Schattenreiter (Marc Turner)

Heyne (August 2016)
Originaltitel: „When the Heavens Fall – The Chronicles of the Exile, Book 1“
Übersetzerin: Kirsten Borchardt
Taschenbuch
781 Seiten, 15,99 EUR
ISBN: 978-3-453-53412-4

Genre: High Fantasy


Klappentext

In den Landen des Exils steht der Orden der Bewahrer vor dem Niederdang. Doch dann wird ein mächtiges Artefakt gestohlen: das Buch der Verlorenen Seelen, welches seinem Besitzer Macht über Leben und Tod verleiht. Ein Nekromant will damit den Gott des Todes herausfordern – wenn nicht ein Reiter mit magischen Kräften ihn aufzuhalten vermag…


Rezension

Die Ausgangslage von Schattenreiter ist eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten: Der magisch begabte Bewahrer Luker sieht zähneknirschend, wie sein Orden mehr und mehr unter den Einfluss eines gerade aufgestiegenen Imperators gerät. In einem anderen Land ringt Prinz Ebon darum, den Frieden mit der Nachbarnation zu erhalten – und sich als Herrscher zu beweisen, obwohl er von den Geistern eines lange vergessen Volkes besessen ist. Parolla, die ihre eigene mächtige Todesmagie fürchtet, ist zugleich auf der Flucht vor den Häschern eines zornigen Gottes und auf einem ganz persönlichen Rachefeldzug. Allein Romany, Priesterin einer manipulativen Gottheit, die sich nur „Spinne“ nennt, genießt ein friedliches Leben voller Privilegien.

Doch alles ändert sich, als der Magier Mayot Mencada dem Gott der Toten das Buch der Verlorenen Seelen stiehlt. Er weigert sich, es dem Imperator, für den er ursprünglich gearbeitet hat, zurückzubringen und schwingt sich zum Herrscher eines Heeres von Untoten auf. Mayot weiß nicht, welche Kräfte er da entfesselt. Und er weiß auch nicht, dass Romany, die nun doch ihren Tempel verlassen musste, ihn im Dienst der Spinne gegen deren Feinde ausspielt. Der sterbende Wald, in den Mayot geflohen ist, wird schließlich zum Zentrum der Ereignisse: Von überall her reisen diejenigen an, die sich die Macht des Buches zu Eigen machen oder aber es zerstören wollen.

Aus verschiedenen Gründen wagen die Protagonisten die gefährliche Reise. Sie führt sie durch eine düstere Welt, in der Magie allgegenwärtig ist und in der die Sterblichen von sehr fehlbaren Göttern wie Spielfiguren hin- und hergeschoben werden. Es gibt verschiedene Arten von Magie (Elementemagie, Todesmagie, die auf Fäden und Illusionen basierende Zauberkunst der Spinne,…), Geister und zahlreiche ungewöhnliche Fantasygeschöpfe.

Es dauert eine Weile, bis sich herauskristallisiert, wo sich die Handlung hinbewegt und die Motive so einiger Figuren bleiben lange im Dunkeln. Die Reise Lukers und seiner Gefährten zieht sich gelegentlich trotz der Gefahren, denen sie sich stellen müssen, gelegentlich etwas hin. Auch gerade am Ende folgen extrem viele Kämpfe aufeinander, als die Protagonisten durch die Reihen von Mayots untotem Heer zu dem Magier vorzudringen versuchen. Die Spannung bleibt zwar durchgängig erhalten, aber dieser Teil hätte kürzer sein können. Gut gemacht sind jedoch die fragilen Allianzen, aber auch das Misstrauen und die Kämpfe, wenn die verschiedenen Parteien, die hinter dem Buch her sind, ihre Interessen durchzusetzen versuchen – und dass hinter ihnen Götter stehen, die sich noch weniger in die Karten blicken lassen.

Leider erwachen nicht alle Figuren gleichermaßen zum Leben. Der verantwortungsbewusste, mutige Ebon sollte eigentlich sympathisch sein, aber gewinnt als Figur nicht so richtig an Profil. Luker beeindruckt durch seine Kompetenz als Zauberer und Kämpfer, aber bleibt als Charakter blass, so dass man gerade mit ihm nicht mitfiebert. Vielleicht ist das der Grund, dass die zahlreichen Kämpfe, die er ausfechten muss, einem beim Lesen nicht wirklich spannend erscheinen. Die selbstgefällige Romany gewinnt deutlich mehr an Plastizität. Sie hat so zahlreiche fragwürdige Charakterzüge, aber wird dadurch zu einer sehr menschlichen Figur. Ebenso tragen Parollas innerer Konflikt und ihre starke Motivation dazu bei, dass man ihrem Handlungsstrang mit viel Interesse folgt. Einige Formulierungen könnten eleganter sein, aber im Großen und Ganzen liest sich die Sprache von „Schattenreiter“ sehr flüssig und schafft es, die spektakulären Konfrontationen zwischen den mächtigen Figuren angemessen beeindruckend zu schildern.


Fazit

„Schattenreiter“ spielt in einer faszinierenden Welt, in denen die Sterblichen Figuren im undurchschaubaren Spiel der Götter sind. Marc Turner hat viele interessante Details eingewoben. Eine Vielzahl von Parteien mit widerstreitenden Interessen sorgt dafür, dass das Geschehen meist spannend bleibt. Nur ein paar Passagen ziehen sich ein wenig hin und auch wenn es sehr spannende Figuren gibt, bleiben andere ziemlich blass.


Pro und Contra

+ interessante Welt voller Geheimnisse
+ originelle Details machen eigentlich klassisches Magiesystem innovativer
+ Parolla und ihre Hintergrundgeschichte
+ Interessenkonflikte zwischen verschiedenen göttlichen und sterblichen Parteien

- Kämpfe am Ende und Lukers Reise ziehen sich etwas in die Länge
- Ebon bleibt ein wenig, Luker sehr blass

Wertung: 

Handlung: 4/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5