Jeanine Krock (21.08.2013)

Interview mit Jeanine Krock

zum Erscheinen von "Gib mir deine Seele"

jeanine krock2Literatopia: Hallo, Jeanine! Schön, wieder einmal mit Dir zu plaudern. Kürzlich ist „Gib mir deine Seele“ erschienen – ein dickes Buch, in dem sich die Phantastik dieses Mal zurückhält. Kannst Du für unsere Leser kurz umreißen, worum es geht?

Jeanine Krock: Hallo Judith, vielen Dank für die Einladung zum Gespräch.

In „Gib mir deine Seele“ stelle ich die junge britische Opernsängerin Pauline Roth vor die Frage, wie weit sie gehen würde, um ihre Ziele zu erreichen. Beruflicher Erfolg, Glück und die Liebe gehören dazu und es stellt sich heraus, dass sie ... Aber ich will nicht zu viel verraten. Es geht um Leidenschaft. Um die Suche der Künstler nach Perfektion, um die geheimnisvolle, häufig verstörende Kraft, die ihnen innewohnt und sie immer wieder bis an ihre Grenzen oder sogar darüber hinaus treibt. Das alles leicht verpackt in einen romantisch-erotischen Liebesroman.

Wir begleiten Pauline auf ihrem Weg durch Städte wie London, Paris, Barcelona oder Hamburg, der sie in die Riege der weltbesten Opernsängerinnen führt. Dabei werden wir beobachten können, wie sich ihr Leben verändert.

Daran ist ein gewisser Constantin Dumont nicht unbeteiligt. Der undurchsichtige Kunstmäzen bietet seine Unterstützung an, verlangt dafür jedoch bedingungslose Hingabe auf der Bühne – und in der Liebe. Anfangs zögerlich, dann immer mutiger lässt sich Pauline auf das verführerische Spiel aus Sex und Macht, Dominanz und Unterwerfung ein. Ein Spiel mit dem Feuer ...

Literatopia: Auch Deine Vampire und Engel waren eher dominante Männer. Inwiefern geht Constantin da noch weiter?

Jeanine Krock: Meine Vampire, Engel und Feen haben ihre Magie unübersehbar eingesetzt. Sie konnten beispielsweise Gedanken lesen, fliegen oder Blut trinken. Damit ist bei diesem Helden nicht zu rechnen. Seine Veranlagung lebt er jedoch auch in sexueller Hinsicht aus. Der anfangs schwer zu durchschauende Constantin ist zwar durchaus manipulativ, doch sollte er überhaupt über magische Talente verfügen, so wendet er sie jedenfalls nicht offensichtlich an und begegnet uns stattdessen ausgesprochen menschlich.

Wäre er ein Vampir, wüssten die meisten Leser so ungefähr, was sie zu erwarten hätten und würden ihn mit anderen Vampiren aus der Literatur vergleichen. So aber muss er seine Handlungen an menschlichen Maßstäben messen lassen und kommt uns dadurch sehr viel näher. Genau dies macht ihn für die Leser trotz seiner charmanten Art offenbar zu einem besonders unheimlichen Helden.

Literatopia: Hast Du viel recherchieren müssen, um die Opern- und Kunstwelt des Romans richtig darzustellen? Oder kanntest Du Dich bereits zuvor gut aus und wolltest schlichtweg einmal einen Roman mit dem Einfluss klassischer Musik schreiben?

Jeanine Krock: In meinem bisherigen Leben hatte ich häufig mit Künstlern zu tun. Privat und beruflich. Einige Musiker konnte ich also persönlich fragen, darüber hinaus habe ich Fachliteratur zurate gezogen. Meine einschlägigen Fragen zum Thema Dominanz/Unterwerfung hat mir „Gentledom“ (er betreibt eine Website unter diesem Namen) geduldig beantwortet. Zurück zur Oper. Es gibt klassische Musik, die ich – besonders live – recht gern höre, und ebenso gern höre ich Musikern und Künstlern zu, wenn sie über ihre Kunst sprechen, deshalb war die Recherche in diesem Bereich ein besonderes Vergnügen und hat mir nebenbei auch noch ermöglicht, mich weiter für diese Musik zu öffnen.

Literatopia: Wie ist bisher die Resonanz auf „Gib mir deine Seele“? Du meintest, der Roman polarisiert Deine Leserschaft?

