Das fünfte Mädchen (Gillian Philip)

philip g-das fuenfte maedchen

cbt Verlag, 1. Auflage, April 2013
Taschenbuch, 350 Seiten
Aus dem Englischen von Antoinette Gittinger
8,99 Euro [D] 9,30 [A]
ISBN-13: 978-3-570-30832-5

Genre: Thriller/ Jugendbuch


Klappentext

Sie fanden das fünfte Mädchen, als der Schnee schmolz …
Ruby und ihre Schwester Jinn sind ganz allein auf der Welt. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel, sind beste Freundinnen und engste Vertraute. Jinn beschützt die schüchterne Ruby, wo sie nur kann. Da taucht Jinns alte Flamme Nathan Baird auf. Nathan schleicht sich in ihr Leben und entfremdet die Schwestern. Zur gleichen Zeit wird in den lokalen Nachrichten über Morde an jungen Frauen berichtet das Gerücht vom Serienkiller geht um. Dann verschwindet Jinn …


Die Autorin

Gillian Philip wurde in Glasgow geboren, verbrachte zwölf Jahre ihres Leben auf Barbados und lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Elgin im Norden Schottlands. Ihre Bücher standen auf der Auswahlliste des Angus Book Award, der Carnegie Medal und des David Gemmell Legend Award.


Rezension

»Es gefiel mir nicht, wie ein Licht in ihrer Haut angegangen war, seit Nathan Baird seinen Schatten über den Tag geworfen hatte.«

Ruby und Jinn – sie sind die magischen Schwestern. Unzertrennlich. Eine eigene kleine Familie. Ruby ist die stille Eigenbrötlerin, Jacinta, seit ihrer Kindheit Jinn, die vernünftige Ältere, die nicht erst seit dem Tod der gemeinsamen Mutter um sie kümmert. Jinn ist das Muttertier. Sie arbeitet, kocht und führt Haushalt und Garten. Deshalb fühlt sich Ruby mehr als nur verlassen, als ihre ältere Schwester anfängt, mit Nathan Baird auszugehen. Plötzlich ist sie nicht mehr der Mittelpunkt in Jinns Leben. Von nun an muss neben der Schwester auch das Haus mit einem Eindringling teilen. Als sich die Situation zwischen Nathan und Ruby zuspitzt, zieht Nathan aus. Ruby ist darüber erst erleichtert, muss aber schnell erkennen, dass sie damit auch ihre Schwester vertrieben hat. Immer mehr gerät Jinn in Nathans Sumpf aus Drogen und Geldsorgen, so dass sie letztendlich keine andere Wahl sieht, als anschaffen zu gehen - zurzeit besonders gefährlich, denn ein Serienmörder, der sich auf Prostituierte spezialisiert hat, hat bereits ein Opfer in der Gegend gefunden. Zu abgelenkt von Unstimmigkeiten und der ersten eigenen Liebe verliert Ruby ihre große Schwester aus den Augen und muss lernen, mit den schmerzlichen Konsequenzen zu leben.

Mit den Schwestern Jinn und Ruby zeichnet Philip zwei eigenwillige Charaktere, die allein überzeugen, aber vor allem im Zusammenspiel wunderbar bewegen. Dies wird unterstützt vom Erzählstil des Buches. Denn es ist ausschließlich Ruby, die schweigsame, die als Ich-Erzählerin eine Zeitspanne von mehreren Jahren durchlebt. In kurzen Kapiteln berichtet sie von der schönen Zeit zu zweit, bricht zu Ausflügen in die Vergangenheit auf, als die mental labile Mutter noch lebte, und erfährt die schmerzhafte Entfremdung zur Schwester, die in deren Verschwinden gipfelt. Dabei findet sie immer wieder einfühlsame Worte für die Menschen und Dinge um sich herum und beschreibt eine lebendige Welt, der nach und nach das Licht geraubt wird. Dabei spricht Ruby nur wenig, denn sie weiß was Wörter anrichten können, seien sie unbedacht oder leichtfertig dahin gesagt sind. Es waren Worte, unter anderem auch von ihr, die einen Schulkameraden im letzten Winter zum Sprung vom Schuldach veranlassten. Wörter, mit denen ihre Mutter sie enttäuschte. Daher bevorzugt sie das Schweigen. Im Laufe der Geschichte muss sie allerdings lernen, dass auch Schweigen Folgen haben kann, mitunter tödliche.

»„Nein, sagte ich.“
Und zum ersten Mal seit einer Ewigkeit verspürte ich den Wunsch, etwas hinzuzufügen. Ich wollte eine dieser dünnen Wortketten bilden, die einen Menschen an deiner Seite hielt. Ich wollte ein Seil aus Worten machen und es ihm um die Taille schlingen, unsichtbar, damit ihm nicht langweilig würde und er dann wegginge. Wörter sehen zerbrechlich aus, Insektenpfade aus Tinte, aber sie sind stark. Wörter binden Menschen aneinander oder treiben sie auseinander. Wörter sind ein Enterhaken, der, zum Himmel geschleudert, einen Jungen vom Dach reißt. Ich wollte die Gänseblümchenketten-Wörter, doch leider konnte ich meinen Mund nicht öffnen, außer um mir die Lippen zu lecken.«

Neben Ruby und Jinn überzeugen aber auch die anderen Charaktere, sei es nun der nach und nach an Drogen verkümmernde Nathan oder die Dicke Bertha, Jinns Chefin, die eine kleine Liebelei mit dem Lieferanten ihrer Erfrischungsdrinks hat. Sie alle agieren in einer lebendigen Welt, müssen mit ihren kleinen und großen Schicksalen hadern und sich letztendlich der Frage stellen, ob der gesuchte Mörder aus ihrer eigenen Mitte kommt.

Die Auflösung wird überraschen.


Fazit

Das fünfte Mädchen ist weniger Thriller als Portrait einer ungewöhnlichen Geschwisterliebe - einfühlsam, eindringlich und zutiefst bewegend. Gillian Philip beweist ein ungewöhnliches Gespür für ihre Charaktere und schildert in mitunter wunderschönen Bildern und Worten das Drama eines Verlusts.


Pro/Contra

+ facettenreiche Charaktere
+ Beziehung zwischen Jinn und Ruby
+ beeindruckende Bildsprache
+ Aufklärung der Serienmorde

Bewertung: alt

Charaktere: 5/5
Handlung: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 5/5