Chrysaor (James A. Sullivan)

Piper (März 2016)
Klappenbroschur, 510 Seiten, 14,99 EUR
ISBN: 978-3-492-70403-8

Genre: Space Opera / Science Fantasy


Klappentext

Die Menschen haben das Sonnensystem besiedelt, doch Misstrauen und Kriege beherrschen weite Teile der Galaxis. Da werden auf dem Planeten Chrysaor die Überreste einer uralten außerirdischen Kultur entdeckt – eine Station unter der Erde, voller rätselhafter Maschinen. Doch als die Entdeckung bekannt wird, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Denn während man die Artefakte zu entschlüsseln versucht, rüsten die Bewohner des Uranos-Systems zum Angriff. Sie haben es ebenfalls auf den Fund abgesehen. Um eine galaktische Katastrophe zu verhindern, muss der Pilot Chris das Geheimnis der fremdartigen Technologie ergründen, bevor die Uranosier sich ihrer bemächtigen können. Und dabei stößt Chris auf eine ungeahnte Wahrheit ….


Rezension

Chris Mesaidon wurde bereits als Kind für mündig erklärt und hat sich mit Hilfe falscher Freunde in den Ruin getrieben. Als junger Mann hat er seine Fehler wieder weitgehend wettgemacht und sogar ein eigenes, kleines Raumschiff erworben. Umso schmerzhafter wiegt der Verlust, als sein Frachter von der uranosischen Armee in Fetzen geschossen wird. Chris entkommt dem Angriff auf die Raumstation, auf der er aufgewachsen ist, nur knapp – mit Hilfe des Piraten Valmas, der mit ihm auf dem Titan untertaucht. Doch auch dort tauchen die Uranosier auf und Chris wird klar, dass er das Ziel der Armee ist. Aber warum? Hat es etwas mit seiner Familie, die er nie kennengelernt hat, zu tun? Oder gar mit den mysteriösen Maschinen, die man auf dem Planeten Chrysaor gefunden hat?

Während Chris und Valmas den Uranosiern immer wieder knapp entkommen, verliert die Programmiererin und Geschäftsfrau Darae das letzte bisschen Respekt vor ihrem Ehemann, Meljan Solsee, der ein hohes Tier beim uranosischen Militär ist. Einst war Darae blind vor Liebe, doch nun erkennt sie, was für ein psychopathisches Scheusal sie geheiratet hat – und sie schmiedet längst Pläne, ihren Gatten zu verlassen. Dabei unterstützt sie auch Chris und Valmas, um ihrem untreuen Mann eins auszuwischen, doch Chris ist bald mehr für sie als ein Mittel für ihre Rache. Valmas ist einfacher gestrickt, wobei auch er seine Geheimnisse bewahrt. Er entscheidet sich, Chris zu unterstützen, und macht das Beste aus der brenzligen Situation. Man merkt, dass er durch und durch ein Gauner ist, doch im Gegensatz zu den meisten andren Piraten, gibt Valmas noch etwas auf Moral und Ehre.

“Chrysaor“ spielt knapp fünfhundert Jahre in der Zukunft und wird im Roman als „paradiesische Postapokalpyse“ beschrieben, was durchaus zutreffend ist. Einst haben Künstliche Intelligenzen ein Zeitalter des Wohlstands und des technologischen Fortschritts geschaffen. Die Menschheit hat verschiedene Sternensysteme besiedelt, die recht bald Kriege gegeneinander geführt haben. Die KI haben sich nach einem Verrat von den Menschen abgewandt und sich verschwunden. Die Technologien, die sie hinterlassen haben, ermöglichen immer noch einen Wohlstand, der weit über dem liegt, was wir uns heute vorstellen können. Allerdings wissen die Menschen nicht, wie die automatisierten Fabriken, die kleinen Handcomputer oder die Programme auf einem Raumschiff funktionieren. Nur wenige Menschen wie Darae bemühen sich aktiv darum, Wissen zurückzugewinnen, was ihr im Kampf gegen das konservative uranosische Militär viele Vorteile verschafft.

