Der glücklose Therapeut (Noam Shpancer)

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Knaus Verlag (September 2013)
gebunden, mit Schutzumschlag
256 Seiten, € 19,99
ISBN: 978-3-8135-0507-8

Genre: Belletristik


Klappentext

Zum Psychologen David Winter kommen Menschen, die nicht mehr weiter wissen. Meist gelingt es ihm auch, seinen Patienten den Weg zu einem zufriedeneren Leben zu weisen. Doch dann übernimmt er den Fall des depressiven Versicherungsangestellten Barry Long und ist zum ersten Mal in seinem Berufsleben überfordert. Als auch seine Familie ihm immer mehr entgleitet, ringt er verzweifelt um Kontrolle – und begeht eine therapeutische Todsünde.


Rezension

Mit „Der glücklose Therapeut“ stößt Noam Shpancer die Tür in eine Welt auf, die für den „normalen“ Menschen unbekannt, ja beinahe befremdlich sein mag. Und genau dieses „Befremdliche“ setzt er gekonnt dazu ein, den Leser zu faszinieren und sich mit seinen Themen auseinander zu setzen. Hierzu wird dem Leser der Psychologe David Winter zur Seite gestellt; als Protagonist und Ich-Erzähler ist er gewissermaßen der Reiseleiter auf diesem Ausflug in die unbekannte Welt.
Sehr gut werden hierbei die Chancen der Ich-Perspektive ausgenutzt: Mit Winter schafft der Autor einen sympathischen Charakter, der mit seiner ruhigen und oft auch melancholischen Art sehr schön durch die Handlung führt, an den richtigen Stellen interessante Hintergründe liefert und auch über sich selbst so einiges offenbart. Durch den Charakter David Winter kreiert Shpancer nun auch die Atmosphäre seines Romans, denn alle Eindrücke, die der Leser gewinnt, sind durch den Protagonisten gefilterte Eindrücke. Und dieser ist nun einmal recht melancholisch veranlagt – beinahe liest sich der Roman wie ein schummriger Schwarz-Weiß-Film. Das muss nicht jedem gefallen, ist aber überaus stimmungsvoll.

Alles beginnt mit Barry Long, einem scheinbar normalen Klienten, an dem sich Winter zunehmend die Zähne ausbeißt. Als ihm auch sein Privatleben zu entgleiten droht, gerät er immer tiefer in einen Strudel aus Gedanken und Handlungen, die für diesen ruhigen und bedachten Menschen mehr als ungewöhnlich scheinen. Durch viele Rückblenden lernt man dabei den Menschen David Winter immer näher kennen. Nach und nach ergibt sich so ein ausgezeichnetes, tiefgründiges und vor allem glaubhaftes Porträt des Protagonisten. Und dieses ist auch vonnöten für das, worum es in dem Roman eigentlich gehen soll: Um David Winter und ausschließlich um ihn. Denn je weiter man mit der Lektüre voranschreitet, desto öfter fragt man sich, ob Winter wirklich so ist, wie man bisher annahm; ob er dem Leser nicht vielleicht etwas verheimlicht, vorenthält, ihn dadurch mit seinen Schilderungen gar auf seine Seite ziehen will. Dieses Spiel mit dem Leser gelingt Shpancer sehr elegant, sodass die ohnehin schon kurzweilige Lektüre um eine weitere interessante Komponente erweitert wird. Zusammen mit den interessanten Einblicken in die Arbeit eines Therapeuten – ein Teil des Romans, der vom entsprechenden Fachwissen des Autors stark profitiert - entsteht so ein wirklich rundes Gesamtbild. Präsentiert wird dieses auf ganz und gar unspektakuläre Art und Weise – denn Spektakel hat „Der glücklose Therapeut“ an keiner Stelle nötig. Ruhig und unaufgeregt präsentiert Shpancer, was er zu präsentieren hat und verarbeitet seine Ideen somit zu einem ausgewogenen Leseerlebnis.


Fazit

Ein stimmungsvoller und atmosphärischer Einblick in die Welt der Psychologie, der durch den starken Protagonisten, seine Gefühle und Ängste umso authentischer wird.


Pro & Kontra

+ schöner Einblick, wie die Arbeit eines Therapeuten aussehen könnte
+ Protagonist glaubhaft und passend
+ atmosphärisch und stimmungsvoll

Wertung: alt

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3/5