Flavia de Luce - Mord ist nicht das letzte Wort (Alan Bradley)

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Penhaligon (April 2017)
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
352 Seiten; 19,99€
ISBN: 978-3764531133

Genre: Krimi


Klappentext

Einer gibt den Löffel ab – und Flavia ermittelt wieder!

 Endlich kehrt Flavia vom Internat in Kanada zurück nach Buckshaw, nur um dort zu erfahren, dass ihr Vater im Krankenhaus liegt und keinen Besuch empfangen darf. Um ihren boshaften Schwestern zu entkommen, schwingt Flavia sich auf ihr Fahrrad: Sie soll für die Frau des Pfarrers eine Nachricht an den abgeschieden lebenden Holzbildhauer Mr. Sambridge überbringen. Doch niemand öffnet. Neugierig betritt Flavia die Hütte und ist überrascht, einen Stapel Kinderbücher im Zuhause des ruppigen Junggesellen zu entdecken. Und noch ein unerwarteter Fund steht Flavia bevor – denn an der Schlafzimmertür hängt, kopfüber gekreuzigt, der tote Mr. Sambridge …


Rezension

Auf dem Höhepunkt der Bücherreihe sollte Band 6, „Eine Leiche wirbelt Staub auf“, eigentlich eine neue Ära einläuten für die kleine Detektivin. Flavia wurde nach Kanada verfrachtet – gegen ihren Willen versteht sich – in Miss Bodycote’s Female Academy,  in der ihr eine Karriere als Spionin im Auftrag Großbritanniens in Aussicht gestellt wurde, wie es ihre verstorbene Mutter war und ihre Tante noch ist. Es schien eine gute Entscheidung zu sein, denn wie oft noch soll im gemütlichen Bishops Lacey eine Leiche vor Flavias Füße purzeln? Leider passiert genau das in Kanada. Wortwörtlich fällt ihr eine Leiche vor die Füße und Flavia ermittelt. Das Ganze stellte sich also lediglich als ein Tapetenwechsel für einen weiteren Mordfall heraus. Zudem wurden die liebevollen Charaktere in Bishops Lacey zurückgelassen und kein würdiger Ersatz gefunden.

Unmöglich zu sagen, ob von Anfang an klar war, dass Flavia nur einen kurzen Ausflug in das Land des Ahornsirups machen wird, oder ob Alan Bradley beim Schreiben selber festgestellt hat, dass das keine gute Idee gewesen ist. Aber es ist überaus auffällig, dass das Spionagethema vollständig gemieden wird, als sei das nie passiert. Jedenfalls bringt Bradley mit einer gewohnt wundervollen Sprache Flavia de Luce wieder zurück nach Hause, nach Buckshaw, und damit zurück zu ihren Wurzeln. Familiären und literarischen. Sobald Flavia britischen Boden betritt, fühlt man sich wieder heimisch. Als der liebevolle und seelisch gebeutelte Kriegsveteran, Dogger, Flavia empfängt, freut man sich fast so sehr wie Flavia selbst, ihn wieder zu sehen. Endlich kann er ihr wieder subtil zur Seite stehen. Als ihr Mrs. Mullet Essen hinstellt, das kaum jemand herunter bekäme, rümpft man synchron die Nase. Ohne Umschweife sind auch die Zankereien mit Flavias Schwestern, Feely und Daphne, zurück, die ein weiteres Mal wundervoll biestig sind. Und selbst als sich ein achtes Mal eine Leiche Flavia präsentiert wie ein morbides Wunder, ignoriert man gerne die statistische Unwahrscheinlichkeit und ist erleichtert, wieder zu Hause zu sein.

Dass sich die Reihe wieder auf dem richtigen Weg befindet merkt man sofort. Die beste Stelle in „Mord ist nicht das letzte Wort“ findet sich gleich zu Beginn, als Flavia die Leiche von Mr. Sambridge untersucht. Die Mischung aus Flavias erwachsener Herangehensweise und ihrer kindlich verspielten Art, die Leiche zu untersuchen, ist die Essenz von dem, was diese Bücherreihe so unterhaltsam und lesenswert macht.
Dass die Reihe nicht ewig auf den ausgetreten Pfaden – so komfortabel diese sein mögen – bleiben kann, merkt man dann hingegen im weiteren Verlauf. Denn der eigentliche Kriminalfall ist unübersichtlich, stark konstruiert und viel schwerer zu verfolgen, als es in den Vorgängern war. Von Anfang an folgt Flavia einer Frage, die sich eigentlich nie gestellt hat. Sie folgt einer Spur, die eigentlich gar keine Spur ist und nur durch einen gottgeleiteten Zufall überhaut gefunden wird. Als Leser folgt man Flavia also, wie sie von Person zu Person wandert und Fragen stellt zu einem Thema, das nichts mit dem Fall zu tun. Natürlich findet sich später ein Zusammenhang zum Geschehen und eröffnet ein Geheimnis, aber zu keiner Zeit hätte man als Leser sich etwas zusammenreimen können. Das mindert den Lesespaß ungemein, will man doch eigentlich miträtseln, wenn sich nach und nach die Puzzleteile offenbaren und man immer mehr davon richtig anordnen kann. Stattdessen fragt man sich, warum die Schnüfflerin überhaupt unterwegs ist und eben jene Passagen ziehen sich dadurch stark in die Länge.

Die Auflösung ist nicht das Problem, denn diese ist durchaus interessant und hat wie üblich einen stark tragischen, menschlichen Ton. Aber der Weg dorthin ist geleitet von bloßen Zufällen, ohne die der Fall nie aufgelöst worden wäre. Von Personen, die über Flavias Füße stolpern und am Ende gestelzt in die Struktur des Kriminalfalls eingebaut werden. Von einigen schwer zu glaubenden Aktionen Flavias, um an gewisse Informationen zu gelangen. Letzteres kann man mit einem Augenzwinkern aber auch einfach übersehen.


Fazit

Alan Bradley bringt Flavia de Luce zurück nach England und das ist gut so, denn der Ausflug nach Kanada konnte weder Flavia noch die Leser überzeugen. Gewohnt feinfühlig geschrieben, mit viel britischem Humor und einer reizenden Protagonistin ist „Mord ist nicht das letzte Wort“ wieder ein sehr schöner Krimi, der leider wegen seinem konstruierten Fall und teils zähen Passagen nicht vollständig überzeugen kann.


Pro und Contra

+ Flavia de Luce
+ alle liebgewordenen Nebencharaktere sind zurück
+ wundervolle Sprache
+ sanfter, britischer Humor

- konstruierter Fall
- schwer verfolgbar
- teils zäh

Wertung:sterne4

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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