Wildnis (Valentin Zahrnt)

Kindle Edition
E-Book, ca. 218 Seiten, € 2,99
Sprache: Deutsch
ASIN: B00CR3P33C

Genre: Thriller


Klappentext

Abitur! Drei Jungs überreden drei hübsche Mädchen ihrer alten Stufe zu einer Reise. In die entlegenste Wildnis Alaskas. Für einen Sommer der Freiheit.
Sie wandern und jagen, baden und fischen – und durchbrechen die Grenzen der Zivilisation, mit der sie nichts verbindet als ein Funkgerät und das Wasserflugzeug, das sie in vier Wochen abholen soll.
Doch sind die Jugendlichen wirklich so einsam und unbeobachtet, wie sie sich während der ersten, enthemmten Tage fühlen? Die Bedrohung rückt näher. Und sie kommt nicht nur aus den malerischen Wäldern.


Rezension

Urlaub in Alaskas Wildnis, fernab aller Zivilisation. Eine originelle und abwechslungsreiche Weise, das frisch bestandene Abitur zu feiern. Doch was den drei Mädchen und Jungen zunächst wie ein spannendes Abenteuer erscheint, entwickelt in kürzester Zeit eine bedrohliche Eigendynamik - und das ist nicht die einzige Gefahr, die den Jugendlichen zum Verhängnis zu werden droht ...

Die Idee, eine bestimmte Anzahl von Menschen einem geschlossenen Umfeld auszusetzen, um zu sehen, welche Wege die Gruppendynamik nimmt und wie lange es dauert, bis das Sozialverhalten entgleist, ist nicht neu und hat in psychologischen Experimenten bereits zu verstörenden Ergebnissen geführt. Als Basis eines Thrillers ist dieser Stoff optimal geeignet, bietet er doch neben dem Spannungselement eine Steilvorlage für tief greifende und komplexe Charakterstudien. Allerdings ist die Thematik nicht ohne und verlangt vom Autor viel Fingerspitzengefühl.

Die Story startet flott, temporeich und weckt die Lust des Lesers, das Abenteuer mitzuerleben. Auch die Protagonisten wirken interessant, sodass man sie gerne näher kennenlernen möchte. Es wird klar, dass hier sechs völlig unterschiedliche und zum Teil hochgradig komplizierte Charaktere aufeinandertreffen, was das Augenmerk sehr bald auf das erste Manko lenkt: Die Figuren hätten gründlicher herausgearbeitet werden müssen. So fragt man sich bei einigen Personen, warum sie die Reise überhaupt mitmachen, denn nach der ersten Vorstellung passt ein derartiger Trip weder in ihre Planung noch zu ihrer Mentalität. Die gelieferten Erklärungen sind zu dürftig und vermögen nicht zu überzeugen.
Statt dass sie mehr Tiefgang entwickeln, flachen die Charaktere immer weiter ab, bis sie beinahe schon auf das Niveau von Stereotypen absinken. Die Naive, das Luder, der Fiesling und so weiter,  und die jeweiligen Entwicklungen passieren so schnell, dass man stellenweise glaubt, man hätte irgendwo eine Schlüsselszene überlesen. Auf diese Weise ist es für den Leser sehr schwer, zu den Figuren eine Verbindung aufzubauen. Würde sich das über einen längeren Zeitraum erstrecken, hätte man die Beweggründe ausführlicher, nachvollziehbarer und damit glaubwürdiger gestalten können. Auch hätten sie dadurch die nötige Plastizität gewonnen.

Ein wenig zu viel Gewicht liegt auf den allabendlichen Saufgelagen. Das Essen ist nicht halb so wichtig wie die Frage, wann man beispielsweise von Rum auf Martini mit Zitrone umsteigt. Zu einer Gruppe von Jugendlichen auf Abenteuerurlaub in der Wildnis will eine derartig gut gefüllte Batterie von Alkoholika aller Art nicht so richtig passen. Zudem drängt sich der Verdacht auf, dass anstatt einer gründlichen Charakterstudie ein ordentlicher Rausch als Erklärung für den einen oder anderen Vorfall herhalten musste.

Der eigenartige und geheimnisvolle Auftritt einer neuen Nebenfigur macht auf die Clique kaum Eindruck und verläuft im Sande; es finden sich auch noch weitere gut gelungene und spannende Ansätze, ohne dass diese dann wirklich ausgeschöpft worden wären. Nach und nach summiert sich deswegen beim Leser das Gefühl des Unbefriedigtseins. Seltsam erscheint zudem, dass die deutschen Kids mit ihrem frischen Schulenglisch in der hintersten Ecke von Alaska nicht die geringsten Sprachprobleme haben. Kein gravierender Schnitzer, aber das sind so Kleinigkeiten, die zusätzlich an der Glaubwürdigkeit nagen.

Gegen Ende steigert sich das Tempo weiterhin, der Schluss liest sich gehetzt und beinahe schon lieblos, wodurch die Spannung ziemlich zum Erliegen kommt. Da man als Leser die Charaktere nur sehr distanziert betrachtet, lässt einen ihr Schicksal relativ unberührt, und selbst für den ersten Band einer Trilogie bleibt zu vieles in der Luft hängen. Auf die beiden Folgebände will sich dann auch weder richtige Vorfreude noch echtes Interesse einstellen. Wirklich extrem schade um so viele verschenkte Möglichkeiten.


Fazit

Das umfangreiche Thriller-Potenzial wurde hier nicht ausgeschöpft. Was vom Stoff her das Zeug zu einem Spitzentitel gehabt hätte, reiht sich leider im unteren Mittelfeld ein.


Pro & Kontra

+ lebendiger Schreibstil
+ gelungener Beginn
+ spannende Ansätze

- Charaktere zu oberflächlich
- starker Hang zu Stereotypen
- Veränderungen passieren zu schnell
- diverse Handlungen nicht nachvollziehbar
- zu wenig Tiefgang
- Ende zu hastig abgehandelt
- insgesamt nicht wirklich ausgegoren

Wertung:

Handlung: 2/5
Charaktere: 2/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 2,5/5