Chris wird zunächst von den Ereignissen mitgerissen und von Valmas von einem Versteck zum nächsten geführt. Er überlässt dem Piraten die Führung und kann als Pilot lange Zeit wenig zum Gelingen ihrer Flucht beitragen. Erst nach und nach gewinnt Chris Selbstvertrauen und bringt eigene Ideen mit ein. Dennoch ist er ein eher zurückhaltender Charakter, der in der zweiten Romanhälfte die Fähigkeiten erhält, die er benötigt, um seine neugewonnenen Freunde zu beschützen. Sein Leben ist auf mystische Weise mit einer Alien-Stadt auf dem Planeten Chrysaor verbunden. Deren Geheimnisse werden am Ende gelüftet und die Weltraumjagd gipfelt in einer spirituellen Erkenntnis, die die Welt der Zukunft verändert.

James A. Sullivan legt in der ersten Romanhälfte ein sehr hohes Tempo vor, dass die Seiten dahinfliegen lässt. Chris und Valmas stecken permanent in Schwierigkeiten. Gleichzeitig kommen viele Fragen auf, deren Auflösung man entgegenfiebert. In der zweiten Hälfte wird das Erzähltempo massiv gebremst und der Endkampf zieht sich fast zweihundert Seiten in die Länge. Einerseits beschreibt der Autor wunderbar, dass Chris und seine Gegner sich nichts schenken und einander ebenbürtig sind, doch er beschreibt auch gefühlt jeden Winkel auf Chrysaor und füttert die Leserschaft mit Details, die man sich im Eifer des Gefechts ohnehin kaum merken kann – und die für das Gelingen der Geschichte nicht wichtig sind.

Anfangs fällt es zudem schwer, nachzuvollziehen, warum die Gegenspieler Chris auf den Fersen bleiben können, da sie in ihrer Überheblichkeit doch manchmal unfähig wirken. Sie sind typische Fieslinge, deren größte Stärken Verbissenheit und Brutalität sind. Jeder von ihnen geht über Leichen und versucht, die anderen auszustechen. Dieser aggressiven Uneinigkeit steht der Zusammenhalt der Protagonisten gegenüber, wobei lange nicht klar ist, welche Seite gewinnt und welche Opfer für den Sieg gebracht werden müssen. Die Raumschlachten und auch die Gefechte auf Planetenoberflächen sind blutig und actionreich – und das Kopfkino zeigt eindrucksvolle Bilder, die man zu gerne verfilmt sehen würde (was bei deutschen Veröffentlichungen leider unrealistisch ist).


Fazit

“Chrysaor“ ist eine actionreich inszenierte Space Opera mit sympathischen Protagonisten, fiesen Antagonisten und mystischen Geheimnissen, deren Enthüllung man kaum erwarten kann. Das Setting der „paradiesischen Postapokalypse“ ist ungemein spannend und auch wenn der Roman in sich geschlossen ist, so würde man doch gerne zurückkehren in diese schillernde und gleichzeitig schmutzige Zukunft.


Pro und Contra

+ cooles Setting der „paradiesischen Postapokalypse“
+ actionreiche Weltraumschlachten
+ Protagonisten sind allesamt Sympathieträger
+ fiese Gegenspieler
+ Space Opera mit Fantasyeinflüssen
+ das Geheimnis von Chrysaor
+ der Nachhall der Künstlichen Intelligenzen
+ spannend bis zum Schluss

- Finale zieht sich etwas zu sehr in die Länge
- Schachzüge der Gegenspieler nicht immer nachvollziehbar

Wertung: sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 3,5/5


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Tags: Space Opera, Künstliche Intelligenz, James A. Sullivan, Schwarze Autor*innen, deutschsprachige SF