Baltimore, oder, Der standhafte Zinnsoldat und der Vampir (Mike Mignola, Christopher Golden)

Cross Cult (Mai 08)
Hardcover, Illustrationen sw, 318 Seiten, 20,5 x 20,5 cm
€ 24,90 [D]
ISBN: 978-3-936480-60-3

Genre: Horror


Klappentext

Als Lord Henry Baltimore auf einem der höllischen Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs den Zorn eines Vampirs heraufbeschwört, verändert sich die Welt für immer. Eine extrem ansteckende Seuche wurde entfesselt – eine Seuche, die selbst der Tod nicht beenden kann.

Jahre später ein einsamer Soldat im Kampf gegen die Dunkelheit, lädt Baltimore drei alte Freunde zu einem Treffen in ein einsames Wirtshaus – Männer, deren Reisen und fantastische Erfahrungen sie an jenes Böse glauben lassen, das die Seele der Menschheit verschlingt.
Während die Männer auf ihren alten Freund warten, erzählen sie sich ihre Erlebnisse von Schrecken und Horror und stellen Überlegungen an, über ihren Anteil in Baltimores zeitlosem Kampf. Noch bevor die Nacht dem Morgen weicht, werden sie ihre Bestimmung erkennen …


Rezension

Es soll eine schicksalhafte Nacht werden, als Captain Baltimore auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs mit seinen Männern unterwegs ist. Beim Vorstoß ins feindliche Lager finden sie sich vor Maschinengewehrläufen wieder. Baltimore erwacht auf den Leichen seiner Freunde. Und dann sieht er sie: Fliegende Geschöpfe am Nachthimmel, die sich herabsetzen auf die Kadaver und sich am gerinnenden Blut laben. Aber Baltimores Lebenssaft pulsiert noch durch seine Adern und seine Gegenwehr entfesselt eine tödliche Seuche.

Jahre später, die Seuche hat weit um sich gegriffen, die Menschen zu seelenlosen Untoten gemacht, treffen sich drei Männer in einer Bar. Die Männer kennen sich nicht, aber sie haben alle etwas gemeinsam. Jeder von ihnen hat Baltimore nach seiner Begegnung mit dem Vampir kennen gelernt und wurde schriftlich in diese Bar befördert. Und sie haben das Böse gesehen. Den Schrecken der Welt, personifiziert in nur einem Wesen.

Mike Mignola, besonders für seinen Comic Hellboy bekannt, und Christopher Golden, der in Deutschland weniger, in den USA jedoch sehr erfolgreich ist, haben sich auf den Pfad von Bram Stoker und Merry Shelly begeben. Neben der aktuellen Welle Dark Fantasy, die sich bevorzugt mit Vampiren beschäftigt, ist Baltimore, oder, Der Standhafte Zinnsoldat und der Vampir völlig anders einzuordnen. Während sich 80% der Vampirbücher, durch ihren hohen Erotikgehalt, in die Schundroman-Abteilung einreihen lassen, ist dieses Werk ein waschechter Horror der alten Schule.
Die Spannung ist in erster Linie subtil. Das Grauen baut sich schleichend auf und Splatterszenen werden nur in Maßen genutzt, wenn, dann aber richtig.

Die Jagd Baltimores nach dem Blutsauger dient in erster Linie als Rahmenhandlung. Beinahe zwei Drittel des Buches werden durch drei Kurzgeschichten eingenommen. Jeder der 3 Männer erzählt von seinem Grund, warum er Baltimores Geschichte über die Vampire und den wahren Grund für die Seuche glaubt. Jede dieser Episoden ist wirklich einfallsreich, spannend, und keine ähnelt der anderen. Baltimores niederschmetternde Erlebnisse nach dem tragischen Vorfall sind wirklich gelungen. Durch die Sicht seiner Begleiter und deren beschriebenen Gefühle kommt die Bösartigkeit des Vampirs intensiv rüber und die Jagd nach ihm wirkt gerechtfertigt.

Abstriche gibt es für die Sprache – zumindest für die deutsche Übersetzung. Der Versuch, jeden einzelnen Satz zu einem atmosphärischen Kunstwerk zu formen, wirkt oft einfach zu verkrampft und stört den Lesefluss. Überdurchschnittlich auffällig sind auch die Rechtschreibfehler. In der Regel sind diese leicht verzeihbar, aber in Anbetracht der Aufmachung, der Illustrationen und des Preises sind diese wirklich störend.

Der ganze Aufbau ähnelt dem eines Films so sehr, dass eine Verfilmung sogar geplant ist.
Jede der Passagen ist eine Erzählung von einer Person oder einer Schrift, man bekommt also nicht alles vorgekaut, sondern muss sich die Wahrheit selbst zusammenreimen und bleibt bis zum Schluss mit der Frage konfrontiert, warum die drei Männer eigentlich zusammengerufen wurden. Erst die letzten Seiten transportieren den Leser in die Gegenwart und münden in einem Showdown.
Der gesamte Roman scheint eine Anlehnung an Hans Christian Andersens Der Standhafte Zinnsoldat. Zum einen findet sich der Märchentitel im Titel des Romans wieder und wurde sogar als Ganzes an den Roman angehängt. Außerdem gibt es eine kurze Biographie über den dänischen Autor.

Der tatsächliche Kaufgrund ist die Aufmachung des Buches. Cross Cult lässt sich nicht lumpen. Baltimore, oder, Der Standhafte Zinnsoldat und der Vampir kommt in einem wirklich stabilen Einband daher mit einem genialen, farbigen Horror-Coverbild aus Mignolas Feder. Zusätzlich wurde der Roman vom Comiczeichner illustriert. Etwa jede zweite Seite enthält ein bis zwei Schwarz-Weiß Bilder, durch die die ganze Atmosphäre noch düsterer wird. Die Seiten sind sehr dick und weisen eine hohe Qualität auf.
Für alle, die das Buch noch nicht weglegen möchten, bleibt neben der erwähnten Kurzbiografie und dem Märchen noch eine Vita von Mike Mignola und ein Interview mit Christopher Golden über seine Zusammenarbeit an dem Roman.

Baltimore ist wirklich ein gelungener Roman. Stimmungsvoll und düster, wie ein Horror eben sein soll. Ob es sich hierbei aber tatsächlich um einen neuen Klassiker handelt, wie laut Buchrücken und veröffentliche Kritiken behauptet wird, muss wohl jeder selbst für sich entscheiden.


Fazit

Ein Horrorroman, der sich auf subtilen Grusel stützt, statt auf die aktuell populären Splattereinlagen. Düster, atmosphärisch und tolle Illustrationen.


Pro und Kontra

+ spannend
+ verzichtet auf unnötige Brutalität
+ eigenwillige Erzählstruktur
+ Mignolas einzigartigen Illustrationen

- einige Rechtschreibfehler
- verkrampfte Formulierungen

Beurteilung:

Handlung 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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