Alles was ich muss ist weg (Maren Elbrechtz)

Elbrechtz M Alles was ich musss

Ulrike Helmer Verlag, 1. Auflage, 2016
Taschenbuch, 240 Seiten,
14,95 Euro [D]
ISBN-13: 978-3-897-41381-8

Genre: Belletristik


Klappentext

Suza Schimmer funktioniert nicht mehr. Ihr Hirn kann nicht länger verarbeiten, was die Augen sehen und die Ohren hören. Klare Diagnose: Burnout!
Doch Suza wäre nicht Suza, wenn sie nicht einen eigenen Weg fände, sich aus der Misere zu ziehen. Zwangstöpfern in einer Klinik ist für sie keine Alternative, denn ihr Problem ist das Müssen. Suza will eine Auszeit vom Müssen haben. Kurzerhand begibt sie sich auf Reisen. Im geheimnisvollen Süddeutschland begegnet sie vielen Japanern, Amerikanern und vor allem sich selbst, aber auch Walburg, ihrer inneren Stimme, mit der sie über das Leben, die Liebe und die unbewiesenen Vorzüge des Nordens philosophiert …


Die Autorin

Maren Elbrechtz wurde 1976 im Ruhrgebiet geboren, machte 2000 ihren Magister und arbeitete unter anderem als Projektkoordinatorin, Producerin, Creative Producerin und in der Drehbuchentwicklung der Film- und Fernsehbranche. Seit 2009 ist Maren Elbrechtz Dozentin für Drehbuch und Produktion.


Rezension

Suza Schimmer hat ein Problem: Sie kann nicht mehr. Ganze Tage verbringt sie im Bett, antriebslos, schlapp und gefangen in trüben Gedanken. Als ihr dann beim Gang zum Supermarkt auf der Treppe die Beine wegknicken und sie ohne Grund Herzrasen bekommt, ist ihr die Diagnose klar: Burnout. Kurz entschlossen sucht sie ihren Hausarzt auf, der nach einigen Untersuchungen ihren Verdacht bestätigt. In eine Klinik möchte Suza aber nicht. Als die Aussetzer zunehmen und der Kontakt zu anderen Menschen unmöglich wird, beschließt sie, sich eine Auszeit zu nehmen. In wenigen Minuten ist eine Reise in den Süden geplant. Suza sucht sich Orte, an denen sie noch nie war. In idyllischen Ortschaften versucht sie, wieder zu sich selbst und ihre innere Ruhe zu finden. Doch ganz allein bleibt Suza auf ihrer Reise, denn bereits nach kurzer Zeit gesellt sich ihre innere Stimme, von Suza kurzerhand Walburg genannt, zu der Burnout-Patientin. Zu zweit, aber wenig zweisam, erleben die beiden den Süden Deutschlands, erleben die verschiedenen Subkulturen und philosophieren dabei über das Leben, die Liebe und die Welt.

In ihrem zweiten Roman kehrt Maren Elbrechtz zu der Protagonistin ihres ersten Buches Motten tragen keinen Helm zurück. Suza Schimmer ist dabei gewohnt chaotisch und spannend anders. Ihr herrlich trockener Humor wirkt in diesem Roman jedoch gedämpft. Ihre Gedanken wenig fokussiert, turbulent und schemenhaft. Das geht auf kurze Zeit gut, liest sich sogar interessant, ist auf Dauer aber auch anstrengend. Da kann man suzas innerer Stimme Walburg nur zustimmen, die dieses Chaos als eine der Quellen für Suzas Burnout identifiziert. Neben den allseits präsenten Gedanken, dem Arbeitsstress ist da aber noch die Liebe. Denn Suza hat wieder einmal Liebeskummer, auch wenn dieser winzige Teil dieses Mal nur angerissen wird und die Dtails nicht konkretisiert werden. 

