Rezensionen im Oktober (2013)

Liebe LeserInnen,

viel zu schnell verging auch der Buchmessenmonat und nun geht es mit großen Schritten schon wieder in Richtung Jahreswechsel. Die ruhigen und besinnlichen Tage halten Einzug, sodass sich noch mehr Gelegenheiten für ausgiebige Schmökerstunden ergeben werden. Trotz Buchmessebesuch hat unser Team auch im Oktober wieder reichlich gelesen und rezensiert – eine kleine Auswahl von den mehr als fünfzig Besprechungen findet ihr hier. Viel Spaß beim Stöbern!



Belletristik

alt"Die drei Leben der Tomomi Ishikawa" ist ein kleines, sprachgewaltiges Kunstwerk der Literatur. Teilweise sehr verwirrend, in Ansätzen ziemlich exzentrisch, durchweg sprachlich anspruchsvoll, stellenweise langatmig, jedoch definitiv durchweg lesenswert – Benjamin Constable hat einen Roman geschaffen, der sich in kein klares Genre einordnen lässt, aber jeder Zielgruppe ein kleines Stück Zufriedenheit bieten kann, wenn man sich auf das nicht ganz einfache Abenteuer einlässt.

Ben Marcus behandelt in seinem zweiten Erzählungsband "An Land gehen" moderne Sprache, Kommunikation und die Wirkungen auf die menschliche Psyche. Dies macht er komisch wie auch ernsthaft, bisweilen surreal. Erzählt wird traditionell wie auch experimentell. Marcus verbindet das Mysterium mit der Sprache, die er wörtlich nimmt, auseinanderbaut und auf ihre Bedeutung untersucht. Er lässt sich neue Begriffe und Phrasen für bekannte einfallen, die plötzlich fremdartig wirken. Kaum ein Schriftsteller hat je so die Grenzen dessen ausgelotet, was ein Satz sein kann und zu was Sprache in der Lage ist.

Historik

"Rückkehr nach Somerton Court" von Leila Rasheed ist ein schwacher Historical, welchen es schon oft gab. Langatmigkeit und fehlende Tiefe zeichnen sowohl Charaktere als auch die Handlung des Romans, welcher mit einem riesigen Cliffhanger den Leser mehr als unbefriedigend zurücklässt. Hier sieht man wieder: Ein Bestseller-Status sagt nichts über die Qualität des Inhalts aus. Fans der Historik sollten ihre Zeit dann doch lieber anderen Romanen des Genres zuwenden.

Dark Fantasy

Boris Strugatzki hat mit "Die Ohnmächtigen" einen phantastischen Roman geschrieben, der in der Gegenwart spielt und ein düsteres Porträt der russischen Gesellschaft liefert. Keine Science Fiction, wie die Werke mit Bruder Arkadi. Vielleicht intellektuelle Dark Fantasy mit starkem Märchen- und Horroranteil.

Fantasy

altDie Fans von Erdwelt werden sich freuen. Michael Peinkofer einführt seine Leser mit "Die Könige - Orknacht" in ein weiteres Kapitel des Fantasy-Reichs – ein düsteres, unheilvolles Kapitel. Natürlich dürfen die beiden Orkbrüder Rammar und Balbok nicht fehlen. Mittlerweile etwas in die Jahre gekommen, betraut Peinkofer die ehemaligen Weltenretter mit einer ungewöhnlichen Aufgabe, während sich die letzten Helden der Menschheit formieren, um den tyrannischen Zwergenkönig Winmar und die böse Macht in seinem Schatten zu stürzen. Ein blinder Herzogssohn, ein alter Druide, ein Hügel-Clan und ein aufrührerischer Zwerg wagen den Versuch – Unterhaltung auf hohem Niveau!

"Metamorphose am Rande des Himmels" ist ein grandioses Märchen über die Macht der Liebe und der Träume. Im Angesicht des Todes begegnet Tom Cloudman einer Frau, die seinen Lebenswillen neu entfacht und ihm ein neues Leben schenkt. Mathias Malzieus Bilder sind dabei wieder einmal kraftvoll, außergewöhnlich, wunderschön und skurril.

Science Fiction

Was für eine Fortsetzung! Normalerweise dient der Mittelteil von Trilogien oftmals nur der Überbrückung vom ersten zum dritten Band. Doch Ursula Poznanski zeigt mit "Die Verschworenen" ganz deutlich, dass es auch anders gehen kann. Eine spannend gestartete Geschichte wird hier atemraubend fortgeführt und kann mit teilweise wirklich überraschenden, teilweise aber auch erwarteten oder vielmehr erhofften Wendungen bis zur letzten Seite fesseln. Und ein gemeiner Cliffhanger macht die erneute Wartezeit zu einer weiteren Qual, die allerdings bittersüß ist. Eine eindeutige Leseempfehlung für diese dystopische Reihe, die nicht nur Jugendliche zu unterhalten versteht!

"Das geraubte Paradies" ist der krönende Abschluss einer Trilogie, die durch ihre komplexe Welt aus der Masse der Dystopien heraussticht. Alle drei Bände bieten jeweils ein gänzlich neues Setting und Bernd Perplies gelingt es, alle Handlungsfäden zu einem hochspannenden und zufriedenstellenden Finale zu verweben. Kurz gesagt: herrlich atmosphärisches, hochdramatisches und mit Humor aufgelockertes Kopfkino.

