Anne Delseit und Zofia Garden (24.04.2015)

Interview mit Anne Delseit und Zofia Garden

anne delseit1Literatopia: Hallo, Zofia, hallo, Anne! Kürzlich ist der erste Band Eures Manga „SchattenArie“ bei Carlsen erschienen – was erwartet interessierte Leser?

Anne Delseit: Hallo! In „SchattenArie“ könnt ihr euch auf Vampire, Werwölfe, Action und Romance in Köln freuen.

Die Geschichte dreht sich um die junge Rechtsmedizinerin Luca, deren vielversprechende Karriere ein frühes Ende findet, als eines Nachts ein blutdurstiger Vampir auf ihrem Seziertisch erwacht. Luca wird selbst zum Vampir und muss sich nicht nur mit dem Verlust ihres Lebens, Blutdurst und Sonnenlichtempfindlichkeit arrangieren, sondern auch mit einer ziemlich verkorksten neuen „Familie“.

Zofia Garden: Hallo auch von mir!

Literatopia: Warum habt Ihr Köln als Schauplatz gewählt?

Anne Delseit: Ich bin in Köln geboren und aufgewachsen und hatte schon länger geplant, „meine“ Stadt als Kulisse zu nutzen. Es ist eine geschichtsträchtige und sagenreiche Stadt, die sich gut als Schauplatz für Urban-Fantasy-Storys  eignet.

zofia garden1Literatopia: Welches Vampirbild zeichnet Ihr in „SchattenArie“? Schon beim Reinschauen sieht man, dass Eure Vampire noch ordentlich zubeißen … Und wie passen die Werwölfe in diese Welt?

Anne Delseit: Die Vampire gehören eher den blutsaugenden und lichtempfindlichen Vertretern ihrer Art, ja. Vampire und Werwölfe teilen sich in „SchattenArie“ eine gemeinsame Quelle: Beide berufen sich darauf, dass ihre übernatürliche Macht aus dem Blut der Götter stammt. Allerdings unterscheidet sich unter anderem die Art und Weise, wie sie diese Macht ursprünglich bekamen und wie sie sie weitergeben.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Schattenwelt, eine Zwischenwelt, die den Vampiren so manchen Vorteil verschafft, gleichzeitig aber auch eine große Bedrohung für sie darstellt … Mehr dazu und wovon Vampire träumen, wenn sie schlafen, erfahrt ihr dann im Band!

Literatopia: Für Luca interessieren sich gleich zwei Männer: Brayden, der Anführer der Vampire, und der Werwolf Alfred. Wie unterschieden die beiden sich? Und was verbindet sie?  

Anne Delseit: Dass der eine zum Vampir und der andere zum Werwolf wurde, ist nur der offensichtlichste Unterschied. Alfred trägt sein Herz mehr auf der Zunge und ist impulsiver als Brayden. Aber sie haben auch die eine oder andere Gemeinsamkeit und kennen sich schon sehr lange.

Zofia Garden: Die beiden Männer haben ihre eigenen Motive, was Luca angeht. Es ist auch nicht sofort Liebe, was sie ihr bieten können und wollen. Luca ist aber eine erwachsene Frau (auch wenn man das bei meinen Zeichnungen und Braydens Magie :D öfters vergisst) und sucht in erster Linie auch nicht nach Liebe, sondern nach Antworten, und für diese braucht sie Brayden und auch Alfred.

Literatopia: Bei Lucas Verwandlung und auch in späteren Szenen zieren italienische Textzeilen die Seiten – woher stammen diese und was bedeuten sie?

Anne Delseit: Dabei handelt es sich um Auszüge aus „Va, pensiero, sull'ali dorate“, dem Stück des Gefangenenchors aus Giuseppe Verdis Oper „Nabucco“. Ich experimentiere sehr gerne damit, Musik in das Medium Comic zu bringen. Soundwords gehören zur Klangkulisse längst fest dazu. Es ging darum, dass Luca in den Schatten nicht durch die Stille wartet und mehr als nur Geräusche anzubieten. Die leidenden Seelen in der Schattenwelt sollten eine gemeinsame Stimme bekommen. Alternativ stand auch „O welche Lust“ aus Beethovens Oper Fidelio auf dem Entwurfszettel.