Jeanine Krock: Sagen wir es mal so: Ich habe geahnt, dass nicht alle Leserinnen und Leser, die meine bisherigen Romane mögen, bereit sein würden, mir in die Welt von Pauline und Constantin zu folgen. Das ist natürlich schade, aber ein unvermeidbares Phänomen, das auch andere Autoren kennen, die sich gern ausprobieren. Im Idealfall gewinnt man neue Lesergruppen hinzu, so auch in diesem Fall, worüber ich mich natürlich sehr freue. Zahlreiche Rückmeldungen haben mir zudem gezeigt, dass LeserInnen, die vielleicht anfangs ein bisschen verwundert waren, dass ihnen die Magie in „Gib mir deine Seele“ allenfalls in homöopathischen Dosen begegnet, sich bald schon neugierig und mit Freude auf die Geschichte eingelassen haben. Es hilft übrigens auch, den Klappentext zu lesen, wir haben darin nichts verheimlicht.

Literatopia: In erotischer Hinsicht ist „Gib mir deine Seele“ sehr gewagt und vereint dabei Lust und Schmerz. Hast Du daher länger an den Erotikszenen geschrieben als bisher? Oder gingen sie Dir leicht von der Hand?

Jeanine Krock: Um Dominanz und Unterwerfung ging es durchaus schon in meinen vorherigen Romanen. Dass ich hier Lust und Schmerz in Beziehung zueinander gesetzt haben, hat natürlich auch literarisch einen Grund. Die Heldin ist als Opernsängerin in einer leidenschaftlichen Welt zu Hause, in der es um große Gefühle geht, die sich – natürlich nicht immer, aber doch gelegentlich – in Extremen äußern. Auch Spitzensportler, um ein ganz anderes Beispiel zu nennen, nehmen Schmerzen in Kauf, für einen kurzen Augenblick des ekstatischen Glücksgefühls, das sie beim Erreichen eines Ziels empfinden. Weiter oben habe ich über die unbezähmbare Leidenschaft gesprochen, die einen Künstler, Musiker, uns Schriftsteller antreibt – oder auch manch einen Handwerker, ich denke da an einen Geigenbauer, mit dem ich kürzlich sprach. Per aspera ad astra, steinig ist der Weg zu den Sternen.

Erotische Szenen gehen mir übrigens nie leicht von der Hand, sie bedürfen einer besonderen Sorgfalt. Zwischen Frühstücksbrötchen und Gassi gehen mit dem Hund ist keine gute Zeit, sich auf das Liebesleben meiner Protagonisten einzulassen.

Literatopia: Wann ist denn die beste Zeit? Und an welchen Stellen wird es besonders prekär?

Jeanine Krock: Erotisches schreibe ich am liebsten zu Zeiten, in denen ich ungestört bin und das ist meistens nachts oder in den frühen Morgenstunden. Dann mache ich es mir gemütlich und lasse den inneren Film ablaufen. Heikel finde ich nichts daran, ich schreibe ja nichts, was mir dabei zuwider wäre. Inzwischen habe ich ausreichend Übung, um recht schnell den – für mich – richtigen Ton zu finden.

Es ist nur manchmal irritierend, wenn ich darüber nachdenke, ob die Leser nachher glauben könnten, ich hätte das alles ausprobiert. Aber da muss man durch und als Autor macht man sich ja ohnehin auf die eine oder andere Weise vor seinem Leser nackt und verletzlich.

Literatopia: Die Premierenlesung zu „Gib mir deine Seele“ fand Anfang Juli in Braunschweig statt – wie war’s? Was haben wir verpasst?

Jeanine Krock: Toll! Das Ambiente im Roten Saal (Braunschweiger Schloss) ist sehr schön, der Veranstalter äußerst professionell, und wir hatten ein fantastisches Publikum zwischen siebzehn und siebzig. Ich sage wir, weil ich an diesem Abend nicht allein auf der Bühne stand. Kristina Günak (Kristina Steffan) hat charmant und souverän moderiert und Constanze Bauche (Sopran) hat unter anderem Paulines „Lied an den Mond“ für uns gesungen, begleitet wurde sie von ihrem Mann Burkhard am Klavier.

Im Anschluss durfte ich Bücher signieren. Wie immer hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, um mit den Besuchern ausführlicher sprechen zu können. Einige haben sich sogar an diesem Tag freigenommen, um dabei sein zu können. Das macht mich sehr froh.

Literatopia: Warum hast Du in „Gib mir deine Seele“ eigentlich das „Lied an den Mond“ ausgewählt? Hat es eine besondere Bedeutung für Dich?

Jeanine Krock: Das „Lied an den Mond“ hat mich zu der Eingangsszene, in der Pauline und Constantin sich kennenlernen, inspiriert. Wahrscheinlich können nur wenige Menschen dieses Lied hören ohne vom Gesang der jungen Nixe berührt zu werden. Ihr Sehnen nach Liebe ist so offensichtlich und passt sehr gut zu der jungen, anfangs etwas verloren durchs Leben irrenden Pauline. Auch Rusalka riskiert viel, um ihren Traum wahr werden zu lassen.

