Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge (Bill Bryson)

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Goldmann (Mai 2013)
Broschiert, 640 Seiten (581 ohne Anhang)
ISBN 978-3442157556
€ 9,99 [D]

Genre: Sachbuch


Klappentext

Die Welt verstehen, ohne auch nur einen Fuß vor die Haustür zu setzen.

Warum leben wir eigentlich, wie wir leben? Warum stehen ausgerechnet Salz und Pfeffer auf dem Tisch, und warum hat unsere Gabel vier Zinken? Aber es bleibt nicht bei Geschichten von Bett, Sofa und Küchenherd. Die Geschichte des Heims ist auch immer eine der großen Entdeckungen und Abenteuer: ohne die Weltausstellung in London womöglich kein Wasserklosett und ohne die großen Entdecker kein Kaffee noch Tee noch Kakao zum Frühstück. Bill Bryson zeigt uns unser Heim, wie wir es noch nie gesehen haben. Und wir verstehen ein wenig mehr, warum es so ist, wie es ist.


Rezension

Das komfortable Leben, wie wir es kennen, ist überraschend jung und was wir als selbstverständlich betrachten, war jahrzehntelang undenkbar. Gerne vergisst man, dass vor der industriellen Revolution, die Menschen froh waren, wenn sie genug zu essen hatten, um über den nächsten Winter zu kommen. Es gab weder Strom für Licht noch eine anständige Lösung zum Heizen der Räume, ohne in einer Rauchwolke zu stehen. Fehlende (moderne) Technik sorgte in jeglicher Hinsicht für – aus heutiger Sicht – sehr schrullige Lebensgewohnheiten unserer Vorfahren. Das sind allerdings nur die offensichtlichen Themen, mit denen man sich befassen kann. Bill Bryson, der wohl lustigste Sachbuchautor der Welt, beantwortet aber auch die Fragen, die sich vermutlich kaum jemand gestellt hat. Wie der Klappentext schon verrät, wird auch geforscht, warum ausgerechnet Salz und Pfeffer auf unseren Tischen stehen, wie es dazu kommt, dass Gabeln vier Zinken haben, und warum das alte Haus – wie das alte Pfarrershaus, in dem der Autor lebt – eine Tür vom Dachboden zum Dach hat, aber keine Tür zum Dachboden?

Wenn man auf der Suche nach einem witzigen und kurzweiligen Buch ist, bewegt man sich in der Regel in einer Buchhandlung nicht unbedingt in die hinterste Ecke zu den Sachbüchern. Diese Gattung wird aber nur dann unterschätzt, wenn man den Namen, Bill Bryson, nicht kennt. Der Brite ist vermutlich einer von drei Menschen auf diesem Planeten, von dem man ein Buch über eine seiner Wanderungen durch die Pampa lesen würde (in „Picknick mit Bären“) oder einen Bericht einer Australienreise („Frühstück mit Kängurus“). Eher bekannt könnte das grandiose Buch „Eine kurze Geschichte von fast allem“ sein. In der er tatsächlich so ziemlich alles Interessante abdeckt, beginnend mit der Entstehung des Universums bis hin zur Gegenwart. Das ganze in einer für Laien geeigneten Sprache. Mit dem nun als Taschenbuch erhältlichen „Eine kurze Geschichte von alltäglichen Dingen“ veröffentlicht Bryson quasi einen Folgeband.

Nach einer kurzen, netten Einführung begründet er die Idee, über das heutige Leben zu schreiben, ohne dabei das Haus zu verlassen. Im übertragenen Sinne, versteht sich, denn als Leser wird man einmal quer über den Globus geschickt. Das Buch ist in die einzelnen Zimmer aufgeteilt und so hangelt sich Bryson von Eingangshalle über Küche durch alle Räume, die wir heute kennen. Das dient ihm als grober roter Faden, aber nicht immer gelingt es ihm, einen tatsächlichen Bezug zu der jeweiligen Räumlichkeit zu finden. Ganz problemlos gelingt das z.B. mit der Eingangshalle, über deren Geschichte er mannigfaltig Informationen aufwartet, wohingegen im Kapitel „Keller“ nicht erwähnt wird, seit wann es den gibt, oder ob er ursprünglich anderen Zwecken diente, sondern es handelt in erster Linie von der Erfindung des Betons, dessen historisch wertvolle Anwendung usw., ohne dass Bryson den Weg zum eigentlichem Thema zurück findet. Man sollte sich also nicht zu sehr darauf versteifen, wirklich immer etwas über die Zimmer zu erfahren. Sie stehen vielmehr als Symbol für Themen. Entsprechend nahrungslastig ist das „Esszimmer“ und im Kapitel „Arbeitszimmer“ geht es erst um Mäuse – weil in seinem Haus dort immer wieder welche sind – woraufhin er sich zu Ratten, Fledermäusen und irgendwie auch zu Heuschrecken hangelt. Warum manche Fakten erzählt werden, ist also nicht immer nachvollziehbar. Was dem Spaß aber keinen Abbruch tut, denn informativ sind sie allemal. Gerade die Essensgewohnheiten der damaligen Zeit sind beeindruckend.

Bryson beherrscht es wie kein anderer, exorbitante Zahlen, Mengen und Größen, die am Vorstellungsvermögen eines Normalsterblichen weit vorbeigehen, in eine Relation zu bringen, die man visualisieren kann. Und selbst wenn nicht, bietet das Buch Gründe zum Schmunzeln und Kopfschütteln zuhauf, z.B. wenn das erste Mal Tee (importiert aus China) im Vereinten Königreich auftaucht und die Blätter (zumindest einmal) als Brotaufstrich genutzt wurden.
Im Gegensatz zu „Eine kurze Geschichte von fast allem“ sind die Themengebiete nicht so Grenzen sprengend und wer sich für Architektur nicht interessiert, wird sich womöglich etwas durchkämpfen müssen. Immerhin geht es um das Haus, somit handeln die meisten Fakten von Architekten, Möbelbauern, Eisenbahn- und Stahlmagnaten. Von exzentrischen, überreichen Geschäftsleuten und Adeligen, die sich monströse Villen und Gärten bauen ließen. Von Weltenbummlern und Visionären. Dabei werden etwa 200 Persönlichkeiten vorgestellt, die man sich niemals merken kann. aber dafür hinten im Namensregister nochmal stöbern kann. Durch die Zeitsprünge ist es manchmal schwer, zu erkennen, in welchem Jahr man sich gerade befindet und ebenso anspruchsvoll gestaltet es sich, manchen Überschneidungen zu folgen.


Fazit

Mit „Eine kurze Geschichte von alltäglichen Dingen“ erfreut Bill Bryson seine Leser ein weiteres Mal mit einer Unzahl von Fakten und Anekdoten. Dieses Mal rund um das moderne Haus und dessen Wandlung über die letzten Jahrhunderte. Zwar erreicht das Buch nicht ganz das Niveau seines Vorgängers, aber es bleibt immer unterhaltsam und kurzweilig, nur der rote Faden ist nicht immer leicht zu finden.


Pro und Kontra

+ verblüffende Tatsachen
+ Bryson Art, Wissen zu vermitteln
+ humorvoll

o viele, viele, viele Namen und Daten

- die Zimmeraufteilung als Buchstruktur klappt nicht immer

Beurteilung: alt

Handlung: 4/5
Charaktere: -/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4,5/5