Wie im Vorgänger schreibt Elbrechtz auch diesen Roman im Präsens. In der Ich-Perspektive erlebt der Leser hautnah, wie Suza die Wände zu erdrücken drohen und darf durch ihre Augen den schönen Süden erleben. Es geht von Köln, nach Speyer und über Heidelberg und Nürnberg weiter auf die Wiesn. Dabei findet die Protagonistin einige interessante, absurd komische Details in den verschiedenen Ortschaften und entdeckt neue skurrile Hobbies, wie zum Beispiel Japanische Touristen zählen. Alles was ich muss ist weg ist dabei zugleich nachdenklich, wie akzentuiert humorvoll, anstrengend und ein unterhaltsamer Reisebericht. Aufgelockert wird die Geschichte über vereinzelte Bilder, die Suza auf der Reise schießt. Unscharfe, verwackelte Momentaufnahmen, auf denen die Hälfte fehlt. Es sind passende Fotos, die zwar wenig spannend sind und wenig zeigen, dabei aber vor allem eines sind: authentisch.

Auf der Reise ist Suza weitestgehend allein. Ab und an meldet sich ihre innere Stimme zu Wort. Leider ist Walburg wenig sympathisch gestaltet. Die Dialoge wirken sperrig und angestrengt. Manche Szene verliert durch Walburgs Kommentare zudem an Tiefe und Aussagekraft. Ansonsten ist der Leser herrlich allein mit dem Querkopf Suza und darf dieses Mal erneut einen Einblick in die einzigartige Gedankenwelt nehmen, und suza hat wirklich zu vielen Dingen eine Meinung, sei es Demenz, Geld, Liebe oder die Frage, ob eine Muslimin, die in einer evangelischen Kirche putzt nun politisch korrekt oder diskriminierend ist. Etwas schade für Leser des ersten Bandes: Elbrechtz hält sich in diesem Band absichtlich vage, so gibt es lediglich hauchfeine Andeutung zum ersten Teil, aufgegriffen wird jedoch nichts. 

Das Thema Burnout ist in unserer Zeit mehr als aktuell. Immer mehr Menschen fallen in Depressionen, sind schlichtweg überfordert von der Hektik der Zeit und ihrer Arbeit, die immer mehr von uns verlangt, immer schneller immer mehr fordert. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Reisetherapie wirklich hilfreich wäre, doch der Roman zeigt auf, was wichtig ist: Freiräume schaffen, sich Zeit nehmen und wieder mehr im Hier und Jetzt sein. Es ist damit zugleich unterhaltsam wie auch erschreckend nah an der Realität und ermahnt uns unbewusst zu einem bewussteren Leben. Besonders interessant finde ich persönlich die Titelwahl bzw. dessen Darstellung auf dem Cover. Die Gestaltung erlaubt dem Leser zwei Lesarten: Kontinuierlich als Alles was ich muss, ist weg, oder aber den Farben entsprechend: Alles was ich ist, muss weg.


Fazit

Maren Elbrechtz neuer Roman trägt den Titel Alles was ich muss ist weg – Reiseroman mit Burnout, und in der Tat beschreibt dieser Titel die Geschichte tadellos. Die überarbeitete Suza Schimmer packt kurzerhand ihre Tasche und fährt in den Süden Deutschlands, allein und ohne Plan. Sie will endlich mal wieder nichts müssen, und lernt auf der Reise endlich wieder sich selbst und die eigenen Gedanken kennen. Chaotisch, mitunter diffus und herrlich absurd fasst die Geschichte einen Burnout in ein anschauliches Bild. Nicht nur als Reiselektüre empfehlenswert.


Pro/Contra

+ Suza Schimmer
+ absurd chaotische Geschichte
+ passende Darstellung eines Burnout
+ unterhaltsamer Reisebericht

o Stil
o Dialoge mit Walburg sind eher ungelenk und sperrig als unterhaltsam

- Ende etwas zu kurz angebunden
- Auflösung zu rasch

Bewertung: sterne4

Charaktere: 4/5
Handlung: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu "Motten tragen keinen Helm"