Fremder in einer fremden Welt (Robert A. Heinlein)

Heyne Verlag (Juli 2009)
Taschenbuch, 656 Seiten, EUR 10,95
ISBN: 978-3453525481

Genre: Science-Fiction


Klappentext

Dies sind die Abenteuer von Valentine Michael Smith, dem Mann, der auf dem Mars aufwuchs und nun zur Erde zurückkehrt. Doch unsere Welt ist für ihn fremd und unverständlich - also beschließt er, sie nach seinen Vorstellungen zu verändern ...


Rezension

Mit "Fremder in einer fremden Welt" hat Robert A. Heinlein sicherlich einen der einflussreichsten Science-Fiction Romane geschaffen, die je geschrieben wurden. Und das kommt nicht von ungefähr; auf fast schon provokative Art - für die Verhältnisse des Jahres 1961 - stellt er soziale Grundsätze infrage. Umso bemerkenswerter ist dies angesichts der Tatsache, dass er mit der Veröffentlichung zehn Jahre wartete, bis die Zeit seiner Ansicht nach reif war, damit das Buch positiv aufgenommen werden könne.

Doch wie funktioniert dieses Infragestellen? Mit Valentine Michael Smith hat Heinlein einen optimalen Ansatzpunkt gefunden, um menschliche Normen distanziert zu betrachten und zu hinterfragen. Denn Valentine "Mike" Smith ist vom Mars. Zwar ist er ein Mensch - einziger Überlebender einer Marsexpedition -, wurde aber von Marsianern nach deren Ansichten und Kodizes aufgezogen, da er während des Fluges zum Mars geboren wurde. Sehr gekonnt schreibt nun Heinlein aus der Sichtweise von Smith, wie er die Erde wahrnimmt. Dabei gelingt es ihm sehr schön, den Leser glauben zu lassen, er habe an den Gedanken eines Wesens teil, für den die menschlichen Gebräuche komplett fremd sind und das zudem eine für uns fremde Denkweise hat. Dies ist eines der amüsanten Highlights im temporeichen und flüssig geschriebenen ersten Teil des Buches. Generell unterscheidet sich der sprachliche Stil, je nachdem, welcher Charakter gerade redet, wodurch die Charaktere eine weitere Facette gewinnen. Dies wird dadurch möglich, dass das Buch stark dialoglastig ist, weswegen genügend Zeit ist, die Charaktere zu entwickeln.

Doch worum es Heinlein eigentlich in dem Buch geht, offenbart sich erst ab dem Mittelteil, nämlich dann, wenn Smith zu Gast bei Jubal Harshaw ist. Bei ihm lernt Smith vieles über die Menschen. In Jubals Monologen, die einen Gutteil des Buches ausmachen, legt dieser seine pragmatische Sicht der Dinge dar. Jubal Harshaw ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Charakter. Er lebt in einer Villa mit seinen "Sekretärinnen", die alle sehr hübsch sind. Dennoch hat er keine Affären mit ihnen, denn er sieht sich als Gentleman. Seinen Unterhalt verdient er mit geradezu lächerlich banalen Kitschgeschichten, die seine sonst tiefgründigen Gedanken kontrastieren. Damit liefert er den Leuten aber nur das, was sie wollen. Auch in anderer Hinsicht ist Jubal ein Charakter der Gegensätze. Obwohl er sich als Mann mit Prinzipien sieht, akzeptiert er immer wieder Mikes mystisch-fremde Sicht der Dinge als in sich schlüssig und logisch, obwohl diese zu seinem pragmatischen Weltbild auf bemerkenswerte Weise in Kontrast stehen.

Heinleins Herausforderung der gesellschaftlichen Werte und Normen materialisiert sich schlussendlich in der von Mike gegründeten "Kirche", die auf eben dieser Sicht der Dinge beruht. Die Ideologie dieser "Kirche aller Welten" bildet wohl den Kern des Romans. Diese steht in krassem Gegensatz zu jener der Romanwelt - und somit auch der unseren. Der Materialismus, die Monogamie, die Angst vor dem Tod - das alles ist gegenstandslos. Selbst heute noch erscheint diese Ideologie fremd, bizarr, teilweise erschreckend und führt so dem Leser selbst 40 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Buches vor Augen, wie gedankenlos und selbstverständlich ein jeder die allgemeingültigen moralischen und sozialen Richtlinien übernimmt, die einem jeden längst in Fleisch und Blut übergegangen sind, als wären sie von Geburt an vorhanden ...


Fazit

"Fremder in einer fremden Welt" ist ein starkes Buch mit starken Themen. Allerdings muss sich der Leser darauf einlassen, dass seine Wertvorstellungen einen bedeutenden Teil des Romans über nichts bedeuten. Eine interessante Erfahrung, die einem nicht unbedingt gefallen muss, die das Buch aber trotzdem lesenswert macht.


Pro & Kontra

+ einflussreicher, großer Klassiker
+ interessante Idee
+ kritischer Blick auf Normen und Werte
+ gute Charaktere

o man muss sich darauf einlassen


Wertung:

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


Wissenswertes über den Einfluss des Romanes

Wie eingangs schon erwähnt, handelt es sich bei Heinleins erfolgreichstem Roman um ein äußerst einflussreiches Buch. Angefangen bei banalen Dingen wie zum Beispiel zahlreichen Erwähnungen in der Musik (Billy Joel, U2, Iron Maiden u.A.) und im Film (Lost Episode 58) oder der "Erfindung" des Wasserbettes (im Roman gibt es eine Beschreibung eines Wasserbettes, weshalb dem eigentlichen Erfinder sieben Jahre später das Patent darauf verwehrt wurde), hat es darüber hinaus prägenden Einfluss. Das im Roman verwendete marsianische Wort "groken" (was wörtlich übersetzt "trinken" heißt, jedoch auch das vollständige und tief greifende Verstehen bedeuten kann, ebenso wie "lieben" oder "(im Geiste) vereint sein mit") hat längst Einzug in die englische Sprache gefunden (to grok), selbstverständlich mit Eintrag im "Oxford English Dictionary".

Und tatsächlich gibt es auch eine Sekte mit dem Namen "Kirche aller Welten", die von den Ideen Heinleins inspiriert wurde. 1968 gegründet, ist sie bis heute aktiv.

Die Ideale der "Kirche aller Welten" ähneln denen der Hippie-Bewegung, die ihren Höhepunkt immerhin erst vier Jahre nach erscheinen des Buches erlebte.


Leseprobe

Tags: SF-Klassiker, Mars