Partials II - Fragmente (Dan Wells)

Piper (März 2014)
Hardcover mit Schutzumschlag
576 Seiten, 19,99 EUR
ISBN: 978-3-492-70283-6

Genre: Dystopie / Thriller


Klappentext

In ferner Zukunft wurde die Menschheit durch den Isolationskrieg fast vollständig vernichtet - besiegt von den Partials, künstlichen Kriegern, die die Menschen selbst erschaffen hatten. Eine der letzten Überlebenden ist Kira Walker, die erfahren hat, dass sie selbst ein verhängnisvolles Erbe in sich trägt, von dem sie nichts ahnte. Auf der Suche nach ihrer eigenen Herkunft muss sie sich ausgerechnet auf die Hilfe zweier Partials verlassen - Samm und Heron, die als Einzige ihr Geheimnis kennen. Kiras Weg führt sie durch das verwüstete Land, das der Isolationskrieg aus dem nordamerikanischen Kontinent gemacht hat - und dort wird sie dem schrecklichsten Feind begegnen, den die Menschheit je gekannt hat ...


Rezension

Mit den Partials wurden Soldaten erschaffen, die ihren menschlichen Schöpfern in nahezu allem überlegen sind. Sie gewannen den Krieg für sie, doch dann lehnten sie sich gegen ihre Erschaffer auf. Kurz darauf rottet ein verheerendes Virus nahezu die gesamte Menschheit aus. Einige wenige, die immun gegen dieses RM-Virus sind, haben sich auf Long Island eine neue Existenz aufgebaut. Umringt von Partialarmeen, die sie in Ruhe lassen, solange sie die Grenze nicht überschreiten. Kira ist auf Long Island aufgewachsen und hat fieberhaft nach einer Heilung für RM gesucht, denn das Virus tötet alle Kinder. Ausgerechnet ein Pheromon der Partials verspricht Heilung und es gelang Kira mit Hilfe des Partials Samm, ein einziges Kind zu retten. Kira erfuhr außerdem, dass sie selbst eine Partial ist, ein neueres Modell als Samm, das kein Verfallsdatum besitzt – im Gegensatz zu den anderen Partials, von denen die erste Generation bereits weggestorben ist. Doch wenn die Partials verschwinden, verschwindet auch die Aussicht auf Heilung von RM …

Während im ersten Band, „Aufbruch“, die Partials noch als übermächtiger und böser Feind dargestellt wurden, wandelt sich das Bild allmählich. Die Menschen sind nicht unschuldig daran, dass es zum Partial-Krieg kam, schließlich haben sie denkende und fühlende Wesen erschaffen, die sie nicht unter ihnen akzeptieren wollten. Die Partials lassen die überlebenden Menschen zudem schon lange in Ruhe. Sie sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt: Zum einen hängt das Verfallsdatum wie ein Damoklesschwert über ihnen und zum anderen bekriegen sich verschiedene Partialfraktionen gegenseitig. Kira will es trotzdem wagen, im umkämpften und zerstörten Nordamerika nach Antworten zu suchen. Ihre Suche beginnt in New York, wo sie dem Einsiedler Afa begegnet. Ein Genie, dessen Geist von der Einsamkeit und der stetigen Angst vernebelt ist. Afa ist wie ein großes Kind, das sinnlos Worte wiederholt, doch er hat auch klare Momente und zudem tonnenweise Informationen über die Partials und ParaGen, der Firma, die die Supersoldaten gebaut hat, gesammelt.

Durch Afa erfährt Kira, wo sich die ParaGen-Zentrale befindet. In New York stoßen Samm und Heron, eine Partial-Spionin, zu ihnen und die vier machen sich auf Richtung Chicago und Denver. Ihr Weg führt sie auch durch das verseuchte Ödland im Westen, wo saurer Regen das Leben verbrennt. Die Reise verlangt ihnen alles ab, zudem werden sie mehrmals angegriffen. Kira muss sich immer wieder fragen, ob ihre Suche nach Antworten all das wert ist. Doch sie glaubt fest daran, dass sie bei ParaGen eine Heilung für RM UND das Verfallsdatum finden wird. Kira will Menschen und Partials retten und hofft auf eine friedliche Zukunft. Samm und Heron folgen ihr, weil sie ihr glauben, doch Heron entwickelt sich zunehmend zu einem Risiko. Kann man einer Spionin wirklich trauen? Samm dagegen entwickelt immer stärkere Gefühle für Kira. Gleichzeitig spitzt sich die Situation auf Long Island zu. Die Partials greifen die Insel an und die Zeiten des porösen „Friedens“ sind vorbei.

