Blackbirds (Chuck Wendig)

Wendig C-Blackbirds

Verlag Bastei Lübbe, 1. Auflage, April 2013
Taschenbuch, 303 Seiten
OT: Blackbirds
aus dem Amerikanischen von Axel Franken
12,00 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-404-20710-7

Genre: Phantastik/ Mystery


Klappentext

Miriam hat eine Gabe: Wenn sie einen Menschen berührt, sieht sie den Moment seines Todes. Doch nie konnte sie die Zukunft verhindern. Inzwischen hat sie den Versuch aufgegeben ... Als der Trucker Louis Miriam vor einem Überfall rettet, berührt sie seine Hand und sieht das Unvermeidliche: Louis wird in 30 Tagen von einem Killer brutal ermordet — und Miriam steht dabei. Ist sie vielleicht das nächste Opfer? Miriam glaubt eigentlich nicht, dass sie die Zukunft ändern kann. Aber sie muss es noch ein Mal versuchen: für ihr Überleben — und für seins.


Der Autor

Chuck Wendig ist Amerikaner und Vielschreiber: Er schreibt Romane, Drehbücher, Kurzgeschichten und Essays über das Schreiben. Außerdem ist er als Spieldesigner tätig und hat an Rollenspielsystemen mitgewirkt. Mit seinem Schreibkollegen Lance Weiler hat er das Drehbuch zum Kurzfilm Pandemic verfasst, der auf dem Sundance Film Festival gezeigt wurde. Die beiden waren außerdem am transmedialen Projekt Collapsus beteiligt, das für den Digital Emmy nominiert war. Wendig lebt mit seiner Familie in Pennsylvania. Er ist sehr aktiv auf seiner Website und veröffentlicht dort regelmäßig dubiose Schreibtipps und Lebensweisheiten.


Rezension

Ein schäbiges Motel. Mitten in der Nacht. Del Amico kehrt mit einem Handtuch um die Hüfte in das Schlafzimmer zurück, wo die Prostituierte, die er auf der Straße aufgelesen hat, auf ihn wartet. Angezogen. Seine Verwirrung wird noch größer als die Mittzwanzigerin in den zerrissenen Jeans und gefärbtem Wasserstoffblond ihm eröffnet, dass sie a) keine Prostituierte ist, b) sie ihn seit Wochen verfolgt hat und c) er in wenigen Minuten sterben wird. Del hat das Pech Miriam Black zu begegnen. Miriam ist verflucht. Die Berührung eines Menschen zeigt ihr den Tod desjenigen in all seinen traurigen, grausigen Details. Wie ein Aasfresser verfolgt sie jene, deren Tod kurz bevor steht – nicht um sie zu retten, sondern um sie auszurauben. Wieder auf der Straße trifft Miriam auf den Trucker Louis. Eine Berührung zeigt ihr, dass er in Kürze grausam ermordet wird. Auch ihr Name fällt, als wäre sie zugegen, obwohl sie sich von solchen Fällen kategorisch fern hält. Verstört sucht sie das Weite. Das schräge Schicksal führt sie jedoch immer wieder über Umwege zusammen. Wird sich Miriam entgegen ihrer Überzeugung der Vorsehung entgegenstellen und versuchen, Louis zu retten? Wer ist der Krähenmann, der sie in ihren Träumen heimsucht? Und wird sie am Ende über den eiskalten Mann, der Louis in ihrer Vision foltert und tötet, triumphieren oder sein nächstes Opfer?

Der Roman Blackbirds hebt sich von der Masse aus Büchern durch ein Cover in Schwarz-Weiß-Optik, dessen Schlichtheit auf den zweiten Blick eine faszinierende Raffinesse enthüllt. So besteht die Frau auf dem Cover aus einem Schwarm Vögel, in deren Mitte sich zahlreiche Details aus dem Buch verbergen.