Literatopia: Welchen Charakter aus „SchattenArie“ mögt Ihr am liebsten – und warum?

Anne Delseit: Oh, da kann ich mich nur schwer entscheiden, aber ich hatte zum Beispiel beim Schreiben der Szenen mit Tristan unglaublich viel Spaß.

Zofia Garden: Tristan und Thaddeus. Ich liebe Bad Guys  :3

Literatopia: Die Geschichte um Luca und Brayden war ursprünglich als „Mein untotes Herz“ mit Rebecca Jeltsch geplant– nun erscheint diese Idee als „SchattenArie“, mit dem Unterschied, dass Luca (ursprünglich männlich) eine Frau ist. Warum habt Ihr Euch letztlich für eine Hetero-Lovestory entschieden?

Anne Delseit: Ich wollte das Konzept unbedingt noch umsetzen, aber es war zu dem Zeitpunkt schon etwas älter und es bot sich an, ein paar Sachen zu ändern. Letztendlich waren wir uns schnell einig, dass wir „SchattenArie“ als Hetero-Lovestory erzählen wollten. Ich hatte Lust auf eine weibliche Hauptfigur. Auch dass wir die Geschichte über zwei Bände erzählen durften, hat mir mehr Raum geboten, zum Beispiel die Idee der Schattenwelt auszugestalten, die in „Mein untotes Herz“ keinen Platz gefunden hätte. Auch Alfred und die Werwölfe, an die ich beim alten Konzept noch nicht denken konnte, fanden so ihren Weg in die Geschichte.

Literatopia: Wie sah Eure Zusammenarbeit konkret aus? Gingen Zeichnungen und Handlung / Text Hand in Hand oder hattet Ihr eine strikte Arbeitsteilung?  

Anne Delseit: Wir besprechen jedes Kapitel sehr ausführlich, Zofia adaptiert dann mein Skript und ich gehe am Ende noch mal über die Texte drüber, um Änderungen anzupassen.

Literatopia: Zofia, mit welchen Materialien arbeitest Du? Zeichnest Du noch viel mit Stiften oder passiert das meiste auf dem Tablet?

Zofia Garden: Was das Tuschen angeht, da arbeite ich nach wie vor traditionell, also mit Bleistift, danach Tusche. Später werden die fertigen Seiten eingescannt und digital gerastert, oder coloriert.

Literatopia: Wann und wie habt Ihr Eure Begeisterung für Manga entdeckt? Stand auch bei Euch „Sailor Moon“ am Anfang? Und was sind Eure Lieblingsreihen?

schattenarie leseprobe2Anne Delseit: Bei mir war „Sailor Moon“ einer der ersten Manga, die ich gelesen habe, ja. Aktuell gehören Werke von Fumi Yoshinaga und Natsume Ono zu meinen Favoriten und Titel wie „AKIRA“ und „Pluto“ verschenke ich immer wieder gerne an erwachsene Manga-Einsteiger. Außerdem sammele ich zurzeit zum Beispiel die Werkausgabe von Inio Asano und Reihen wie „Die Stadt, in der es mich nicht gibt“, „Lindbergh“, „Saint Young Men“ und „Von fünf bis neun“.

Zofia Garden: Für mich waren es vor allem Animes, die mich begeistert haben, vor „Sailor Moon“ sogar noch „Lady Oscar“, „Robin Hood“ & Co. Als ich zum ersten Mal den“ Sailor Moon“-Manga in die Hand nahm, war ich zuerst enttäuscht, weil die Zeichnungen schwarzweiß waren und die Story auch sonst zu schwer/ungewohnt zu lesen war.

So richtig fing ich erst bei „Kamikaze Kaito Jeanne“ an, mich fürs Mangazeichnen zu interessieren. Vorher habe ich zwar schon gezeichnet, auch Geschichten, aber eher in Comicform und farbig. Ich mag hauptsächlich romantische Geschichten wie “Peach Girl” oder “Merupuri”, oder Comedy. Und natürlich gutes Boys Love^^.

Literatopia: Im Moment gibt es gleich mehrere Eigenproduktionen bei Carlsen – holen deutsche Zeichner die asiatischen Vorbilder nun ein? Und wie schwierig ist es in Deutschland, einen veröffentlichungsreifen Manga fertig zu stellen?  

