Wir werden niemals darüber reden (Carolin Schairer)

schairer c-wir werden niemals darber reden

Helmer Verlag, 1. Auflage, März 2013
Taschenbuch, 314 Seiten,
17,95 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-89741-347-4

Genre: Kriminalroman


Klappentext

Ein alter Bauernhof im Süddeutschen birgt düstere Geheimnisse. Als die Bäuerin stirbt, kommen sie ans Licht. Für ihre erwachsenen Enkel Isabell und Jan beginnt damit eine harte Reise in die Vergangenheit. Die Erinnerungen an einen tragischen Sommer, den sie als Jugendliche auf dem Hof verbrachten, lassen sich nicht länger totschweifen …


Rezension

Mit Wir werden niemals darüber reden bringt Carolin Schairer unter der Helmer Marke CriMiNa nun ihren ersten reinen Kriminalroman auf den Markt, und wirft dabei die unterschiedlichsten Charaktere in die Kreise eines düsteren Geheimnisses.

Isabell hat es nicht leicht: Seit dem Freitod ihrer Mutter in ihrer Kindheit ist sie traumatisiert, musste sogar für zwei Jahre in Therapie und, obwohl sie sich mittlerweile in ihren Dreißigern befindet, ist es ihr nach wie vor unmöglich, soziale Kontakte aufzubauen. Albträume beherrschen ihre Nächte, und ein Teil ihrer Erinnerungen scheint für immer verloren. Ihr einziger Halt ist ihr Bruder Jan. Als älterer und mit einer depressiven Mutter und einem Vater, der nach dem Tod der Ehefrau dem Alkohol verfallen ist, hat Jan schon früh die Verantwortung für seine Schwester übernehmen müssen. Als erfolgreicher Arzt sowie Familienvater hat er zwar genug auf dem eigenen Teller, schafft es aber dennoch über die labile Isabell zu wachen. Erleichterung von all dem Stress bieten ihm jedoch zahlreiche Affären, die er auf seinen Kongressen auslebt.

Zwei voneinander unabhängige Ereignisse erschüttern die eigenspielte Regelmäßigkeit der beiden Geschwister. Isabell sieht sich auf ihrer Arbeit mit einer interessanten neuen Kollegin konfrontiert, die es irgendwie schafft, den Wunsch in ihr zu wecken, die eigene Starre zu durchbrechen. Zur gleichen Zeit bricht Jan auf in den Süden Deutschlands, um die gemeinsame Großmutter zu beerdigen. Nach dem Tod der Mutter hatten die Geschwister einige Wochen bei dieser und dem Großvater gelebt, bis ein tragisches Ereignis Isabell in die Psychiatrie zwang. Da sich Isabell an nichts erinnert, und er keine Erinnerungen aufwühlen möchte, beschließt Jan, alleine auf den alten Bauernhof zu fahren. In den Unstimmigkeiten mit seiner Cousine, wie nun weiter mit dem Hof zu verfahren sei, trudeln dann allerdings zuerst Anja, Jans Frau, samt Kinder und Isabell mit ihrer Kollegin Ariane als Unterstützung ein. Erstere weil sie von den Affären erfahren hat und ihren Mann zur Rede stellen will, und Letztere, weil sie endlich Aufschluss darüber erlangen will, was damals auf dem Hof passiert ist.

Auf der Suche nach Wahrheit sorgt ein Unwetter für einen Erdrutsch auf dem Hof. Ein unterirdischer Gang wird offenbar. Darin ein grausiger Fund, der das Leben aller beteiligter gehörig aufwirbelt und ihre Probleme fast ins Nebensächliche treibt.

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus der Sicht aller wichtigen Personen, wobei Jan und Isabell sicherlich den Schwerpunkt einnehmen. In kurzen Kapiteln werden die Ereignisse aus Gegenwart und Vergangenheit geschildert, bis sich nach und nach der Schrecken enthüllt, der Isabells Verstand vorübergehend in die Knie trieb und somit ihre partielle Amnesie verursachte. Durch die verschiedenen Erzähler erhält der Leser zwar einen guten Überblick und Einsicht in die einzelnen Figuren, verliert allerdings das spezielle Gefühl der Verbundenheit, das ein einzelner Erzähler oft mit sich bringt – bleibt die Frage, in wie weit, dies im Falle eines Kriminalromans notwendig ist. Und der Krimianteil hat es in sich, denn in dem kleinen Dorf haben sich vor 20 Jahren Ereignisse ereilt, die mehr als ein Opfer forderte. Trotz Ausflüge in die Vergangenheit geht es hier allerdings weniger um blutige Taten oder der Suche nach dem Mörder, sondern um ein Portrait einer Gemeinde, die aus Angst die Augen verschloss, unterschiedliche Arten von Opfer und menschliche Abgründe im Allgemeinen. 

Wer Schairers Werke kennt, weiß um ihre einzigartige Einfühlsamkeit, ihre Können, Personen und Beziehungen mit wenigen Worten zu zeichnen. Auch im vorliegenden Wir werden niemals darüber reden zeichnet sie lebendige Figuren, die durch ihre Facetten und Aktionen zu überzeugen wissen. Obwohl die Charaktere vielschichtig sind und die Geschichte gut durchdacht und durchaus spannend, wenn am Ende vielleicht im Detail zu extrem, ist, werden Anhänger Schairers dennoch vielleicht leicht enttäuscht zurückbleiben. Denn 314 Seiten und die gewählte Erzählart lassen wenig Raum für die Liebesgeschichte zwischen Ariane und Isabell. 


Fazit

Mit Wir werden niemals darüber reden schafft Carolin Schairer eine unterhaltsame Mischung aus interessanten Charakteren, tiefgründiger Geschichte und Beziehungsdrama. Sie zeigt, dass auch in friedfertigen Dörfern menschliche Monster lauern, welche Auswirkungen Abhängigkeiten haben und wohin Liebe und Vertrauen Menschen führen können. Lesenswert!


Pro und Contra

+ facettenreiche Charaktere
+ stimmungsvolle Grundgeschichte
+ interessante Teilerzählstränge

o Liebesgeschichte kommt etwas zu kurz

- Tragödie wirkt teilweise übertrieben
- (fehlender Bezug zwischen Cover und Geschichte)

Bewertung: sterne4.5

Charaktere: 5/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5

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