Prophecy (Tetsuya Tsutsui)

Carlsen (Januar 2015)
ca. 220 Seiten, 7,95 EUR
ISBN: 978-3-551-79801-5

Genre: Action, Krimi, Drama


Klappentext

Die Soko „Cybercrime“ des Tokyo Police Departments steht unter Druck: Ein Mann – getarnt mit einer Zeitungsmaske – stellt Videos online, in denen er Rache für nicht ausreichend gesühnte Verbrechen ankündigt. Wer ist der Unbekannte? Wie geht er vor? Was ist sein Motiv? Für die Ermittler beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Während die Lösung des Falles nur schleppend vorangeht, wächst das Interesse der Online-Gemeinde an dem mysteriösen Web-Robin-Hood; bis die User selbst zunehmend in die Geschehnisse verwickelt werden.


Rezension

Die Polizei hat eine neue Abteilung gegründet: „Cyberkriminalität“. Die Mitarbeiter in dieser versuchen den Verbrechen, die im Netz begannen werden, Herr zu werden. Sie verhaften diejenigen, die beispielsweise illegal Spiele herunterladen, um diese zu verkaufen, oder andere Straftaten begehen. Doch dann bekommen sie einen Fall auf den Tisch, der sie vor eine neue Herausforderung stellt. Im Netz tauchen Videos auf, bei denen der selbst ernannte „Paperman“ Verkündungen ausspricht. Getarnt durch eine Zeitungsmaske erklärt er, er würde Rache an nicht ausreichend gesühnten Verbrechern nehmen.

Anfangs wird dies noch nicht sehr ernst genommen, besonders von den vielen Usern, die seine Videos verfolgen. Doch schnell wird den Beamten klar, sie jagen hier einen Verbrecher! Er entführt einen früheren Mitarbeiter eines Cateringservices. Hier hatte er den Kunden zum Spaß Kakerlaken unters Essen gemischt. Laut Paperman wurde er hierfür nicht genügend bestraft. Deshalb zwingt er sein Opfer, selbst mit Kakerlaken gespickte Lebensmittel zu sich zu nehmen. Ein anderer hatte sich einmal in einem offenen Forum über einen Jungen lustig gemacht, der gerade ein Vorstellungsgespräch bei ihm hatte. Da er dessen Würde und Image damit zerstört hatte, hat der Mann nun laut Paperman eine Strafe verdient. Auch ihn entführt er, hält ihn nackt gefangen und erniedrigte ihn brutal.

Das nächste Opfer wird bereits zusammengeschlagen. Paperman scheint sich immer mehr zu steigern und mit jeder Tat nehmen die Befürworter im Netz zu. Schließlich verkündet Paperman, man solle ihm die Menschen nennen, die einen erniedrigt haben, er würde diese Menschen dann töten! Die Polizei kommt ihm stückchenweise auf die Spur, doch noch gehen die Aussagen der Augenzeugen sehr auseinander. Handelt es sich tatsächlich nur um einen Täter? Oder haben sie es sogar mit einer Gruppe zu tun? Und was für Motive stecken hinter diesen Taten?

„Prophecy“ zeigt die Abgründe eines Menschen, der vom Leben hart gebeutelt wurde. Anfangs wirken die Straftaten von Paperman noch relativ harmlos. Doch schnell wird klar, er steigert sich und wird eine echte Bedrohung. Zu Beginn verfolgt der Leser die Arbeit der Polizei und sympathisiert mit dieser. Es wird deutlich und sehr realistisch dargestellt, wie leicht sich Menschen im Internet beeinflussen lassen. Sei es, weil man sich dabei einreden kann, es wäre nicht echt, oder weil einen die Konsequenzen nicht genug berühren, um sich dafür zu interessieren. Aber es kommt oft genug vor, dass Menschen Grausamkeiten im Internet offen darstellen und dafür sogar Befürworter finden.

So ist es auch mit Paperman. Anfangs mag es mehr Gegenstimmen geben, doch von vornherein gibt es die User, die seine Ankündigungen und Handlungen cool oder angemessen finden. Menschen, die ungerecht behandelt wurden und keine Gerechtigkeit erfahren haben, feiern ihn als Held. Mit der Zeit nehmen die Bewunderer immer mehr zu, bis sie irgendwann überwiegen. Und genau diese Veränderung funktioniert so auch im echten Leben. Tetsuya Tsutsui hat sehr schön herausgearbeitet, wie leicht man das Schlechte ausklammert und einfach nur denkt, geschieht dem Opfer recht.

In der zweiten Hälfte des ersten Bandes erfährt man dann mehr über Paperman. Anfangs wird noch ein Charakter vorgestellt, doch schnell wird klar, die Aussagen der Augenzeugen gehen aus einem guten Grund so auseinander … Auch der Leser fängt nun an, in seiner ursprünglichen Meinung zu schwanken. Bleibt man wirklich auf der Seite der Polizei? Man kann einige Entscheidungen sehr gut nachvollziehen, hat sich vielleicht selber schon einmal gewünscht, man würde seinem Gegenüber mehr die Stirn bieten. Aber egal wie weit man in seiner Fantasie geht, die Vernunft hält einen doch davon ab, diese Gedanken in die Tat umzusetzen. Aber was, wenn man diesen Punkt überschritten hat? Man wird unsicher ob man in den folgenden Bänden darauf hoffen soll, dass die Polizei noch mehr Anhaltspunkte findet, oder besser, dass Paperman seine Mission fortsetzt.

Gerade als die Hintergründe deutlich werden, wird klar, wie gut die Charaktere in „Prophecy“ ausgearbeitet sind. Hier scheint jedes Detail zu stimmen. Der Antrieb der Personen ist klar und es wird auch deutlich, wie es zu diesem krassen Schritt kommen konnte. Nicht jeder hätte sich in derselben Situation genauso verhalten, aber nachvollziehen kann es doch jeder ein Stück weit.Leicht fühlt man sich an „Death Note“ erinnert, wo Light Yagami alias Kira ebenfalls anfangs gute Absichten hatte. Jedoch hat er mit der Zeit sein eigentliches Ziel aus den Augen verloren und sich der Macht hingegeben. Ähnlich scheint es auch hier zu passieren. Allerdings in sehr abgeschwächter Version.

Zeichnerisch wirken die Figuren leider recht stereotyp. Sie sind zwar ordentlich gezeichnet und die Charaktere habe auch unterschiedliche Designs erhalten, aber man wünscht sich manchmal Tetsuya Tsutsui wäre etwas mehr aus den üblichen Rahmen ausgebrochen. Passend zur Geschichte sind die Zeichnungen eher düster gehalten, was die Stimmung genau richtig rüberbringt. Die Panelaufteilungen sind klar und strukturiert und bleiben durchgängig sehr ordentlich.


Fazit

„Prophecy“ regt zum Nachdenken an und zeigt deutlich, wie erschreckend einfach es ist, Menschen im Internet zu beeinflussen – und welche Auswirkungen es hat, wenn man all dies aufs echte Leben überträgt. Eine Mischung aus Spannung und vielen dramatischen Szenen. Da es sich um einen sehr ernsten Manga handelt, sollte man sich auf diese schwere Kost einstellen.


Pro & Contra

+ realistische Story
+ glaubwürdige Beweggründe
+ spannende Umsetzung
+ authentische Charaktere
+ passende Zeichnungen

- stereotype Charakterdesigns

Bewertung

Handlung: 4,5/5
Charaktere: 4,5/5
Zeichnungen: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5