Literatopia: Welche Szene hast Du für die Lesung ausgewählt?

Jeanine Krock: Angefangen habe ich ... mit dem Anfang. Also mit der Szene, in der sich Constantin und Pauline in Venedig zum ersten Mal begegnen. Danach habe ich Paulines Freunde vorgestellt und die Zuhörer näher mit den beiden Hauptfiguren bekannt gemacht. Nach der Pause ging es dann nach Barcelona ins Gran Teatre del Liceu zu Paulines Premierenvorstellung als Micaëla in der Oper „Carmen“.

Die anschließende Premierenfeier mit einigen Highlights habe ich auch nicht ausgelassen. Zu einer kleinen Premierenfeier auf dem Dach des Braunschweiger Theaters haben sie alle an der Lesung Beteiligten, die Lust dazu hatten, am späteren Abend zusammengefunden. Das war sehr schön.

Literatopia: Flüchtig erinnert das Spiel aus Leidenschaft und Dominanz an „Shades of Grey“ – hatte Dein Roman vielleicht gerade wegen des Bestsellers jetzt eine Chance? Oder konnte sich der Verlag schon vorher für die Idee begeistern?

Jeanine Krock: Um zu wissen, was genau der Verleger an meiner Idee so sehr mochte, dass er „Gib mir deine Seele“ zu einem Spitzentitel gemacht hat, müsste man ihn selbst fragen. Ich kann nur sagen, dass das gesamte Team von Anfang an hinter der Idee stand und wir nach einer intensiven und äußerst aufregenden Zeit ziemlich stolz auf unser „Baby“ sind. „Gib mir deine Seele“ ist ein Herzensprojekt, das lange warten musste, bis ich gewagt habe die Idee aus der Schublade zu entlassen. Die Geschichte, das wusste ich von Anfang an, wollte atmen und ich bin allen Beteiligten sehr dankbar, dass sie genau dies zugelassen haben.

Literatopia: Deine Bücher werden immer dicker – werden wir bald auch einen Tausendseiter serviert bekommen? Und woran liegt es, dass Deine Romane zunehmend länger werden?

Jeanine Krock: Ich sehe schon den bangen Blick meiner Lektorinnen ...

Nein, das ist wohl nicht zu erwarten. Autoren sind keine Jukebox. Damit meine ich, dass Schriftsteller und alle anderen Schreibenden gut daran tun, sich selbst treu zu bleiben nicht darauf zu schielen, was „der Markt“ will. Das ist heute schwieriger als noch vor ein paar Jahren, weil man via Internet sehr viel mehr Kontakt mit zumindest einem Teil der Leser hat. Eine wunderbare Sache übrigens. Lesermeinungen zu hören, ist wichtig und erinnert mich immer wieder daran, wie unterschiedlich wir alle sind. Jede Geschichte hat ihre eigene Dynamik, sie schreibt Zeit und Raum vor – manchmal sogar dem Leser. Eine Binsenweisheit eigentlich, dass es Bücher für die morgendliche Bahnfahrt ins Büro gibt und andere, die man lieber in Ruhe auf einem bequemen Sofa oder im Bett liest.

„Gib mir deine Seele“ also ist so lang, wie ich es für richtig hielt und auch genau so geschrieben. Was nicht heißt, dass ich dieses Buch in ein paar Jahren womöglich nicht anders schreiben würde. Davon gehe ich sogar aus, denn alles andere würde Stillstand bedeuten. Eine grauenhafte Vorstellung.

Literatopia: Zu "Gib mir deine Seele" gibt es eine Leserunde im Leser-Welt-Forum - wie wars bisher? Hat der Roman auch dort die Leser polarisiert?

Jeanine Krock: Manchmal treffe ich auf Rezensenten, deren durchdachten Kritiken ich durchaus auch mit meinen Lektorinnen diskutiere. Das Wort dieser Kritiker – die einen Schriftsteller häufig über Jahre hinweg begleiten – hat begreiflicherweise ein größeres Gewicht, als ein paar anonym „dahingerotzte“ Sätze, die sicherlich verletzen können, aber zu sonst nichts taugen.

Im Leser-Welt-Forum gibt es eine Moderation und es wird auf respektvollen Umgang Wert gelegt. In einer solchen Atmosphäre höre ich genau hin, was die Leserinnen (ich nehme an, es war eine reine Frauenrunde) zu sagen haben und beantworte Fragen gern auch mal ausführlicher. Denn das Schreiben ist für mich ein ständiger Entwicklungsprozess, der vom täglichen Leben beeinflusst wird, von allen Sinnen und ganz besonders vom Zuhören.

