Weltenlied - Saga der Zwölf 1 (Manuel Charisius)

Charisius M-Weltenlied01

Verag: Qindie - Eigenverlag; 2. Auflage, Juni 2014
eBook, 358 Seiten,
2,99 Euro [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Zwei junge Gestaltwandler. Ein Ausgestoßener, unterwegs zum Horizont. Ein skrupelloser Herrschersohn. Ihr aller Schicksal erfüllt sich in dem einen Lied …


Der Autor

Manuel Charisius, 1979 in Stuttgart geboren, studierte Anglistik und Germanistik in Heidelberg und Auckland, Neuseeland. Seit seiner Jugend liest und schreibt er phantastische Geschichten, bevorzugt mit Mischwesen und Gestaltwandlern in den Hauptrollen. In seiner Freizeit spielt er Klavier und genießt sowohl ausgedehnte Fahrradtouren als auch lange Waldspaziergänge, die ihm willkommene Inspirationsq uelle für seine Romane sind. Wenn er gerade nicht liest, schreibt, Musik macht oder Sport treibt, widmet er sich guten Filmen oder Videospielen aus seiner Jugend, die heutzutage als »Retro« gelten. Manuel Charisius arbeitet hauptberuflich als Autor und Texter in Heidelberg.


Rezension

Es ist ein herrlicher Sommertag und der 14-jährige Léun beschließt, ihn mit seinem besten Freund Arrec am Dorfsee zu verbringen. Als er Arrec nicht finden kann, sucht er stattdessen die geheimnisvolle Löwenquelle in den Bergen auf. Bereits während des Badens fühlt er sich beobachtet, und tatsächlich taucht oberhalb der Quelle ein mächtiger Löwe auf, der ihn anfällt. Obwohl zerfleischt, erwacht Léun kurz darauf unverletzt. Von nun an sind sie eins, Mensch und Löwe. Léun und Káor. Allerdings weiß Léun den inneren Löwen nicht zu bändigen. In Löwengestalt tötet er nicht nur zwei Hunde, sondern fast auch den Vater seines besten Freundes. Mit Hilfe des Waldhüters Héranon, Arrec und dem Mädchen Ciára bricht Léun auf, um das Gestaltwandeln und somit den Löwen zu kontrollieren. Ein alter Weiser soll ihn unterrichten. Doch die Zwölf, zu denen auch Káor zählt haben einen mächtigen Feind, der sich mit der Flöte von Yleriánt die Welt unterjochen will. Wer die Flöte spielt, kann mit Hilfe des Weltenlieds Welten zerstören oder erschaffen. Prinz Gúrguar, der Thronerbe von Düsterland, bricht auf, um die Flöte an sich zu bringen. Diese befindet sich zurzeit aber in den Händen des jungen Steppenläufers Ríyuu, dessen Weg über Umwege ebenfalls zum Weisen. Zusammen müssen die Freunde und Ríyuu gegen die bösen Mächte bestehen, um ihre Welt Nýrdan zu beschützen.

Weltenlied – Die Saga der Zwölf 01 ist nur als eBook erhältlich, und bereits auf den ersten Seiten wird deutlich, dass der Autor ungewöhnliche Wege beschreitet. Denn das Buch ist nicht in Kapitel geteilt, sondern dem Titel gemäß in Strophen, inklusive Vor-, Zwischen- und Nachspiel. Da jede Strophe auch noch einmal in mehrere Teile unterteilt ist, entsteht so ein recht zerstückeltes Gesamtwerk, das insbesondere ab der zweiten Hälfte dem Leser viel Aufmerksamkeit abverlangt, weil die Perspektive oft wechselt. Am Anfang liegt der Fokus hauptsächlich auf Léun, der mit seinem plötzlichen Dasein als Gestaltwandler und der neuen Welt, aber auch den wachsenden Gefühlen für Ciára zu kämpfen hat. Arrec hadert derweil mit der Eifersucht, weil er seinen Freund mit einem Mädchen teilen muss. Ríyuu wird von dem neuen Anführer des Stammes ausgestoßen und darf erst zurückkehren, wenn er sobald er „den Wind geritten hat“. Derweil bricht der Prinz von Düsterland auf, um sich die Flöte anzueignen, und zwischendurch werden mit dem Waldhüter Héranon, Cíara und der Flötenspielerin Panóris und dem ein oder anderen Nebencharakter auch noch andere Perspektiven aufgemacht. Dies bietet zum einen Vielfalt, ist mitunter aber auch überladen bis irritierend, wenn die Charaktere schließlich zusammentreffen und teilweise einfach nur unnötig, wenn in Dialogen oder Kämpfen auf einer Seite zwei bis drei Perspektiven aufgegriffen werden.

