Winterhonig (Daniela Ohms)

Ohms D Winterhonig

Knaur Verlag, 1. Auflage, April 2016
Gebundene Ausgabe, 590 Seiten,
19,99 Euro [D] 
ISBN-13: 978-3-426-65397-5

Genre: Belletristik/ Historik


Klappentext

Eine lebensgefährliche Liebe in einer harten, bäuerlichen Welt.

Als jüngstes von 10 Geschwistern kennt Mathilda die Härten des Lebens nur zu gut. Einziger Lichtblick seit ihrer Kindheit: Karl, der Stallknecht des benachbarten Gutshofes. Schon als Junge tröstete er die kleine Mathilda mit einer ganz besonderen Leckerei: seinem wunderbaren Winterhonig. Nun, im Erwachsenenalter, ist aus der kindlichen Zuneigung eine tiefe Liebe geworden. Doch als in ihrem abgelegenem westfälischen Dorf Misstrauen und Hass um sich greifen, während Flugzeuglärm und Bombenexplosionen selbst hier zum Alltag werden und der Terror der Nazis auch vor ihrem Dorf nicht haltmacht, wird die Lage für Karl aussichtslos. Denn er hütet ein Geheimnis, das ihn das Leben kosten könnte.


Die Autorin

Daniela Ohms, geboren 1978, studierte Literaturwissenschaften mit den Nebenfächern Psychologie und Geschichte. Für ihren neuen Roman Winterhonig hat Ohm sich durch die Erinnerungen ihrer Großmutter, Jahrgang 1924, inspirieren lassen, die im Paderborner Land als jüngstes Kind einer elfköpfigen Bauernfamilie aufwuchs und in ihrer Jugend die Wirren und Nöte des zweiten Weltkrieges erlebte. Daniela Ohms ist neben dem Schreiben in einer Literaturagentur tätig und wohnt mit ihrer Familie in Berlin.


Rezension

Im Juli 1940 kehrt die junge Mathilda nach einem Jahr in der Ausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort lebt sie mit ihrem Vater, ihren Schwestern Lena und Katharina und ihrem älteren Bruder Joseph, bis dieser für Hitlers Feldzug gegen Frankreich eingezogen wird. Über Joseph kommt Mathilda wieder mit Karl in Kontakt, dem ehemaligen Stallknecht der Nachbarn. Mathilda kennt Karl seit sie neun Jahre alt ist und verbindet mit ihm zahlreiche schönere Erinnerungen, denn der ältere Junge hat sie nicht nur getröstet, wenn ihre Familie ihr gegenüber ungerecht war, sondern ihr auch das Reiten und das Klavierspielen beigebracht. Kurz nach Mathildas 14. Geburtstag verschwand Karl indes und trat, ohne Ankündigung der Kavallerie bei. Nun, zwei Jahre später, nimmt Mathilda über Briefe erneut Kontakt zu Karl auf. Zwischen den beiden entspannt sich ein reger Briefkontakt. Nach und nach kommen sich die beiden wieder näher. Inmitten des zweiten Weltkrieges entsteht eine zarte Liebesgeschichte, die nicht nur durch die Waffen des Feindes, sondern auch durch Karls Vergangenheit bedroht ist.

Mit Winterhonig widmet sich Daniela Ohms einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und versucht, in den Wirren des 2. Weltkrieges eine Liebesgeschichte zu erzählen. Inspiration für den Roman ist dabei die Lebensgeschichte der Großmutter, die in den 20er und 30er Jahren auf dem Land aufwuchs.
In der Tat widmet Ohms Mathilda sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit, um dem Leser ihre Kindheit vor Augen zu führen. Als jüngstes von zehn Kindern ist Mathilda das Nesthäkchen in der Familie. Sie gilt als ungeschickt und verträumt. Seit dem frühen Tod ihrer Mutter fühlt sich das Mädchen zudem isoliert. Nur ihr Bruder Joseph ist ihr ein Anker in dem harten Leben auf dem Hof. Dies ändert sich mit dem Eintreffen fünf Jahre älteren Karls, der auf dem Nachbarhof der Steinecks als Stallknecht anheuert. Der beste Freund ihres Bruders Joseph wird zunehmend zum Mittelpunkt ihres Lebens, zuerst als treuer Freund, später als Objekt der ersten großen Liebe.

