Intensity (Dean Koontz)

Heyne (September 2008)
Taschenbuch, Seiten: 496
€ 8,95 [D]
ISBN: 978-3-453-43301-4

Genre: Thriller


Klappentext

Als Chyna Shepherd bei ihrer Freundin im ländlichen Oregon zu Besuch ist, dringt ein psychopathischer Mörder ins Haus und tötet die Familie. Vess, der Killer, verfolgt nur ein einziges Ziel, nämlich jede Empfindung bis zum Äußersten auszukosten. Als Chyna sich gegen ihn zur Wehr setzt, verwickelt er sie in ein mörderisches Spiel, dessen Intensität er mit jedem Spielzug steigert.


Rezension

Chyna Sheperd, Studentin der Psychologie, ist mit ihrer Kommilitonin und einzigen, guten Freundin zu Besuch bei deren Eltern. Obwohl sie dort herzlich Willkommen geheißen wird, findet sie in der Nacht keinen ruhigen Schlaf und schaut stattdessen zum Sternenhimmel empor. Doch soll sich ihre Schlaflosigkeit als Segen erweisen, denn so ist es ihr möglich die dumpfen Geräusche und Schreie zu vernehmen, das Knarren der Dielen unter hektischen Schritten.
In dieser Nacht sterben alle in dem Haus außer Chyna. Aber sie kann nicht einfach fliehen, denn der Mann, Vess, der soeben ein Blutbad angerichtet hat, versteckt ein sechszehnjähriges Mädchen in seinem Keller, das zwar noch unberührt ist, aber seine Zeit tickt.

"Das reptilische Bewusstsein ... Es ist noch immer in uns allen, doch die meisten von von euch tun alles, um es vor sich selbst zu verbergen"
(Vess)


Neben Stephen King ist Dean Koontz der wohl erfolgreichste Horrorautor. Während King sich auf schleichendes, subtiles Grauen spezialisiert hat, pfeift Koontz auf Subtilität als Mittel zur Spannung und fällt viel lieber direkt mit der Tür ins Haus. In eine Schublade packen, lassen sich seine Bücher auch nicht, denn besonders die eigenwillige Mischung aus Genres ist es, die seine Werke aus der Masse hervorhebt. So finden sich fiktionale Aspekte in sonst realistischen Thrillern oder ein Horrorroman wird mit schwarzem Humor gewürzt wie die Reihe um Odd Thomas.
Intensity – frisch bei Heyne, aber ursprünglich schon 1997 das erste mal in Deutschland verlegt – wird von solchen Experimenten (leider) gänzlich verschont und ist ein reinrassiger Thriller.

In erster Linie sind es Chynas Gefühle und Handlungen, aus der Sicht des allwissenden Erzählers, die beschrieben werden. Diese Passagen sind sehr spannend und vor allem detailreich. Kein Gedanke und keine Entscheidung bleiben unkommentiert. Man weiß als Leser immer, warum sie etwas so tut, wie sie es tut. Der ersichtliche Vorteil ist natürlich, dass Logiklöcher zumeist ausbleiben.
Viel spannender sind allerdings die Abschnitte, in denen man in den Geist von Vess eintauchen kann. Im Präsens geschrieben, werden die Beweggründe des Killers erläutert und das so gut, dass man sein Handeln auf eine morbide Art und Weise etwas nachvollziehen kann. Intensiv eben.

Unterteilen kann man das Buch in zwei Hälften. Nach dem Mord an der Familie darf man Chyna bei ihrer Verfolgung begleiten und erfährt einiges über ihr Leben und den inneren Kampf, den sie bestreiten muss. Schließlich verfolgt man nicht jeden Tag einen Mörder.
Koontz schildert das alles sehr aufregend, mischt aber oft zu unpraktischen Zeitpunkten Rückblenden auf Chynas Kindheit hinein, die zwar zur Nachvollziehbarkeit des Geschehens beitragen, aber die Spannung in Mitleidenschaft ziehen.
Selbstredend ist die Konfrontation der zwei Parteien nur eine Frage der Zeit. Eben dieses Zusammentreffen ist der Höhepunkt des Buches, der Leser stellt sich auf ein psychologisches Duell im Stille von Das Schweigen der Lämmer von Thomas Harris ein. Erhofft sich einen Einblick in die Tiefen des kranken Geistes des Killers und wird jäh enttäuscht, als sich das ganze anders entwickelt und dann doch banal und oberflächlich bleibt. Und das Ende setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf.

Intensity ist ein minimalistischer Roman. Ein Kammerspiel zwischen zwei Personen, die sich gegenüber stehen. Durch die Ausflüge in Chynas Vergangenheit bekommt ihr Charakter viel Tiefe, ihr Agieren ist stimmig und ihre Angst und der Schmerz erzeugen ein Unbehagen.
Obwohl die Rolle des Opfers gut ausgearbeitet ist, sind ihre zurückliegenden Lebensabschnitte dann doch Klischeebehaftet. Natürlich ist sie eine Psychologiestudentin und keine Fleischwarenfachverkäuferin, denn wie sollte sie sich sonst mit der Psyche des Killers auseinandersetzen können?
Obligatorisch war ihre Kindheit sehr schwer, was zum einen Koontz als Kindheitsaufbereitung zu dienen scheint und zusätzlich Chynas Entscheidung Vess zu folgen noch heroischer hervorheben soll.

Viel gravierender, als die Schönheitsfehler der Hauptprotagonistin, wiegen die Macken ihres mörderischen Kontrahenten. Besonders da Koontz explizit Vess’ Weltanschauung zeigt, indem er aus seinen Augen schreibt, merkt man, dass viel konstruiert wurde, um das vermeintlich überraschende Ende nicht vorwegzunehmen.
Alles scheint logisch: Vess ist gewitzt, er kann nicht gefasst werden, denn er hat an alles gedacht. Doch der wichtigste Punkt wird verschleiert, um am Ende den erwünschten Aha-Effekt auszupacken, den man sich als erfahrener Thriller-Leser sowieso schon gedacht hat. Und es darf geraten werden, was Vess als Junge schon getrieben hat.

Die rettende Reißleine, die Intensity davor bewahrt, kläglich zu zerschellen, ist die fast greifbare Spannung und die Atmosphäre, die Koontz mit seiner Art zu schreiben erzeugt. Trotz der Details wird es zu keiner Zeit langweilig. Man fliegt nur so über die Seiten und wartet, dass irgendetwas grausames passiert. Die Dialoge, wenn auch spärlich gesät, sind sehr lebendig. Dennoch kann die Sprache die Tatsache nicht verschleiern, dass das Buch inhaltlich nicht viel reißen kann und das versprochene „mörderische Spiel“ nicht liefert.


Fazit

Ein solider und ungemein spannend geschriebener Thriller, der mit seinem Ende aber enttäuscht. Für einen Koontz zu wenig.


Pro und Kontra

+ sehr spannend
+ Charaktertiefe

- das Ende ist konstruiert und aufgesetzt
- klischeebehaftete Charaktere
- kein mörderisches Spiel

Beurteilung:

Handlung 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4,5/5