Anne Delseit: Dass es mehrere Eigenproduktionen gibt, ist ja nicht neu und ich finde es toll, dass Werke von deutschsprachigen Künstlern nun schon so lange in den Programmen der Verlage haben. Die Qualität der Eigenproduktionen ist in den letzten Jahren gestiegen und was da an Künstlernachwuchs im Internet und auf Conventions aktiv ist, ist ganz toll. Viele junge Künstler unterschätzen aber weiterhin die professionelle Arbeit an einem Band oder haben verklärte Vorstellungen und Ziele – aber das ist ja nicht nur im Manga-Bereich so. Ich weiß auch nicht, ob es so viel Sinn macht, immer nach Japan zu gucken, denn wir arbeiten letztendlich für unseren heimischen Markt.

Zofia Garden: Nach wie vor gibt es Zeichner oder Erzähler in jedem Land. Die japanische Mangaszene schafft es, uns am meisten zu begeistern, aus zwei Gründen: Wir bekommen vor allem hauptsächlich Bestseller zu lesen und wir können filtern; wir können uns aussuchen, was wir lesen wollen und das aus verdammt vielen Werken. Die begrenzte Anzahl der deutschsprachigen Veröffentlichungen lässt dies nicht wirklich zu, bis vor kurzem hatte man als Käufer kaum Auswahl.

Das Vorurteil: “Nur Japaner können Mangas zeichnen”, das entstanden war, als die Szene gerade mal anfing zu begreifen, was Manga ist, schwindet allmählich. Nach wie vor muss man begreifen, dass wir hierzulande versuchen, die Geschichten anders zu erzählen, mit eigenständigen Charakteren, die vielleicht nicht dem klassischen Helden- und Antiheldenprinzip entsprechen und auch anders handeln (können), als wie man es sonst von japanischen Helden gewöhnt ist.

Ich finde es vor allem super, dass die Indie-Szene mit der Vielfalt ihrer Titel wächst und immer mehr Leute für die Eigenproduktionen begeistert. Es ist wichtig, dass sich ein Markt etabliert. Die neuen Zeichner in der Szene haben derzeit viel mehr Veröffentlichungsmöglichkeiten und auch Lehrmaterial zur Verfügung, als in den vergangenen 15 Jahren. Das ist ein gutes Zeichen.

Es ist natürlich immer ein Unterschied, ob man einen Kurzmanga mit ca. 60 Seiten in der Freizeit anfertigt, oder ob man konstant an einer Geschichte arbeiten kann, die meist mehrere hundert Seiten erfasst.  Was man auch noch positiv erwähnen muss, ist die Tatsache, dass die Zeichner hierzulande beinahe alles selbst machen, von dem Urkonzept über Hintergründe & Rastern; in Japan gibt es meist für alle Zwischenschritte Assistenten. Ob man das auf die Dauer durchhalten kann, ist allerdings fraglich. Ich denke, grundsätzlich ist die Frage nicht mehr: “Wie schaffe ich es zu einem Verlag?”, denn mittlerweile kann man Bücher ganz gut allein verlegen, sondern: “Was für Möglichkeiten bietet die Zukunft?”

Literatopia: Zofia, von Dir gibt es online noch weitere Projekte – magst Du uns ein bisschen davon erzählen?

Zofia Garden: Online konzentriere ich mich derzeit hauptsächlich auf das Genre Boys Love. (Ich arbeite auch an “normalen” Geschichten, aber die werden online wahrscheinlich nicht zu lesen sein.) Die Online Mangas kann man vor allem auf Animexx finden, mein Künstlername ist Oroken. (http://animexx.onlinewelten.com/doujinshi/zeichner/52758/)

„Killing Iago“ wird in geschriebener Form fortgesetzt (http://the-killing-iago-story.jimdo.com), dazu gibt es auch noch ein paar Specials in Mangaform online.

„Gegen das Herz“ erscheint (derzeit unregelmäßig) auf Animexx. Die Geschichte spielt im Mittelalter und handelt von einem Sklaven, der seine Freiheit bekommen will.