Das Prinzip „Weniger ist oftmals mehr“ trifft auch auf den Stil Charisius´ zu. Obwohl an sich sehr locker und flüssig, verliert sich der Autor manchmal, insbesondere, wenn es um explizite Sexszenen geht. Da wird Léun plötzlich für einige Seiten zum Schwertfisch, und auch die homoerotischen Szenen Ríyuus sind mitunter verwirrend formuliert. Sobald der Steppenläufer Ríyuu durch Magie die Sprache der Anderen gelernt hat, tut man sich mit ihm ohnehin schwer, da sich der Autor entschieden hat, Ríyuu, trotz Magie, Fehler wie einen Ausländer machen zu lassen. Da werden Erinnerungen an Meister Yoda, und schlimmer Jar-Jar Binks wach. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig sind sicherlich die zeitlichen Wechsel zwischen Präsenz und Präteritum und die vielen Akzente. Nahezu jede Figur bekommt einen spendiert. Auch von Bekanntem wird dabei nicht Halt gemacht, so wird aus dem kriegerischen Matriarchat der Amazonen zum Beispiel das Volk der Amatsúnen, und auch die ein oder andere Figur aus der Mythologie wird, namentlich etwas entstellt, recycelt. Ob das wirklich notwendig ist, bleibt zweifelhaft.

Stattdessen hätten dem Aufbau der Welt, die Handlungslinie und die Choreographie der Kämpfe etwas mehr Zeit gut getan. Zwar liest sich Nýrdan auf den ersten Blick schlüssig, bei genauem Blick tun sich aber Widersprüche auf. Das beginnt bei der generellen Geographie, wenn entfernte Landstriche gegen Ende scheinbar direkt nebeneinanderrücken, und endet bei der Struktur der Steppenläufer, deren Stämme von Inzest geprägt scheinen, oder den Amatsúnen, die Männer zum einen morden, sich aber dennoch irgendwie fortpflanzen. Die an sich spannende Handlung ist hingegen durchsetzt von Soap-ähnlichen Dialogen, wie sie in ein Jugendbuch gehören, insbesondere wenn es um die Beziehungen der Teenager geht, und weist Logiklücken auf, die auf dem Konzept der allmächtigen Flöte beruhen. So wird am Ende der Besitzer der Flöte mit dem Leben eines Freundes erpresst. Bis dahin ist aber schon etabliert, dass man mit der Flöte Gebirge zerschlagen, Wände manipulieren und sogar Menschen erschaffen kann. Da fehlt dem Gegenspieler eigentlich jegliche Handhabe und auch die zwölf Gestaltwandler werden an sich überflüssig. Ein wenig undurchdacht scheinen auch die Kämpfe: teilweise stehen einige Figuren nur herum und warten auf ihren Einsatz, andere stürzen sich auf einen verletzten Freund zu, ohne den Gegner mit dem Schwert zu beachten, der im Weg steht oder vollziehen unmögliche Bewegungen.

Gelungen hingegen sind die Charaktere und die Gestaltung der gestaltwandlerischen Fähigkeiten. Trotz der Kürze ist jeder Charakter ausgearbeitet und voneinander unterscheidbar. Zwar könnte man anmerken, dass die Seiten von vorneherein geklärt sind, was einmal gut ist, hat keine dunkle Seiten und umgekehrt. Dies mag sich im Verlauf der Serie aber vielleicht noch ändern, so dass für einen Auftakt ersteinmal die Charaktere vorgestellt werden. Ebenfalls schön sind die Gestaltwandlungen und die Szenen der Tiere, die in gewisser Weise unabhängig sind von ihrem menschlichen Konterpart, aber doch verflochten. Die Bewegungen der Tiere sind stimmig, ihre Szenen anschaulich und stimmig, in anbetracht der Macht der Flöte jedoch nahezu nichtig. 


Fazit

Mit Weltenlied – Die Saga der Zwölf 01 versucht Manuel Charisius den Auftakt einer Fantasy-Serie um Gestaltwandler. Obwohl auf den ersten Blick in der Idee gut und mit starken Charakteren besetzt, schwächelt die Geschichte an mehrere Stellen: es gibt ein starkes Ungleichgewicht in der Verteilung der Macht durch die übermächtige Flöte, Sprache und Stil weisen gewöhnungsbedürftige Elemente auf und im Miteinander mehrerer Charaktere, sei es im Dialog oder Kampf, geht die Übersicht verloren bzw. wirkt die Choreographie fehlerhaft. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Geschichte im zweiten Teil entwickelt, für den ersten Teil aber ergibt sich in Anbetracht des Preises eine passable Unterhaltung für Zwischendurch mit Luft nach oben.


Pro/Contra

+ gut ausgebaute Charaktere
+ Idee und Gestaltwandlung
+ Vielfalt in den Liebesgeschichten

o viele Perspektiven
o sprachliche Fehler Ríyuus
o Akzente und sprachliche Entfremdung bekannter Wörter

- teilweise verwirrend
- Widersprüche in der Welt
- Ungleichgewicht der Macht zwischen Gut und Böse
- Flöte zu übermächtig
- Wechsel zwischen Zeitformen

Bewertung: sterne3

Charaktere: 3,5/5
Handlung: 2/5
Lesespaß: 2,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Interview mit Manuel Charisius (2014)

Rezension zu "Streuner"