Sieben Heere (Tobias O. Meißner)

Piper (November 2015)
Klappenbroschur
408 Seiten, 16,99 EUR
ISBN: 978-3-492-70312-3

Genre: Fantasy


Klappentext

Es ist die dunkelste Stunde des Reiches Akitanien. Sieben Heere, gebildet aus den skrupellosesten Kriegern, halten Einzug ins Land und besetzen Städte und Dörfer. Den Bewohnern bleibt nur die Wahl zwischen bedingungsloser Unterwerfung oder qualvollem Tod. Doch aus Verzweiflung können ungeahnte Kräfte entstehen. Eine einzelne vom Feind besetze Siedlung erwacht aus seiner Ohnmacht und entwirft einen Plan, der das Kräfteverhältnis in diesem Krieg für immer verändern könnte.


Rezension

Der Klappentext von „Sieben Heere“ – und ein wenig auch der Titel – erweisen sich als irreführend. Zwar entsendet das kriegerische, gerade von einer Dürre heimgesuchte Nafarroa sieben Heere in das friedliche, wohlhabende Nachbarland Akitanien, aber diesen größeren Zusammenhang bekommt man nur ganz am Rande mit. Immerhin ist das Buch aus der Perspektive der Bewohner Hagetmaus geschrieben und damit aus Sicht einiger weniger, isoliert lebender Dörfler, für die die Herrschenden und ihre Auseinandersetzungen kaum mehr als Geschichten sind. Und auch die zunächst nur dreißig Soldaren, die Hagetmau besetzen, sind keineswegs die brutalen Unterdrücker, die der Klappentext vermuten lässt, sondern ganz gewöhnliche Menschen, die eine ruhige, reibungslose Übernahme vorziehen würden.

Zunächst sieht es ganz so aus, als hätten sie damit Erfolg. Die Hagetmauer hoffen, dass der Capitar der Besatzer nicht lügt, wenn er verspricht, dass sich für sie nichts ändert außer der Name ihrer Königin. Darüber hinaus hat der langjährige Frieden in Akitanien dafür gesorgt, dass es im Dorf weder Waffen gibt, noch Menschen die kämpfen können oder wollen. So fügen die Dörfler sich trotz ihres Unbehagens und einiger rebellischer Stimmen der Annexion und hoffen, dass der Friede bestehen bleibt. Doch als der notorische Unruhestifter Tautun – halb betrunken, halb von einem grundsätzlichen Hass auf den Rest der Welt getrieben – zwei Soldaren erschlägt, müssen die Hagetmauer damit rechnen, dass der Capitar womöglich ein grausames Exempel statuieren wird, um andere potentielle Rebellen abzuschrecken.

Sie fassen einen Plan, um den Mord zu vertuschen, doch als dieser auffliegt, bleibt ihnen nur noch eines übrig: Alle dreißig Besatzer müssen verschwinden, damit sie behaupten können, dass sie nie in Hagetmau angekommen sind. Der stotternde Außenseiter Sinion erweist sich als überraschend guter, kaltblütiger Stratege und Tautun und dessen leidenschaftliche Freundin Varlie machen sich daran, gemäß seines Plans einen Soldaren nach dem anderen zu töten. So beginnt ein Kampf, in den allmählich das ganze Dorf hineingezogen wird und der stetig weiter eskaliert.

Meißner hat für seinen Roman eine ungewöhnliche Perspektive gewählt. Während viele Fantasyromane die Geschichten großer Eroberungen aus der Sicht der Herrschenden oder der Schlüsselfiguren auf beiden Seiten schildern, bietet „Sieben Heere“ eine Art Mikroperspektive. Es geht um ein einziges Dorf, das die Hintergründe seiner Besatzung nur aus Gerüchten kennt, und um die Individuen auf beiden Seiten: ziemlich durchschnittliche Menschen, die sich jäh mit einer Situation konfrontiert sehen, die sie überfordert und unwiderruflich verändert. Einige zeigen überraschende Fähigkeiten, andere offenbaren gefährliche Schwächen. Und viele verlieren selbst in Situationen, in denen es um das Überleben aller geht, nie ihren persönlichen Ehrgeiz aus dem Auge. Obwohl es keine Figuren gibt, die wirklich Interesse wecken und einen mitfiebern lassen, sind sie doch alle weitestgehend überzeugend. Es ist eine der Stärken des Buches, dass auch die Besatzer sehr menschlich erscheinen und man ihren Tod nie gleichgültig miterlebt.

Von dem Weltentwurf, in den das Geschehen eingebettet ist, bekommt man wenig mit. Dennoch gelingt es dem Autor, seinen Schauplatz durch das Einstreuen von Details über die Hagetmauer, ihre Tradition und Lebensweise zum Leben zu erwecken. Er benutzt auch einige eigene Begriffe, die oft an bekannte Wörter angelehnt sind: Soldaren statt Soldaten, Capitar statt Captain, Byrgherin statt Bürgermeisterin, Semane statt Schamane. Apropos Semane: In der Welt von „Sieben Heere“ scheint es eine Form der Elemente-Magie zu geben. Jedes Dorf hat seinen Semanen, der eine Affinität zu einem bestimmten Element hat und seine harmloseren Zauber im Alltag einsetzt. Allerdings bleiben die Regeln der Magie sehr diffus und unklar und selbst die Kapitel aus der Sicht eines Semanen tragen wenig dazu bei, Licht ins Dunkel zu bringen.

An „Sieben Heere“ fallen die oft sehr kurzen Kapitel und häufigen Perspektivwechsel auf. Das irritiert zunächst ein wenig, erweist sich aber später als sinnvoll, wenn viele wichtige Ereignisse gleichzeitig stattfinden. Es ist auch immer klar, aus wessen Sicht geschrieben wird. Der Stil ist leider nicht sehr flüssig. Gelegentlich finden sich erklärend oder analysierend anmutende Passagen, die nicht so recht in den Gedankenstrom der Figuren passen wollen und Distanz zum Geschehen schaffen. Insgesamt macht der Stil es schwer, sich mit Figuren zu identifizieren und vollends in die Geschichte einzutauchen.


Fazit

Meißners Roman ist ungewöhnlich, da er die Geschichte einer Eroberung gewissermaßen von der Basis aus erzählt und die Menschen in den Vordergrund stellt, die in anderen Büchern meist nur als Teil einer Menge Erwähnung finden. „Sieben Heere“ hat einige spannende Momente, vor allem, da gerade am Anfang wenig passiert, aber geschickt eine Atmosphäre drohenden Unheils heraufbeschworen wird. Dennoch gibt es deutlich mitreißendere und besser geschriebene Bücher.


Pro und Contra

+ originelle Details
+ realistische Figuren
+ ungewöhnliche Perspektive
+ Mitgefühl mit Figuren auf allen Seiten

o kurze Kapitel, häufige Sprünge zwischen Perspektiven

- allzu erklärende Erzählstimme
- keine Figur, mit der man wirklich mitfiebert
- irreführender Klappentext

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 3/5


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