Die Brüder (Jan Guillou)

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Heyne Verlag (September 2013)
gebunden, mit Schutzumschlag
432 Seiten, EUR 19,99
ISBN: 978-3-453-26840-1

Genre: Historik


Klappentext

Bildgewaltig und faszinierend – das große Jahrhundertabenteuer geht weiter

Aus den drei Fischerjungen Lauritz, Oscar und Sverre sind die besten Brückenbauer des Landes geworden. Doch Sverre, der Jüngste, wird seinen Brüdern nicht nach Norwegen folgen. So sehr er sich auch wünscht, am ehrgeizigsten Ingenieursprojekt des Landes – dem Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Bergen und Oslo – mitzuwirken, die Gefühle sind stärker. In einer Nacht- und Nebelaktion folgt Sverre seiner großen Liebe nach England. Unbeschwerte Monate folgen.
Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer.


Rezension

Dies ist die Geschichte des verschollenen Bruders: Sverre. Jenes „Sodomiten“, der im Vorgänger Die Brückenbauer sang- und klanglos verschwand. Und diesen Vorgänger sollte man sich vor der Lektüre von „Die Brüder“ auch unbedingt zu Gemüte führen – nicht nur, weil es sich lohnt, sondern auch, weil die Geschichte nur so eine Einheit ergibt.
Man darf also mehr als gespannt sein: Guillou mit seinem geschickten Händchen, was die Darstellung der Gesellschaft im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert betrifft, nimmt sich dem absoluten Tabuthema dieser Epoche an – und legt damit im Vergleich zum Vorgänger in dieser Hinsicht sogar noch zu. War nämlich in „Die Brückenbauer“ noch eine ausgewogene Mischung aus gesellschaftlichen und „technischen“ Themen anzutreffen, so liegt der Fokus diesmal eindeutig bei den gesellschaftlichen Problemen Sverres. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn seine Homosexualität ist natürlich um einiges heikler, als beispielsweise Lauritz‘ unstandesgemäße Liebesgeschichte.

Mit sehr viel Feingefühl erzählt Guillou nun also die Geschichte von Sverre, der während seines Studiums den eloquenten englischen Adligen Albie kennen lernt und sich in diesen verliebt. Und so zieht Sverre dann auch nach Abschluss seines Studiums auf dessen Landsitz in England, wo die beiden eine Ingenieursfirma gründen wollen. Und auch, wenn diese anfänglich ein Thema ist – wie gewohnt mit interessanten und gut recherchierten Fakten – so muss sie doch bald in den Hintergrund treten für die Geschichte, die Guillou diesmal eigentlich erzählen will. Die gut funktionierende Balance aus eher „technischen“ Themen auf der einen und eher sozialen Themen auf der anderen Seite kommt so diesmal zwar nicht zustande – das ist aber nicht weiter schlimm. Denn natürlich hat Guillou für diese technischen Themen einen würdigen Ersatz gefunden: Die Kunst. Schnell wird dieses Thema zu einem zentralen Aspekt der Geschichte; immer tiefer tauchen die Protagonisten ein in die Kunstszene. Diese Themenwahl kommt natürlich nicht von ungefähr, eignet sie sich doch sehr gut als Basis für das Drama, das sich nun entfaltet. Denn als „Freigeister“ – nicht nur in sexueller Hinsicht – verkehren die beiden Protagonisten bald in Kreisen, deren Kunstgeschmack angesichts der politischen Entwicklungen im England vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein enormes Risiko darstellt. Wieder einmal kann Guilou an dieser Stelle sein Geschick, was die Beschreibung von politischen Entwicklungen betrifft, voll ausspielen. So steht der gesamte Roman – wieder einmal – ganz im Zeichen der Veränderungen, die das neue Jahrhundert mit sich bringt. Wurden im ersten Band hauptsächlich technische Entwicklungen beschrieben, so geht es diesmal verstärkt um die gesellschaftlichen. Gekonnt entsteht das Bild des englischen Adels im Wandel: glaubhaft und immer wieder mit interessanten Beispielen unterlegt.

Und auch handlungstechnisch braucht sich „Die Brüder“ nicht zu verstecken. Dank eines angenehmen Erzähltempos und eines soliden Spannungsbogens, der sich eher auf interessante Wendungen und Ereignisse, als auf „Action“ stützt, bietet dieser Roman eine kurzweilige Lektüre, die dabei stets ihrem historischen Anspruch gerecht bleibt. Dank seiner weiterhin authentischen Beschreibungen - seien es Schauplätze oder Ereignisse – hat der Leser stets ein lebhaftes Bild vor seinem inneren Auge.
Bis hierhin steht also „Die Brüder“ seinem Vorgänger in nichts nach. Wären da nicht die beiden Protagonisten, die leider allzu oft unglaubwürdig vorteilhaft dargestellt werden. Warum nicht auch mal ein paar Ecken und Kanten einbauen, anstatt dem Leser zwei Gutmenschen vorzusetzen, denen alles auf Anhieb gelingt?


Fazit

Mit „Die Brüder“ klärt Guilou das Rätsel des verschollenen dritten Bruders auf; seine Geschichte ist bewegend und wartet wieder einmal mit vielen interessanten historischen Details auf.


Pro & Kontra

+ wieder einmal geschickte Präsentation von historischem Stoff
+ anschaulich und spannend
+ angenehmes Erzähltempo
+ anderer Fokus als im Vorgänger ermöglicht eine neue Perspektive auf die Epoche

- Charaktere, insbesondere Protagonisten zu glatt und zu „perfekt"

Wertung: alt

Handlung: 4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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