Franz rettet Anna (Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser)

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Ulrike Helmer Verlag, 1. Auflage 2012
Taschenbuch, 128 Seiten
12,95 (D), 13,40 (A), 18,90 SFr
ISBN 978-3-89741-346-7

Genre: Erzählung (Krimi)

 


 

Klappentext

Es gibt Tage im Leben, an denen nichts geschieht.

Es gibt Tage im Leben, an denen nichts mehr bleibt, wie es war.

 

Ein abgelegenes Dorf im Taunus, Swimmingpools in Sommergärten, vereiste Schulwege im Winter – dort wächst Anna auf. Behütet wird sie nicht nur von der eigenen Familie. Denn auch Franz hat stets ein Auge auf seine junge Nachbarin. Er ist immer da, falls sie in Not gerät. Und auch sonst ist er ihr nah, Tag für Tag…


Über die Autorin

Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser studierte Pädagogik und Kunstgeschichte. Sie arbeitete als Lehrerin, hat zwei erwachsene Töchter und ein Faible fürs Fotografieren. Neben Sachbüchern (»Wenn die Kinder aus dem Haus sind«, »Du bist nicht mehr meine Freundin«, beide Helmer) und pädagogischen Fachartikeln schreibt sie Theaterstücke für die Schule, Kinderbücher und Reportagen über ihre Fernreisen.


Rezension

Der Helmer Verlag hat ein neues Label. Krimi einmal anders. Statt „exzessiven Blutrausch“ sollen spannende Einblicke in die menschliche Psyche geboten werden. Ein interessanter Ansatz. Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser, bisher eher im Sachbuchbereich tätig, ist eine der Ersten, die sich mit einer Erzählung in diesem Rahmen präsentiert.

Franz rettet Anna zum ersten Mal als er sie als Kleinkind in den Pool der Nachbarn fallen sieht, und dann noch einmal Jahre später, als sie sich als verstörter Teenager vom Turm des Dorfes zu stürzen versucht. Das erste Mal war seine Anwesenheit noch Zufall, doch im Laufe der Zeit entwickelt der introvertierte Mann eine krankhafte Obsession zu der jungen Nachbarin. Jeden Tag beobachtet er sie auf dem Weg zur Schule, nur um dann stundenlang auf ihre Rückkehr zu warten. Franz liebt Anna, sieht eine Verbindung, eine Seelenverwandtschaft. Dass Anna seine Gefühle nicht erwidert sickert trotz mehrfacher Ansagen nicht zu ihm durch. Anna ist sein, und in seinen Augen ist es nur eine Frage der Zeit bis auch sie das einsehen muss.

Mit Franz rettet Anna wagt sich die Autorin Rosenkranz-Hirschhäuser an ein prekäres und zugleich auch kompliziertes Thema. Obsession gepaart mit Pädophilie, das Ende ist absehbar - für einige wahrscheinlich bereits beim Lesen des Klappentextes. Aber das Wissen um das Ende muss die Lektüre nicht unbedingt schmälern, wenn der Autor durch Stil, Geschichte und handelnde Charaktere zu überzeugen weiß.

Dies gelingt Rosenkranz-Hirschhäuser im vorliegenden Fall nur mangelhaft. Vielleicht liegt es an der Kürze von 128 Seiten, dem gewählten Genre oder der Dominanz des wissenschaftlichen Unterbaus, der die literarische Qualität trübt und insbesondere den Zugang zu den jungen Charakteren erschwert. Wie eine Fallstudie versucht Rosenkranz-Hirschhäuser die gesamte Lebensgeschichte Franz‘ und somit seine Beweggründe zu umreißen, wechselt immer wieder zwischen Jetzt und Vergangenheit, zwischen Franz und Anna, so dass der Leser manchmal verwirrt vor einer Szene steht und nicht weiß, wo bzw. wann er diese einzuordnen hat. Unterstützt wird diese Verwirrung zum Teil durch den Stil Rosenkranz-Hirschhäusers, der sehr Adjektiv-lastig ist und durch lange Sätze geprägt wird.

»Anna verlässt morgens das Haus wie immer. Ihr schmales Gesicht, ihre großen braunen Augen, die Traurigkeit in sich tragen, blicken müde. Die langen frisch gewaschenen Haare fallen auf schmale Schultern herab und betonen Annas Leichtigkeit.
Ihr zierlicher, knabenhafter Körper wirkt anziehend in den engen Jeans und der knapp sitzenden dunkelblauen Cordjacke mit weißem Wuschelkragen. Ihr Gang ist unbewusst aufreizend und die Blicke fangend, wirkt sehr elegant, selbst auf nassem, schneematschigem Unterboden. Eine Daunenjacke würde Anna wärmer halten und der Jahreszeit angemessener sein. Ein wenig wehrt die bunte Wollmütze, die Anna übers linke Ohr gezogen hat, die kriechende Kälte ab.« (Zitat, Seite 1)

Die Charaktere wirken in ihrem Handeln teilweise unrealistisch bis fragwürdig, vor allem in der heutigen Zeit, wenn die Eltern und Nachbarn darüber hinwegsehen, dass Anna so offensichtlich von dem um Jahre älteren Franz täglich beobachtet wird. Auch Anna, obwohl mittlerweile volljährig denkt sich nichts dabei, obwohl sie von ihm des Öfteren angesprochen wird und sogar Liebesbriefe erhält. Insgesamt wirken die Dialoge des Teenagers oftmals zu reif, zu abgeklärt, um an anderer Stelle unerklärlich schnell in das Gebaren eines verwöhnten Kindes umzukippen, was den Endruck des Künstlichen erweckt. Konstruiert wirken auch manche Wendungen, insbesondere wenn vorher getroffenen Aussagen nicht mit einbezogen werden oder ihnen wiedersprochen wird. Dies setzt sich bis zum Finale fort, welches, obwohl absehbar, in seiner Gestaltung fragwürdig scheint.

Zu erwähnen sei hier auch die für manche Leser sicherlich ungewohnte Formatierung der wörtlichen Rede, denn diese wird im Buch nur durch einen Anstrich statt der üblichen Anführungszeichen angezeigt, und auch Gedanken werden nicht durch eine Kursivsetzung hervorgehoben, was die Unterscheidung zur normalen Erzählung an manchen Stellen erschwert.


Fazit

Mit Franz rettet Anna versucht sich Rosenkranz-Hirschhäuser nicht nur an ihrer ersten Prosa, sondern auch gleich einem diffizilen Thema. Obwohl die Idee durchaus Potenzial hat, stören unausgereifte Charaktere, widersprüchliche, teils unrealistische Handlungen und die immer wieder durchscheinende Wissenschaftlichkeit die Wirkung der Geschichte.


Pro & Contra

+ Idee
+ Grundidee von Franz

o ungewöhnliche Formatierung
o teilweise zu erklärend

- Charakterentwurf und Entwicklung lückenhaft bis unrealistisch
- Charaktere handeln teilweise nicht nachvollziehbar

Wertung: alt

Handlung: 3/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 1/5