Der König auf Camelot (T.H. White)

Klett-Cotta (März 2016)
Originaltitel: The Once and Future King
Übersetzer: Rudolf Rocholl, H.C. Artmann
Taschenbuch
779 Seiten, 15,00 EUR
ISBN: 978-3-94970-4

Genre: Fantasy


Klappentext

Sie nannten ihn „die Warze“ und wie eine lästige Warze wurde der kleine Art von seinem Vetter Kay auch behandelt. Doch nicht Kay gelang es, das sagenumwobene Schwert Excalibur aus dem Stein zu ziehen, sondern Art, dem künftigen König der Tafelrunde. Als viel später Arthurs Frau Ginevra eine Liebschaft mit dem tapferen Ritter Lanzelot eingehet und der intrigante Sir Mordred nach dem Thron trachtet, nimmt das Schicksal seinen Lauf.


Rezension

„Der König auf Camelot“ ist in vier Bücher unterteilt. Das erste ist der Ausbildung des jungen Arthur durch den Zauberer Merlin gewidmet. Merlin erscheint als zerstreuter, aber genialer Mann, der rückwärts in der Zeit lebt. Arthur erlebt Abenteuer und wird immer wieder in Tiere verwandelt, um aus den verschiedensten Perspektiven über die Welt zu lernen. Merlin hat hochfliegende Pläne mit dem jungen Mann und von ihm inspiriert will Arthur die Anarchie in einem chaotischen England, in dem Feudalherren rücksichtslos das Recht des Stärkeren ausüben, beenden und eine Herrschaft des Rechts einführen. Als er Excalibur aus dem Stein zieht und so zum König des Landes wird, sieht es aus, als bekäme er die Chance dazu.

In den nächsten drei Büchern geht es um ihn und die Ritter seiner Tafelrunde. Sie ziehen auf Abenteuer aus, verstricken sich in Schuld und Konflikte und Arthur stellt fest, dass all seine schönen Pläne zu scheitern drohen. Die wenigen Ritter, die voll und ganz denselben Idealen anhängen wie er, verliert er nach und nach und die Tafelrunde droht zu zerbrechen.

Es ist schwer „Der König auf Camelot“ zu beschreiben. T.H. Whites Nacherzählung von Malorys berühmtem Ritter-Roman ist immer wieder von Ironie und Anachronismen durchzogen. Der allwissende Erzähler verweist ständig auf den zeitlichen Abstand zwischen ihm und den erzählten Ereignissen, fügt Erklärungen für den modernen Leser ein und scheint oft eine ironisch-distanzierte Haltung zum Geschehen einzunehmen. Viele Szenen (wenn sich z.B. zwei Ritter als ein Ungeheuer verkleiden, um einem Dritten, der sich auf die Jagd auf dieses verschrieben hat, aus seiner Schwermut zu helfen) oder Bemerkungen der Figuren, die nicht in ihre Zeit passen wollen (so wird z.B. der Bauernführer John Ball mehrfach als „Kommunist“ bezeichnet) lassen das Geschehen gelegentlich karikaturenhaft wirken, teilweise scheint es, als würden die Charaktere selbst glauben, eine Rolle zu spielen.

Die Art, wie White historisches Geschehen, die märchenhaften Ereignisse der Artus-Legende und Anspielungen auf die Gegenwart mischt, lässt immer wieder Distanz zum Geschehen aufkommen oder zieht es sogar ins Lächerliche. Diese Distanz verliert sich allerdings, wenn der Erzähler einfühlsam über die Figuren, ihren Charakter und ihre oft verworrene Motivation schreibt. Dann wirken sie plötzlich sehr real und man kann nicht anders, als Anteil an ihren oft tragischen Geschichten zu nehmen. Darüber hinaus gibt es sehr reflektierte Passagen, in denen Arthur und andere Figuren, aber auch der Erzähler darüber philosophieren, ob es überhaupt möglich ist, eine friedliche und gerechte Gesellschaft zu errichten.

„Der König auf Camelot“ wird zum Ende hin tragischer, aber auch spannender. Allerdings nimmt der Roman, obwohl seine Sprache durchaus angenehm ist, selten wirklich Tempo auf, da der Erzähler sich zu oft und zu lange in Details und Erklärungen verliert.


Fazit

Es ist schwer, „Der König auf Camelot“ einzuordnen: Handelt es sich um einen Fantasyroman? Satire auf die Artus-Legenden, die deren mangelnde Glaubwürdigkeit bloßlegen will? Oder ein Buch, das anhand dieser Legenden Fragen nach menschlichen Beziehungen und der menschlichen Natur stellt? Irgendwie ist Whites gelegentlich etwas langatmiger Roman all das gleichzeitig, was ihn irritierend, aber auch interessant zu lesen macht.


Pro und Contra

+ glaubwürdige Motivation der Figuren
+ basiert wahrscheinlich auf intensiver Auseinandersetzung mit der Artus-Legende
+ ungewöhnlicher Ansatz für Nacherzählung
+ stellt auf unaufdringliche Weise menschliche Grundfragen

o komische Effekte durch Distanz des Erzählers und Mischung von Märchenhaftem, Historischem und Anspielungen auf die Gegenwart

- langatmige Erklärungen
- unstimmige Details machen es unmöglich, sich wirklich in der Geschichte zu verlieren

Wertung: 

Handlung: 3/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3/5