„Fragmente“ ist ein typischer Zwischenband, der all die Überraschungen vom ersten Band aufarbeiten und dabei die Geschichte auf den Folgeband hinführen muss. So geht viel Zeit mit Nachforschungen drauf und die Reise von Kira zieht sich ziemlich in die Länge. Dan Wells widmet sich jedem Hindernis auf ihrem Weg und wo die Suche nach Antworten in New York noch mit einer dichten Atmosphäre punkten konnte, ermüdet das verseuchte Ödland den Leser. Man sieht nur noch dabei zu, wie fast alles schief geht und Kira und ihre Freunde kurz vor dem Scheitern stehen. Kleinere Vorfälle treiben die Spannung kurzzeitig in die Höhe, ehe sich der Roman wieder auf Kiras Gedanken konzentriert. Ihre hohen moralischen Werte sind ungewöhnlich in dieser zerstörten Welt und bisher machte Kira ihr unbeirrbarer Glaube an das Gute und Richtige sie sympathisch. Doch es wird immer deutlicher, dass es in dieser Welt keinen „richtigen“ Weg gibt und dass Opfer unausweichlich sind. Auch der Leser sieht sich mit der Frage konfrontiert, wie weit man gehen darf und muss, um Leben zu retten.

Schritt für Schritt kommt man dabei dem sogenannten Trust, der Gruppe von Wissenschaftlern, die die Partials erschaffen hat, näher. Es wird immer offensichtlicher, dass die einzelnen Mitglieder des Trusts Geheimnisse voreinander hatten und gegeneinander gearbeitet haben. Dan Wells spickt „Fragmente“ mit unzähligen Andeutungen, sodass man als Leser am Ende mehr weiß als Kira und über die Enthüllungen kaum überrascht ist. Im Detail gelingt dem Autor dennoch die oder andere Überraschung. In den letzten Kapiteln überschlagen sich schließlich die Ereignisse und „Fragmente“ bricht mit einem fiesen Cliffhanger ab, der hungrig auf den dritten und finalen Band macht.

Auch wenn die ein oder andere Länge das Lesevergnügen trübt, bleibt die „Partials“-Trilogie eine hochatmosphärische Dystopie, die sich auf ihre Thrillerelemente und moralische Fragen konzentriert. Zwar entwickeln sich zwischen Samm und Kira Gefühle, doch während ihrer gefährlichen Reise bleibt keine Zeit, diese auszuleben. Außerdem weiß Samm ohnehin nicht, wie er auf Kira zugehen soll. Diese Unbeholfenheit ist eine willkommene Abwechslung. „Fragmente“ überzeugt wie auch sein Vorgänger mit gelungenen Landschaftsbeschreibungen und gruseligen Vorfällen, die einem Schauer über den Rücken jagen. Was die Gentechnik in Dan Wells Zukunftsvision möglich gemacht hat, lehrt einen das Fürchten.


Fazit

„Fragmente“ ist ein typischer Zwischenband, der viel Aufklärungs- und Vorbereitungsarbeit leisten muss und daher zwischenzeitlich ein klein wenig zäh wird. Die großen Enthüllungen lassen lange auf sich warten und im Angesicht der heiklen Situation entwickelt sich Ungeduld auf Seiten des Lesers. Der stimmungsvolle Schreibstil und die dichte, bedrückende Atmosphäre machen „Fragmente“ dennoch zu einem echten Lesegenuss und der Cliffhanger am Ende sorgt dafür, dass man das Erscheinen des dritten Bandes kaum erwarten kann.


Pro & Contra

+ stimmungsvoller Schreibstil
+ dichte, düstere Atmosphäre
+ Fokus auf Thriller-Elemente und moralische Fragen
+ Annäherung zwischen Menschen und Partials
+ brisante Enthüllungen am Ende

- durch zu viele Andeutungen teilweise vorhersehbar
- im Mittelteil ein wenig zäh

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


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Tags: Jugenddystopie, Dan Wells, New York, Gentechnik