Flavia de Luce - Vorhang auf für eine Leiche (Alan Bradley)

Penhaligon (Oktober 2012)
Broschiert, 320 Seiten
ISBN 978-3764530983
€ 19,99 [D]

Genre: Krimi


Klappentext

Ein buchstäblich filmreifer Mordfall!

Flavia de Luce und ihre Familie stehen kurz vor dem finanziellen Ruin. Da tut sich plötzlich eine unverhoffte Geldquelle auf: Eine Filmcrew will ihren Familiensitz für Dreharbeiten nutzen. Vom Glamour angelockt, strömen Schaulustige nach Buckshaw, um den Star des Ensembles zu sehen, die berühmte Diva Phillys Wyvern. Doch der Abend nimmt eine schreckliche Wendung: Eine Leiche wird gefunden – erdrosselt mit einem Filmstreifen. Zu allem Überfluss ist Buckshaw durch einen tosenden Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten. Der findigen Hobbydetektivin Flavia ist klar: Der Täter muss sich unter den Gästen befinden. Unverzüglich beginnt sie mit ihren Ermittlungen und gerät dabei selbst ins Visier des skrupellosen Mörders …


Rezension

Seit Jahren schon kann Flavias Vater ihr Anwesen nicht mehr bezahlen. Buckshaw gehörte Harriet, Flavias Mutter, die jedoch kurz nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter in den Bergen verunglückt ist. Immerhin ist die Residenz so imposant, dass ein Filmteam dort drehen möchte. Dieses Geld würde ihre Köpfe wenigsten für einige Monate über Wasser halten können und so sagt man zu. Als wäre das nicht aufregend genug, kommt nicht irgendwer zu ihnen, sondern der Weltstar, Phyllis Wyvern! Ein Name der sich direkt neben solchen wie Audrey Hepburn einreiht. Die Dreharbeiten stehen hingegen unter einem schlechten Stern. Während draußen der Schneesturm heult und das Kommen und Gehen erschwert, verletzt sich einer der Helfer und überhaupt ist man gezwungen, die Dreharbeiten etwas nach hinten zu schieben. Eine optimale Gelegenheit die Menschen aus Bishob Lacy für einen guten Zweck mit einer kleinen Darbietung Wyverns zu erfreuen. Es dauert nicht lange, bis sich Flavia in einem neuen Mordfall wiederfindet. So viel Trubel wenige Tage vor dem Weihnachtsfest, dabei muss sie doch noch die Existenz des Weihnachtsmanns beweisen – auf ihre Art versteht sich.

Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk erschien auch dieses Jahr im Oktober ein neuer Fall von Flavia de Luce. Dieses Mal trägt der Roman den Titel „Vorhang auf für eine Leiche“ (original: I am Half-Sick of shadows) was im ersten Moment inhaltlich an Band 2 „Mord ist kein Kinderspiel“ erinnert. In diesem ging es dem Besitzer eines fahrenden Puppentheaters während der Vorstellung an den Kragen. Immerhin ist eine Filmcrew bei Flavia zu Besuch und, ja, man kann direkt erahnen, wer die letzten Seiten des Buches nie erreichen wird. Die Sorgen, Alan Bradley könnten die Idee ausgegangen sein und man müsse sich mit einem warmen Aufguss zufrieden geben, bestätigt sich zum Glück aber nicht. Das vierte Abenteuer ist womöglich sogar mit der beste Teil der Reihe. Nicht ganz unschuldig ist wohl die weihnachtliche Stimmung, die in Flavias Welt ebenso vorherrscht bis gerade eben bei uns. Man kann problemlos in die Geschichte eintauchen, während es draußen kalt ist und die kuschelige Decke und das Sofa mit wohliger Wärme locken.
Der nie enden wollende Schneesturm, der das England der 50er Jahre heimsucht, hat aber eine noch viel mächtigere Wirkung. Eine klaustrophobische Atmosphäre macht sich breit, während zig Menschen abgeschottet von der Außenwelt sind. Natürlich ereignet sich wieder ein Mord und theoretisch könnte jeder Anwesende der Mörder sein. Inspirationen von Krimis von Agatha Christie und Edgar Ellen Poe machen sich stark bemerkbar. Im positivsten Sinne versteht sich. Es bedarf nur einiger weniger Elemente, um den Leser bei der Stange zu halten, und das beherrscht Bradley perfekt.