Thriller

alt"Home Run" von John Grisham ist eine fesselnde Geschichte abseits der Justiz und trotzdem ein echter Grisham. Denn Spannung kann er auch auf dem Baseballfeld erzeugen – sogar für deutsche Leser.

Leslie Parrish hat in "Der Klang des Verderbens" eine Chance verpasst, das Ruder nach dem ersten schwächelnden Teil noch herum zu reißen. Endlose Wiederholungen und schwache Charaktere erzeugen gähnende Langeweile, lediglich das Motiv des Täters lassen noch eine gewisse Spannung und Überraschung zu.

Krimi

Donald Ray Pollocks Roman "Das Handwerk des Teufels" erzählt eine verstörende und mitreißende Kriminalgeschichte vor dem Hintergrund einer epischen Auseinandersetzung über den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, Rache und Gerechtigkeit, Erlösung und Verdammnis. Inhalt, Form und Sprache sind perfekt aufeinander abgestimmt.

Massimo Carlotto erzählt in "Die Marseille-Connection" eine Geschichte aus der globalisierten Welt der organisierten Kriminalität, die viele überprüfbare Details verarbeitet. Die Dromos-Gang besteht aus vier jungen Gangstern, die intelligent sind, gut ausgebildet, und das Verbrechen für ein Spiel halten, in dem man nur die Regeln verstehen und besser sein muss als die Gegenspieler, um an sehr viel Geld zu kommen.

Comic

"Nosferatu – Para Bellum" ist ein würdiger Abschluss der Geschichte über Nosferatu, Erick, Vladica und die Nemrods. Action, Spannung und Charakterentwicklung plus eines gut ausgearbeiteten Hintergrunds gehen Hand in Hand. Unterstützt wird Oliver Perus Geschichte von den schön anzusehenden Zeichnungen von Stefano Martino.

"Das Versprechen im Morgengrauen" ist eine spannende Fortsetzung von Shanghai, die aber nicht ganz mit dem ersten Band mithalten kann. Die spannende Frage ist, welche Richtung Mathieu Mariolle und Yann Tisseron mit dem dritten abschließenden Band einschlagen werden. Jades und Yu Xins Weg zu verfolgen, lohnt sich auf jeden Fall.

Manga

alt"Skull Party" ist ein origineller Mix aus Dystopie, Fantasy und Horror, der sich neben der actiongeladenen Story überraschend ernsthaft mit dem Klimawandel auseinandersetzt. Emil ist ein rebellischer Protagonist, pessimistisch bis aufs Blut und trotzdem menschlicher als die ruhiggestellten Menschen um ihn herum. Melanie Schober hat einen spannenden und vielversprechenden Auftakt hingelegt, der im Detail noch etwas holpert, aber auf eine wilde und außergewöhnliche Reihe hoffen lässt.

"Drachentraum" legt einen phantasievollen und actionreichen Start hin: Die Geschichte um den Drachenjungen Kiya und seinen behinderten, aber dadurch nicht weniger gefährlichen Mentor T.J. verfügt über großes Potential, das das Zeichnerduo Akira Himekawa hoffentlich ausschöpfen wird. Ein rundum gelungener Auftaktband, der eine originelle und mitreißende Reihe verspricht!

Sachbuch

Ein überaus spannendes Thema hat Michael Tsokos in "Die Klaviatur des Todes" aufgegriffen – anhand von echten Fällen berichtet der Rechtsmediziner, wie es wirklich in einem Obduktionssaal zugeht, und macht deutlich, dass die Realität nur in wenigen Punkten mit dem übereinstimmt, was in einschlägigen TV-Serien weisgemacht wird. Manchmal etwas lieblos erzählt, manchmal mit Wiederholungen, aber durchweg interessant – eine Leseempfehlung für alle, die im Thriller-Genre Zuhause sind und sich ein wenig mehr mit den Hintergründen beschäftigen möchten.

Sonstiges

Mit "Die Geisterverschwörung: Mara deckt auf" liefert Susanne Mittag eine stimmungsvolle Abenteuer-Geschichte, an der sich sowohl Jungen als auch Mädchen im frühen bis mittleren Teenageralter erfreuen dürfen. Interessante Charaktere sowie die Geschichte um das Geheimnis um den Geisterjäger Prometheus Schröder bietet gute Unterhaltung, die mit einem überraschenden Ende begeistern dürfte.



Das war’s auch schon wieder mit unserem Rückblick für den Oktober. In den kommenden vier Wochen haben wir ebenfalls einige tolle Neuerscheinungen, aber auch ältere Titel für euch im Programm. Wem die Wartezeit zwischen den einzelnen neuen Rezensionen zu lag dauert, der ist wie immer herzlich eingeladen, sich in unserer Übersicht selbst ein bisschen umzuschauen – auch hier lohnt sich immer wieder ein Blick.

Wir wünschen euch einen kuschelig-kalten und lesereichen November,
euer Literatopia-Team