Diese Vielschichtigkeit ist ein Sinnbild für Wendigs Hauptfigur Miriam Black. Auf den ersten Blick ist sie laut, frech und dreckig – äußerlich wie innerlich. Bei ihrem Mundwerk und der sehr bildhaften Sprache wird einem schnell Schwindelig. Gleichzeitig ist es aber auch eine herzlich erfrischende Sicht auf die Welt, denn „Political Correctness“, Höflichkeit und Zurückhaltung sind für Miriam Fremdwörter. Je länger man allerdings Zeit mit ihr verbringt, desto mehr offenbart die Landstreicherin mit der Aasgeiermentalität einen weichen Kern. In kurzen Rückblicken, die ein Interview Miriams mit einem jungen Mann verfolgen, erfährt man, wie Miriam mit ihrem Fluch zu leben gelernt hat, wie sie versuchte, den Tod aufzuhalten und wie sie so abgebrüht wurde, wie sie sich nun gibt. Letztendlich ist es ein trauriges Leben, das Miriam führt. Ebenso deprimierend wie auch schonungslos beschreibt Wendig ihre Welt. Es ist die falsche Seite der Stadt. Von Wendig in düsteren Farben, viel Dreck und rauen Metaphern geschildert. So haben alle Charaktere ihre Macken, ein Leben mit Fehlern. Da ist Louis, der seine Frau verloren hat und sein Leben in seinem Truck verbringt. Ashley Gaines, der kleine Gauner, der Miriams Gabe für sich nutzen will und sich plötzlich im Fadenkreuz eines Drogenbarons befindet. Und da sind die Handlanger des Drogenbarons, die wie Miriam und der Rest des Charakterentsembles zerbrochene Schicksalen sind. 

Wendigs Stil besticht durch herzhafte Flüche, exzellent positionierte Fäkalsprache und düstere Metaphern. Ansonsten ist er recht schlicht, aber unterhaltsam und flüssig,sobald man sich mit der Sprache arrangiert hat. Blackbirds hat Charaktere, die in dunklen Facetten gehalten sind. Auch Drogen, Gewalt und Sex spielen eine wichtige Rolle. Es ist eine Geschichte am sozialen Rand. Durchgehend spannend und Miriam trägt die Geschichte „brutal“ von einem dreckigen Motel zum nächsten, von anschaulichen Sexszenen zu heftigen Kneipenschlägereien und schlussendlich zum vielleicht vorhersehbaren, aber doch durch einige Wendungen und seine Details grandiosen Finale. Zwischendrin gibt es aber auch leise Töne. Blackbirds ist nicht nur trashig, sondern auch nachdenklich, mitunter melancholisch und setzt mit Miriams Träumen auch eine transzendente Ebene. Hier greift Wendig ins Oskure, wenn er Miriams Unterbewusstsein und Gewissen in grausige, madendurchsetzte Leichen transportiert. Dennoch ist Blackbirds kein Buch, das auf emotionale Tiefe setzt. Das strebt es aber auch nicht an. Wie sein Cover ist es eine Welt im Negativ. Jede Szene ist farblos und in in eine drückenden berückenden Stimmung bis zur letzten Seite.


Fazit

Wie ein Aasgeier nutzt Miriam Black ihre Gabe, den Tod von Menschen vorauszusehen, um Selbstmörder und Unfallopfer auszurauben. Erst als sie Louis trifft – einen vom Leben gebeutelten sympathischen Trucker, der grausam ermordet wird -, gerät ihre Routine in Ungleichgewicht und sie überlegt, sich mit dem Schicksal anzulegen. Blackbirds ist nichts für Zartbesaitete. Es gibt Blut, Gewalt und Tote sowie Flüche, dass einem die Ohren glühen. Mit Miriam Black schafft Autor Chuck Wendig eine neue Kultfigur, die wie das Buch schräg und trashig, zugleich aber auch sehr unterhaltsam und mitreißend ist. Gänsehaut garantiert!


Pro/Contra

+ Miriam Black
+ spannender dunkler Blickwinkel auf bekannte "Todesvision"-Gabe
+ unterhaltsame Geschichte
+ erfrischende Charaktere

o dreckig und schonungslos


Bewertung: sterne4.5

Charaktere: 5/5
Handlung: 4/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5