Im Sommer wird eine weitere, neue BL-Geschichte dazu kommen, mit dieser will ich versuchen, in die Indieszene einzusteigen. Bin gespannt, wie sie ankommt; drückt mir die Daumen!^^ (Alles darüber kann man demnächst bei http://facebook.com/Orokenworks erfahren)

Literatopia: Anne, Du hast bereits an diversen Manga mitgewirkt, auch bei Kleinverlagen. Welche waren das und was erwartet uns in Zukunft von Dir?

Anne Delseit: Eine Liste meiner Veröffentlichungen findet ihr auf meiner Webseite (www.alicubi.de). Im Carlsen Verlag ist zum Beispiel noch die „Lilientod“-Manga-Trilogie erschienen, im Fireangels Verlag ein Romanzweiteiler und verschiedene Kurzgeschichten. Aktuell schreibe ich unter anderem den dystopischen Euro-Thriller „Streets of Europe“. Das Comic-Projekt entsteht gemeinsam mit der Niederländischen Zeichnerin Marissa Delbressine und ist schon auszugsweise in Deutschland und den Niederlanden erschienen.

Literatopia: Bei Fireangels hast Du auch den Romanzweiteiler „In maiorem dei gloriam“ veröffentlicht, in dem es um Engel geht. Was verbindet Himmel und Hölle in Deinem Buch? Und was reizt Dich allgemein an mythologischen Wesen wie Engel und Dämonen?

Anne Delseit: Ich habe mich damals eine Zeit lang mit den verschiedenen Weltreligionen auseinandergesetzt und im Zuge dessen auch mit Engeln, Dämonen, Weltensystemen und allem, was dranhängt, beschäftigt. Und wenn ich mich mit einem Thema näher befasse, überlege ich automatisch, wie ich das für Geschichten kreativ aufbereiten könnte. Ich fand es dabei damals zum Beispiel interessant, dass Gottheiten und andere übernatürliche Wesen anderer Kulturen in der Riege der Teufel und Dämonen landeten. Für IMDG habe ich mir dann schließlich den Erzengel Sariel als Protagonisten zurechtgeplant, der es in unserer modernen Zeit als Gefallener schafft, gleichzeitig für Himmel und Hölle zu arbeiten.

Literatopia: Wie ist der Kontakt zu Euren Fans? Gibt es einen regen Austausch übers Netz? Und wo kann man Euch beide live treffen?

Anne Delseit: Ich bin zum Beispiel auf Facebook (facebook.com/alicubi) und twitter (@alicubi) zu finden, aber der persönliche Austausch auf Messen und Signierstunden ist mir immer noch am liebsten. Ich bin einfach sehr neugierig, wer meine Bücher liest und habe gerne Bilder und Stimmen dazu. Aber ich freue mich natürlich genauso über Leserbriefe, die ich zum Beispiel über das Kontaktformular meiner Webseite bekomme. Zofia und ich signieren als nächstes am 1. Mai auf dem Hexenmarkt auf Burg Satzvey (http://www.burgsatzvey.de). Weitere Termine für Mai und Juni sind in Planung. Wenn ihr wollt, dass wir in eure Stadt kommen, schlagt doch am besten einem Buch- oder Comic-Laden eures Vertrauens vor, uns über den Carlsen Verlag zu buchen.

Zofia Garden: Ich bin hauptsächlich online unterwegs (facebook.com/Orokenworks), da die meisten Cons für mich viel zu weit ausfallen. Aber Animagic 2015 müsste klappen ;)

Literatopia: Könnt Ihr uns schon einen kleinen Ausblick auf den zweiten Band der „SchattenArie“ geben?

Anne Delseit: Nachdem Band eins einen Vampirschwerpunkt hatte, wird Band zwei mehr auf die Werwölfe eingehen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das schöne Interview!

Anne Delseit: Immer gerne!

Zofia Garden: Auch von mir! Liebe Grüße an Alle!

 

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 (Brayden aus "SchattenArie", im Hintergrund Köln)

 


Autorenfoto Anne Delseit (oben rechts): Copyright by Johannes Landstorfer, 2014

Chibi von Zofia Garden (oben links) und Zeichnungen aus "SchattenArie": Copyright by Zofia Garden / Carlsen Verlag

Homepage Zofia Garden: http://zofiagarden.jimdo.com

Homepage Anne Delseit: http://alicubi.de

Rezension zu "SchattenArie" (Band 1)


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia.de geführt. Alle Rechte vorbehalten.