Love - Der Tiger (Frederic Brremaud, Federico Bertolucci)

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Verlag: Tokyopop (Mai 2013)
Hardcover, 73 Seiten, 14, 95 Euro
ISBN-13: 978-3842007956

Genre: Natur/ Poesie


Klappentext

Eine paradiesische Hölle
Dschungel…Das Wort weckt in uns Bilder von einem natürlichen Lebensraum, in dem die Welt noch unberührt und in Ordnung ist. Aber auch jene von einer Hölle, in der wilde Tiere aller Arten leben und einander bekämpfen.

Ausgezeichnet mit dem Spezialpreis der Jury des Comic – Festivals in Lucca 2011.


Rezension

In der heutigen Gesellschaft ist es kaum vorstellbar, wie ein Stück Natur ohne jeglichen menschlichen Einfluss wohl aussehen mag. Keine Gebäude, keine Einkaufszentren, nicht der geringste mediale Einfluss. Für die einen die Hölle, für die anderen das Paradies schlechthin.

Love - Der Tiger gibt dem Leser einen Einblick in eine Welt, die nur von Tieren beherrscht wird. In diesem Auftaktband darf man dem Alltag eines Tigers folgen, der durch seine Nahrungssuche in verschiedenste Gefahren und Situationen gerät. Was für den Menschen wohl nach Gefahr aussieht, ist für den Tiger eher ganz normaler Alltag. Nicht immer möchte ihm alles gelingen, nicht jede Beute ist sofort gefangen und nicht immer kann man aus jedem Kampf als Sieger hervorgehen. Geduld ist eine Tugend, die der Tiger in dieser epischen Geschichte transportiert. Letztendlich zeigt der Verlauf des Inhalts, dass Natur sich selbst überlassen, besser gedeihen und sich entwickeln kann. Im letzten Augenblick bekommt auch der Mensch augenscheinlich eine kleine Rolle zugewiesen, jedoch wird sie im Geiste des Augenblicks und der Interpretation des jeweiligen Panels enorm wichtig für die Moral.

Der Comic ist im Prinzip ein wunderschönes Bilderbuch, das den Leser bzw. den Betrachter völlig vereinnahmen kann. Der Inhalt kommt gänzlich ohne Text aus, da Tiere, ausgenommen in Geschichten des Funnystils, keine Monologe und Dialoge benötigen. Sie wissen, was sie wollen und fragen nicht danach. Sie beschaffen sich lediglich die Dinge, die sie wirklich zum (Über -)Leben brauchen und nicht mehr. Ein Alltag in der Tierwelt ist ein utopisches Idealbild für den Menschen, denn wir wollen auch dann etwas haben, wenn wir es gar nicht unbedingt nutzen oder zur Befriedigung des Selbsterhaltungstriebes haben müssen. Im Gegensatz zum dargestellten Tiger, ist der Mensch ein kurioses Geschöpf. Nachdem es dem Tiger nicht gelingt, seine Beute zu Beginn zu erlegen, gibt er nicht auf und sucht weiter, bis er fündig wird und nimmt jede Gefahr auf sich. Der Großteil der Menschen hätte wohl eher aufgegeben und sich ins Land des Selbstmitleids begeben. Warum der Tiger nicht? Ganz einfach: Für ihn gibt es Aufgeben nicht. Er sucht und jagt solange, bis er seinen Hunger stillen kann. Dabei kommt es durchaus auch vor, dass er vielen Tieren öfters als einmal begegnet. In diesem Comic hat diese Tatsache einen fast schon romantischen Unterton, denn es zeigt, dass es in der Tierwelt sowohl Freundschaft, als auch Feindschaft gibt. Das Attribut, welches beiden Phänomenen zukommt, ist Ehrlichkeit, denn der Tiger weiß, warum er den Affen fressen will und ihn nicht als Freund neben sich haben kann. Genauso der Affe. Er weiß, dass der Tiger kein guter Kumpel für Abenteuer im Dschungel ist, sondern höchste Gefahr ausstrahlt. Ein Tier kann nicht lügen. Es kann listig und schlau sein, aber es ist seinem Gegenüber in seinen Absichten immer ehrlich – ohne Ausnahme. In der Welt des Menschen dürfte dies, wohl mit einigen Ausnahmen,  meistens nicht der Fall sein.

Besonders hervorstechend sind bei diesem Werk die unglaublichen Zeichnungen von Federico Bertolucci. Zuerst das Cover und schließlich von der ersten Seite an, wird dem Betrachter diese atemberaubende Finesse vorgelegt und sie lässt keineswegs nach. Viele der Zeichnungen sehen aus wie geschossene Fotos. Bei der Abbildung eines Wasserfalls hat man den Eindruck ihn zu hören und zu spüren, als würde man buchstäblich unter ihm stehen und das kühle Wasser und die Natur drum herum genießen. Die Darstellung des Tigers ist wohl durchdacht, da jede Linie, jeder Schatten ihn echt wirken lassen. Seine Bewegungen sind zu jeder Zeit logisch nachvollziehbar. Was für den Tiger gilt, gilt natürlich auch für alle anderen Bewohner des Dschungels. Kommt es zu Kämpfen, so wird der Fokus auf die jeweiligen Akteure gelenkt. Der Hintergrund wird farblich so verziert, dass er nicht vom Hauptgeschehen ablenkt, aber trotzdem wichtig bleibt. Die Panels sind perfekt angeordnet und animieren immer wieder zum Verharren und Nachdenken. Cover und Titelbild harmonieren und korrelieren gut miteinander, obwohl das auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so zu sein scheint. Somit sind Titel, Cover, Inhalt und Zeichnungen wohl durchdacht. Sie folgen einem gemeinsamen roten Faden und bauen aufeinander auf.

Tokyopop hat einen wunderschönen Hardcoverband vorgelegt, der sein Geld allemal wert ist. Das I – Tüpfelchen sind dann die Bonusseiten, die einige Skizzen Bertoluccis präsentieren.


Fazit

Ein zeichnerisches und poetisches Meisterwerk, das zeigt, wie überflüssig Worte sein können und wie wunderschön die Natur ist – ohne den Menschen.


Pro/Contra

+Bertoluccis Zeichnungen
+ohne Worte
+ melancholisch, philosophisch, natürlich, ehrlich
+ der Tiger
+ preislich top

Bewertung:

Handlung:5/5
Charaktere: 5/5
Zeichnungen: 5/5
Lesespaß:5/5
Preis/Leistung: 5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln des von Frederic Brremaud, Federico Bertolucci:

Rezension zu Love – Der Fuchs
Rezension zu Brindilla Bd.1
Rezension zu Brindilla Bd.2