Man muss aber sagen, dass der Fall an sich, nicht so viele Fragen aufwirft wie die zuvor, und ihn zu durchschauen, keine wirkliche Herausforderung darstellt. Der Kreis der Verdächtigen beschränkt sich von Anfang an auf zu wenig Personen, da trotz der vielen Menschen, keiner ein echtes Motiv hat. Die Auflösung ist eher eine Standardkost-Mischung aus Rache und Neid. Das hat Bradley schon besser gelöst. Gerade der letzte Band hat tief in die menschlichen Abgründe geschaut. Allerdings stellt man wiederholt fest, dass der Mordfall, egal ob undurchschaubar und spannend oder dezent und unspektakulär, einfach nur die zweite Geige in den Romanen spielt.

Es ist ein wichtiges Mittel zum Zweck, dem Leser die Figuren nahe zu bringen. Neben der grandiosen Flavia, die man schlichtweg lieben muss, rücken auch die Nebenfiguren in den Fokus. Immer wenn man denkt, man weiß schon alles über jemanden, offenbart das Buch einen tieferen Blick in dessen Seele. Allen voran Dodger, der Mann für alles im Hause Buckshaw. Unter Kriegs-Flashbacks leidend ist er eher ein ruhiger Charakter, der aber immer wieder mit anderen faszinierenden Fähigkeiten überrascht. Auch Flavias Vater, der zuvor kaum in Erscheinung tritt, sondern mit seiner stillen, verschlossenen Art sich lieber Briefmarken widmet, bekommt eine tiefere Charakterzeichnung. Sein Herz brach mit Harriets Tod und das Leben gleicht nur noch einer zentnerschweren Last. Sein Weg aus den Depressionen scheint noch weit weg. Tante Felicity, eine bisher eher unangenehm aufgefallene Frau von Welt, offenbart sich ebenfalls als eine überraschende Person. Für einen Jugendroman ist die Vielschichtigkeit der Protagonisten bemerkenswert, aber auch der Grund, warum sich die Flavia-Reihe nicht auf eine Altersklasse beschränkt. Wie Flavia selbst, werden junge Leser nicht alles verstehen, was die Erwachsenen da von sich geben. Oder wie weitreichend ihre Handlungen und Geheimnisse sind, die sich allesamt auf den 2. Weltkrieg herunterbrechen lassen. Die Tragweite erschließt sich hingegen den älteren Semestern, was dem Buch eine interessante und ernste zweite Ebene verleiht.

Was Alan Bradleys vierten Streich aber am meisten auszeichnet gegenüber den Vorgängern ist die extra große Portion Humor. Beim Schreiben musste er einen besonders guten Tag erwischt haben. Jeder Band hat eine Priese Humor abbekommen. Gedankt ist das in der Regel Flavias rabenschwarzen Gedanken und zuckersüßem Verhalten, ihrer morbiden Vorliebe für Gifte und ihrem Gezanke mit den Schwestern. „Vorhang auf für eine Leiche“ bietet selbstverständlich all das aber zudem noch die Jagd auf den Weihnachtsmann. Angeblich soll es diesen gar nicht geben, glaubt man den verleumderischen Aussagen ihrer bösartigen Schwestern. Bevor sie jetzt aber den Kopf verliert, entscheidet sich Flavia lieber für eine wissenschaftlichere Analyse. Selten hat man so oft über das neunmalkluge Mädchen gelacht.


Fazit

Niemand kann sich dem englischen Charme der Flavia de Luce Reihe entziehen. Ein weiteres Mal gelingt es Alan Bradley einen vielschichtigen Roman abzuliefern, der einem in erster Linie die Charaktere näher bringt, denn der Kriminalfall ist eher schwach ausgefallen. Dafür wird man mehr als nur einmal über Flavia schmunzeln müssen. Insgesamt einer der besten Teile.


