch der Glaube scheint tief in ihr verankert. Erst als ihre beste Freundin aus dem Rahmen des Systems fällt und damit zur Verbrecherin gestempelt wird, gelingt es Carya, ihren angelernten Irrglauben zu überwinden und die Wahrheit hinter der religiösen Fassade des Lux Dei zu erkennen. Gleichzeitig erwachen seltsame Fähigkeiten in Carya, die ihrer Freundin zwar in der Not helfen kann, jedoch dabei ihr behütetes Leben in Arcadion verwirkt …

Jonan ist ein Templersoldat, zu dem alle Bürger Arcadions bewundernd aufschauen. Durch seinen Vater konnte er schnell aufsteigen, doch Jonan weiß eigentlich nichts mit seinem Leben anzufangen. Seine militärische Karriere beruht auf den Wünschen seines Vaters und Befehlen des Ordens. So gehorcht er blind, als er die Order erhält, eine Gruppe von Invitros, künstlichen Menschen, zu eliminieren. Jonan führt seine Befehle aus, gerät jedoch innerlich immer stärker ins Wanken: tut er wirklich das Richtige? Sind die Grausamkeiten des Lux Dei gerechtfertigt? Seine Zweifel werden beantwortet, als er Carya, ein junges und harmloses Mädchen, gefangen nehmen soll …

Bernd Perplies erzählt die Geschichten von Carya und Jonan zunächst parallel und stellt dabei das scheinbare Paradies Arcadion vor: das einstige Rom ist ein Zufluchtsort inmitten zerstörten Ödlands und gefährlicher Wildnis. Nach dem Sternenfall liegt die Welt in Trümmern und die darauffolgenden Dunklen Jahre haben den Lux Dei an die Spitze der Macht gebracht. Der Orden entpuppt sich relativ bald als diktatorisches Regime, das politische Gefangene zu Tode foltert und seine grausamen Machenschaften hinter dem Lichts Gottes verbirgt. Wer angepasst ist und über seltsame Ereignisse schweigt, kann ein ruhiges Leben in Arcadion führen. Allen anderen droht die Verfolgung. Insbesondere die sogenannten Invitros, künstlich geschaffene Menschen, sollen ausgemerzt werden. Die Religion dient dabei der Rechtfertigung barbarischer Taten und ist nur eine Farce. Nicht das Licht Gottes sondern Korruption, Willkür und Machtmissbrauch regieren Arcadion.

Carya und Jonan werden beide Opfer unglücklicher Umstände und ihrer eigenen Zweifel. Insbesondere Carya muss auf äußerst harte und schmerzliche Weise lernen, dass Arcadion kein Paradies ist. Doch Jonan und Carya sind nicht die einzigen, die zweifeln: Auch die Mitglieder der Ascherose rebellieren gegen den Lux Dei, allerdings im Verborgenen. Die Widerstandsgruppe ist nur eine von vielen Parallelen zum Dritten Reich und anderen Diktaturen. Invitros und auch vom Sternenfall krank gewordene „Mutanten“ werden unbarmherzig verfolgt und als „Untermenschen“ klassifiziert. Gelangen sie in die Hände des Ordens, sind sie seiner Willkür und blindem Hass ausgeliefert. Bernd Perplies scheut dabei auch nicht vor grausigen Beschreibungen zurück und stellenweise geht es in „Flammen über Arcadion“ für ein Jugendbuch recht hart zu. Dennoch wird die Grenze zur Geschmacklosigkeit niemals überschritten und jede Form von Gewalt hat im Kontext der Geschichte ihren Sinn.

Neben all den Übeln gibt es auch kleine Lichtblicke: Die Protagonisten erkennen das Unrecht und wollen dagegen vorgehen. Vieles geht dabei schief, doch immer wieder erhalten sie auch Unterstützung von Gleichgesinnten oder sogar jenen, die sie durch ihre Erziehung anfangs noch fürchten. Carya und Jonan kommen sich im Kampf näher und bald geht es nicht mehr nur um Gerechtigkeit, sondern auch um ihre Liebe. Diese entwickelt sich behutsam und wirkt an keiner Stelle zu dick aufgetragen. Einzig Caryas mysteriöse Vergangenheit und ihre unglaublichen Fähigkeiten im Kampf wirken noch deplatziert – wenn auch spannend. In „Flammen über Arcadion“ wird ihre Herkunft jedoch nicht aufgeklärt und auch von der komplexen Welt hat man nur einen Bruchteil gesehen. Vieles wird angedeutet und die Vorfreude auf die Folgebände ist daher groß.

Bernd Perplies gelingt es, auch in „Flammen über Arcadion“ eine seiner großen Stärken auszuspielen: Der Roman ist unheimlich atmosphärisch. Anfangs hat man es ein wenig schwerer als in der „Magierdämmerung“, doch schnell schaltet sich das Kopfkino ein und man staunt über die Komplexität dieser dystopischen Welt. Mit jeder Seite spürt man mehr, wie gut die Geschichte durchdacht ist, und bei dem ganzen Pech, das die Protagonisten haben, gönnt man ihnen ihre Glücksgriffe. Kleine Überraschungen im Storyverlauf runden den positiven Gesamteindruck ab. An dieser Stelle soll die aufwändige Gestaltung hervorgehoben werden: Das Cover sieht phänomenal aus und wartet mit einem schönen Reliefdruck auf, die Innenseiten des Hardcovers sind mit einem farbigen Bild aus Arcadion illustriert.


Fazit

„Flammen über Arcadion“ ist der Auftakt einer komplexen Dystopie, in der im Namen Gottes grausame Verbrechen verübt werden. Das zerstörte Ödland und die Wildnis bieten dabei mehr Menschlichkeit als das scheinbare Paradies. Eine Geschichte um Machtmissbrauch und Ausgrenzung, aber auch um Freundschaft und Liebe. Hochatmosphärisch und voller Spannung!


Pro & Contra

+ komplexe, dystopische Welt
+ sympathische Protagonisten mit viel Herz
+ extrem atmosphärisch
+ gesellschaftskritisch
+ spannende Wendungen
+ aufwändige Gestaltung des Hardcovers

- manches wirkt im ersten Band noch deplatziert

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Bernd Perplies, Jugenddystopie