Noch ist die Leserunde nicht vorbei. Natürlich gab es unterschiedliche Meinungen, aber vor allem einen für mich sehr anregenden Austausch mit und unter den Teilnehmerinnen.

Literatopia: Der dunkle Engel Lucian war bei Deinen Lesern schon immer sehr beliebt. Ende letzten Jahres erhielt er mit „Feuerschwingen“ seine ganz eigene Geschichte. War er auch schon immer einer Deiner Favoriten?

feenorakel neuJeanine Krock: Dieser unverschämte Teufel hat mich von Anfang an um den kleinen Finger gewickelt. Wer „Flügelschlag“ kennt, wird sich erinnern, dass in der ersten Hälfte Arian die Oberhand hat, sich Lucian aber in der zweiten ganz massiv versucht einzumischen. Er gehört definitiv zu den Romanfiguren, die schwer zu bändigen sind und sich immer wieder Freiheiten erlauben. „Feuerschwingen“ war zu jener Zeit noch nicht geplant.

Erst die Leserreaktionen zusammen mit der Tatsache, dass er ständig in meinem Kopf herumspukte, haben dazu geführt, dass ich auch seine Liebesgeschichte erzählen wollte. Glücklicherweise konnte sich auch meine Lektorin seinem Charme nicht entziehen und so beschlossen wir, dieses Buch zu machen.

Literatopia: In „Flügelschlag“ und „Himmelsschwingen“ wurde bereits angedeutet, dass sich bei Dir Himmel und Hölle nicht in Gut und Böse teilen lassen. „Feuerschwingen“ verdeutlichte dies einmal mehr und zeigt, dass es noch viel zu erzählen gäbe – wird es weitere Engel-Romane von Dir geben?

Jeanine Krock: Mir erscheint das Engelthema vorerst abgeschlossen. Sollten sich neue Aspekte ergeben oder ich eine Idee haben, die zu Lucian & Co. passt, würde ich aber gern wieder „geflügelte“ Geschichten schreiben.

Literatopia: Bekannt bist Du mit Deinen faszinierenden Vampiren aus der Licht & Schatten-Reihe geworden. Wann schenkst Du den Kreaturen der Nacht wieder eine eigene Geschichte?

Jeanine Krock: Das weiß ich nicht. Es gibt so viel zu erzählen und so wenig Zeit. Beim nächsten Roman, so viel kann ich immerhin schon sagen, wird wieder eine Liebesgeschichte im Mittelpunkt stehen und die wird garantiert magisch ...

Literatopia: Was hältst Du von diesem Trend, phantastische Romane bevorzugt als Trilogien und Reihen herauszugeben? Sollte es wieder mehr Einzelromane geben? Oder auch Reihen, bei denen man – wie bei Dir beispielsweise – die einzelnen Titel auch für sich stehen lassen kann?

Jeanine Krock: Wenn die Grundidee eine Trilogie oder Serie hergibt, warum nicht? Ich mag Einzelromane ebenso gern wie Serien oder Reihen. Doch ich kann gut verstehen, wenn Autoren Mehrteiler anbieten. Meist ist es dem Stoff geschuldet, kann aber unter Umständen auch wirtschaftliche Gründe haben. Dreibuchverträge geben eine Spur mehr Sicherheit in unsicheren Zeiten.

Eine Serie mit fünf oder mehr Bänden zu schreiben, könnte ich mir im Augenblick nicht vorstellen. Wie man aus meinen vorherigen Antworten erkennen kann, verbiete ich es mir möglichst, zu weit in die Zukunft zu planen. Das hat in meinem Leben noch nie funktioniert und ich bin durchaus lernfähig [lacht] Als Leserin bin ich offen für die unterschiedlichsten Konzepte und als Autorin verlangt es mich nach so viel Freiheit wie möglich. Disziplin, Handwerk und Durchhaltevermögen sind ohnehin schon ausgesprochen strenge Begleiter meines Berufs und für eine Träumerin wie mich Herausforderung genug.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Jeanine!

Jeanine Krock: Herzlichen Dank für Deine Zeit.


Autorenfoto: Copyright by Jeanine Krock

Autorenhomepage: www.jeaninekrock.de

Rezension zu "Gib mir deine Seele"

 
 
Rezension zu "Der Venuspakt" (Licht & Schatten Band 1)
Rezension zu "Die Sternseherin" (Licht & Schatten Band 2)
Rezension zu "Der Blutkristall" (Licht & Schatten Band 3)
Rezension zu "Das Feenorakel" (Licht & Schatten Band 4)

Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.