Über zahlreiche Rückblenden erhält der Leser Einblick in das harte Leben auf dem Hof, über Mathildas Familie und darüber, wie sich das Leben und die Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder im Laufe des Krieges verändern. Der Leser erlebt Mathilda hierbei als ernstes, neugieriges Mädchen, das sich immer bemüht, alles richtig zu machen, oft aber über die eigene Unsicherheit stolpert.

Der naiven Mathilda steht der ältere Karl gegenüber. Im Gegensatz zu dem jungen Bauernmädchen ist Karl aufgeklärt, clever und pragmatisch. Trotz seiner Jugend hat Karl bereits viel erlebt. Seine tragische Geschichte entfaltet sich indes erst zum Ende hin. Ohms kehrt allerdings von Anfang an immer wieder zu dem smarten Soldaten zurück und lässt den Leser durch seine Augen zuerst die französische Front und später den Russlandfeldzug erleben. In den düsteren Kapiteln zeigt sich Ohms Schreibtalent und ihre fleißige Recherche, denn die Abschnitte sind nah am Kriegsgeschehen ohne wie ein trockenes Lehrbuch zu wirken. Neben dem eigentlichen Kriegsgeschehen, das bereits ergreifend genug ist, fließen so auch Nahrungsmangel, Frost und Krankheit in Karls Erzählungen ein. Zur Auflockerung baut die Autorin immer wieder Briefe ihrer beiden Protagonisten, die den Leser auf eine emotionale Achterbahn entführen.

Ohms Stil ist dabei durchgehend überzeugend. Flüssig führt die deutsche Autorin den Leser durch ihre Geschichte und weiß zu unterhalten, gleich, ob sie die alltägliche Arbeit Mathildas auf dem Bauernhof, das erschreckende Kriegsgeschehen oder die Liebesbriefe ihrer Figuren beschreibt. Bildhaft und je nach Situation mal verspielt oder ernst führt Ohms den Leser durch den zweiten Weltkrieg. Immer dicht an ihren Charakteren, die von den Protagonisten bis zum letzten Nebencharakter durchgehend dreidimensional und authentisch gestaltet sind.


Fazit

Winterhonig – hinter dem schlichten Titel und dem ebenso einfach gehaltenen Einband verbirgt sich ein anrührender Roman über vielschichtige Familienbande, Hass und Krieg, Verlust und Verzweiflung, aber vor allem Hoffnung und Liebe. Basierend auf der Lebensgeschichte ihrer Großmutter erzählt Daniela Ohms die Geschichte der jungen Mathilda, die auf dem Hof ihrer Eltern den zweiten Weltkrieg miterlebt und in all den harten Jahren die Hoffnung nicht aufgibt, ihre große Liebe Karl, der als Kavallerist im Krieg dient, wiederzusehen. Es ist eine mitreißende Geschichte, historisch und spannend, nah an den Emotionen und äußerst eindringlich.


Pro/Contra

+ Authentische Darstellung des Krieges und der Umgebung der damaligen Gegebenheiten
+ realistische Charaktere
+ flüssiger, mitreißender Schreibstil
+ Idee
+ Thema des Winterhonigs wird immer wieder gekonnt aufgegriffen

o zahlreiche Liebesbriefe

- trotz ihres Charakterdesigns (wissbegierig und neugierig) ist Mathilda dem Treiben der Nazis gegenüber erschreckend naiv
- Liebesgeschichte wird künstlich dramatisiert über Dreiecksgeschichte

Bewertung:

Charaktere: 4,5/5
Handlung: 4,5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5