Pro und Kontra

+ Flavia de Luce
+ fabelhafte Sprache
+ erneut grandioses Cover
+ Jagd auf den Weihnachtsmann
+ sehr lustig

- schwächerer Kriminalfall

Beurteilung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet (1)

Rezension zu Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel (2)

Rezension zu Flavia de Luce - Halunken, Tod und Teufel (3)

Rezension zu Flavia de Luce - Schlussakkord für einen Mord (5)

Rezension zu Flavia de Luce - Tote Vögel singen nicht (6)

Rezension zu Flavia de Luce - Eine Leiche wirbelt Staub auf (7)

Rezension zu Flavia de Luce - Mord ist nicht das letzte Wort (8)

Rezension zu Flavia de Luce - Der Tod sitzt mit im Boot (9)

Penhaligon (Oktober 2012)
Broschiert, 320 Seiten
ISBN 978-3764530983
€ 19,99 [D]

Genre: Krimi

Klappentext

Ein buchstäblich filmreifer Mordfall!
Flavia de Luce und ihre Familie stehen kurz vor dem finanziellen Ruin. Da tut sich plötzlich eine unverhoffte Geldquelle auf: Eine Filmcrew will ihren Familiensitz für Dreharbeiten nutzen. Vom Glamour angelockt, strömen Schaulustige nach Buckshaw, um den Star des Ensembles zu sehen, die berühmte Diva Phillys Wyvern. Doch der Abend nimmt eine schreckliche Wendung: Eine Leiche wird gefunden – erdrosselt mit einem Filmstreifen. Zu allem Überfluss ist Buckshaw durch einen tosenden Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten. Der findigen Hobbydetektivin Flavia ist klar: Der Täter muss sich unter den Gästen befinden. Unverzüglich beginnt sie mit ihren Ermittlungen und gerät dabei selbst ins Visier des skrupellosen Mörders …

Rezension

Seit Jahren schon kann Flavias Vater ihr Anwesen nicht mehr bezahlen. Buckshaw gehörte Harriet, Flavias Mutter, die jedoch kurz nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter in den Bergen verunglückt ist. Immerhin ist die Residenz so imposant, dass ein Filmteam dort drehen möchte. Dieses Geld würde ihre Köpfe wenigsten für einige Monate über Wasser halten können und so sagt man zu. Als wäre das nicht aufregend genug, kommt nicht irgendwer zu ihnen, sondern der Weltstar, Phyllis Wyvern! Ein Name der sich direkt neben solchen wie Audrey Hepburn einreiht. Die Dreharbeiten stehen hingegen unter einem schlechten Stern. Während draußen der Schneesturm heult und das Kommen und Gehen erschwert, verletzt sich einer der Helfer und überhaupt ist man gezwungen, die Dreharbeiten etwas nach hinten zu schieben. Eine optimale Gelegenheit die Menschen aus Bishob Lacy für einen guten Zweck mit einer kleinen Darbietung Wyverns zu erfreuen. Es dauert nicht lange, bis sich Flavia in einem neuen Mordfall wiederfindet. So viel Trubel wenige Tage vor dem Weihnachtsfest, dabei muss sie doch noch die Existenz des Weihnachtsmanns beweisen – auf ihre Art versteht sich.

Pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk erschien auch dieses Jahr im Oktober ein neuer Fall von Flavia de Luce. Dieses Mal trägt der Roman den Titel „Vorhang auf für eine Leiche“ (original: I am Half-Sick of shadows) was im ersten Moment inhaltlich an Band 2 „Mord ist kein Kinderspiel“ erinnert. In diesem geht es dem Besitzer eines fahrenden Puppentheaters während der Vorstellung an den Kragen. Immerhin ist eine Filmcrew bei Flavia zu Besuch und, ja, man kann direkt erahnen, wer die letzten Seiten des Buches nie erreichen wird. Die Sorgen, Alan Bradley könnten die Idee ausgegangen sein und man müsse sich mit einem warmen Aufguss zufrieden geben, bestätigt sich zum Glück aber nicht. Das vierte Abenteuer ist womöglich sogar mit der beste Teil der Reihe. Nicht ganz unschuldig ist wohl die weihnachtliche Stimmung, die in Flavias Welt ebenso vorherrscht bis gerade eben bei uns. Man kann problemlos in die Geschichte eintauchen, während es draußen kalt ist und die kuschelige Decke und das Sofa mit wohliger Wärme locken.
Der nie enden wollende Schneesturm, der das England der 50er Jahre heimsucht, hat aber eine noch viel mächtigere Wirkung. Eine klaustrophobische Atmosphäre macht sich breit, während zig Menschen abgeschottet von der Außenwelt sind. Natürlich ereignet sich wieder ein Mord und theoretisch könnte jeder Anwesende der Mörder sein. Inspirationen von Krimis von Agatha Christie und Edgar Ellen Poe machen sich stark bemerkbar. Im positivsten Sinne versteht sich. Es bedarf nur einiger weniger Elemente, um den Leser bei der Stange zu halten, und das beherrscht Alan Bradley perfekt.

Man muss aber sagen, dass der Fall an sich, nicht so viele Fragen aufwirft wie die zuvor, und ihn zu durchschauen, keine wirkliche Herausforderung darstellt. Der Kreis der Verdächtigen beschränkt sich von Anfang an auf zu wenig Personen, da trotz der vielen Menschen, keiner ein echtes Motiv hat. Die Auflösung ist eher eine Standardkost-Mischung aus Rache und Neid. Das hat Bradley schon besser gelöst. Gerade der letzte Band hat tief in die menschlichen Abgründe geschaut. Allerdings stellt man wiederholt fest, dass der Mordfall, egal ob undurchschaubar und spannend oder dezent und unspektakulär, einfach nur die zweite Geige in den Romanen spielt.

Es ist ein wichtiges Mittel zum Zweck, dem Leser die Figuren nahe zu bringen. Neben der grandiosen Flavia, die man schlichtweg lieben muss, rücken auch die Nebenfiguren in den Fokus. Immer wen man denkt, man weiß schon alles über jemanden, offenbart das Buch einen tieferen Blick in dessen Seele. Allen voran Dodger, der Mann für alles im Hause Buckshaw. Unter Kriegs-Flashbacks leidend ist er eher ein ruhiger Charakter, der aber immer wieder mit anderen faszinierenden Fähigkeiten überrascht. Auch Flavias Vater, der zuvor kaum in Erscheinung tritt, sondern mit seiner stillen, verschlossenen Art sich lieber Briefmarken widmet, bekommt eine tiefere Charakterzeichnung. Sein Herz brach mit Harriets Tod und das Leben gleicht nur noch einer zentnerschweren Last. Sein Weg aus den Depressionen scheint noch weit weg. Tante Felicity, eine bisher eher unangenehm aufgefallene Frau von Welt, offenbart sich ebenfalls als eine überraschende Person. Für einen Jugendroman ist die Vielschichtigkeit der Protagonisten bemerkenswert, aber auch der Grund, warum sich die Flavia-Reihe nicht auf eine Altersklasse beschränkt. Wie Flavia selbst, werden junge Leser nicht alles verstehen, was die Erwachsenen da von sich geben. Oder wie weitreichend ihre Handlungen und Geheimnisse sind, die sich allesamt auf den 2. Weltkrieg herunterbrechen lassen. Die Tragweite erschließt sich hingegen den älteren Semestern, was dem Buch eine interessante und ernste zweite Ebene verleiht.

Was Alan Bradleys vierten Streich aber am meisten auszeichnet gegenüber den Vorgängern ist die extra große Portion Humor. Beim Schreiben musste er einen besonders guten Tag erwischt haben. Jeder Band hat eine Priese Humor abbekommen. Gedankt ist das in der Regel Flavias rabenschwarzen Gedanken und zuckersüßem Verhalten, ihrer morbiden Vorliebe für Gifte und ihrem Gezanke mit den Schwestern. „Vorhang auf für eine Leiche“ bietet selbstverständlich all das aber zudem noch die Jagd auf den Weihnachtsmann. Angeblich soll es diesen gar nicht geben, glaubt man den verleumderischen Aussagen ihrer bösartigen Schwestern. Bevor sie jetzt aber den Kopf verliert, entscheidet sich Flavia lieber für eine wissenschaftlichere Analyse. Selten hat man so oft über das neunmalkluge Mädchen gelacht.

Fazit

Niemand kann sich dem englischen Charme der Flavia de Luce Reihe entziehen. Ein weiteres Mal gelingt es Alan Bradley einen vielschichtigen Roman abzuliefern, der einem in erster Linie die Charaktere näher bringt, denn der Kriminalfall ist eher schwach ausgefallen. Dafür wird man mehr als nur einmal über Flavia schmunzeln müssen. Insgesamt einer der besten Teile.

Pro und Kontra

+ Flavia de Luce
+ fabelhafte Sprache
+ erneut grandioses Cover
+ Jagd auf den Weihnachtsmann
+ sehr lustig

- schwächerer Kriminalfall

Beurteilung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5