Drei Viertel Tot (Max Gladstone)

Panini (2021)
Originaltitel: Three Parts Dead
Klappenbroschur, 416 Seiten, 17,00 EUR
ISBN: 978-3833241000

Genre: Steamfantasy / Urban Fantasy


Klappentext

Ein Gott ist gestorben, und nun muss Tara, frischgebackene Mitarbeiterin der Kunstwirkerfirma Kelethres, Albrecht und Ao, ihn wieder zum Leben erwecken, bevor seine Stadt untergeht. Ihr Klient ist kein geringerer als Kos persönlich, der kürzlich verstorbene Feuergott der Stadt Alt Coulumb. Ohne ihn werden die Dampfgeneratoren der Metropole ausfallen, die Züge nicht mehr fahren und die vier Millionen Bürger werden randalieren. Taras muss Kos wieder auferstehen lassen, bevor das Chaos ausbricht. Ihre einzige Hilfe ist Abelard, ein kettenrauchender Priester des toten Gottes, der allerdings derzeit eine nachvollziehbare Glaubenskrise hat. Als Tara und Abelard entdecken, dass Kos ermordet wurde, begeben sie sich auf eine brandgefährliche Suche nach der Wahrheit, die alles und jeden in tödliche Gefahr bringt.


Rezension

In Taras Dorf stehen die Menschen der Kunst kritisch gegenüber, doch Tara konnte einen Platz an einer der göttlichen Schulen ergattern und das Kunstwirken studieren. Ihr Traum platzt jedoch, als sie (aus gutem Grund) die Schule abfackelt und sprichwörtlich hinausgeworfen wird. Sie fällt aus dem Himmel und überlebt nur knapp. Doch das Schicksal wendet sich und Tara bekommt einen reizvollen Job bei einer Kunstwirkerfirma angeboten. Sie soll in der Metropole Alt Coulumb das Dahinscheiden des Gottes Kos, der mit seinem Feuer die dampfbetriebenen Maschinen der Stadt angeheizt hat, untersuchen – und möglichst einen Ersatz für den Gott liefern, da vieles still steht und die Bevölkerung unruhig wird. Bei ihren Ermittlungen soll ihr der kettenrauchende Priester Abelard helfen, doch der muss sich erst einmal damit abfinden, dass sein Gott tot ist – ermordet, wie sich bald herausstellt …

Schon in den ersten Kapiteln von „Drei Viertel Tot“ kommt man in den Genuss eines komplexen und faszinierenden Worldbuildings, das Fantasy-, Steampunk- und Cyberpunkelemente vermischt und ein spannendes Magiekonzept bietet. Mit dem Erlernen der Kunst, wie Magie hier genannt wird, steigen die Menschen in die Sphäre des Göttlichen auf. So mancher Kunstwirker ist gar mächtiger als ein Gott und ist kaum noch als Mensch zu erkennen. Tara steht am Anfang ihres Entwicklungsprozesses, sie hat Talent und bringt jede Menge Neugier und Ehrgeiz mit, um das Kunstwirken zu erlernen. Für sie ist die Kunst ein Segen, kein Fluch. Mit ihrer forschen Art eckt sie jedoch auch an, vor allem bei Männern, die ihre Macht ausnutzen. Innerhalb weniger Seiten stürzt Tara aus dem Himmel, überlebt diesen eigentlich tödlichen Sturz dank ihrer Kunst und verzaubert in ihrem Dorf Tote, um dieses vor Räubern zu schützen. Die Dorfbewohner sind jedoch alles andere als begeistert von den untoten Wächtern.

Die mächtige Kunstwirkerin Elayne Kevarian engagiert Tara für die Kunstwirkerfirma Kelethres, Albrecht und Ao und wird ihre Mentorin. Sie weiß genau, wie sie Taras Talente fördern kann, zudem hat sie eine Rechnung mit Taras altem Lehrer offen. Miss Kevarian ist eine undurchschaubare, taffe Frau, sehr sympathisch und stilvoll, aber nicht unbedingt vertrauenswürdig. Sie traut Tara viel zu und lässt ihr jede Menge Freiraum bei den Ermittlungen. Priester Abelard spürt währenddessen immer stärker die körperlichen Konsequenzen seines enormen Zigarettenkonsums. Sein Gott Kos hatte ihn zuvor vor den negativen Auswirkungen geschützt. Entsprechend ist Abelard keine große Hilfe, zumal er sich mitten in einer tiefen Glaubenskrise befindet. Doch nach anfänglichem Schwächeln trägt er doch noch seinen Teil zur Lösung des Falls bei.

Im Verlauf der Handlung erhält Tara zudem Hilfe von Cat, die für die Justiz arbeitet. Diese wurde einst von Kunstwirkern installiert und besteht aus gesichtslosen Wächtern in Anzügen, die an die allgegenwärtigen Agenten in „Matrix“ erinnern. Während Cat für die Justiz arbeitet, wird sie völlig von dieser eingenommen. Später greifen die beiden auf die Hilfe eines Vampirs zurück, was für Cat eine heikle Sache ist, denn sie ist süchtig danach, von Vampiren gebissen zu werden. In Alt Coulumb tummeln sich diverse Wesen, die man aus Urban-Fantasy-Romanen kennt, der Fokus liegt jedoch auf den Kunstwirkern und so kann man nur erahnen, welch düstere Kreaturen Max Gladstones Fantasywelt bevölkern. Früher lebten Gargoyles in der Stadt und dienten als Wächter, doch sie wurden vertrieben und durch die Justiz ersetzt. Man sieht jedoch an vielen Gebäuden noch Spuren von ihnen.

Neben Fantasy und Steampunk gibt es in „Drei Viertel Tot“ auch Cyberpunkelemente, da selbst die Götter in das System Kapitalismus eingebunden sind. So steigt die Macht eines Gottes mit der Anzahl seiner Gläubigen und es gibt verschiedene Möglichkeiten, Verträge mit Göttern einzugehen. Diese Verträge können Göttern auch zum Verhängnis werden, nämlich dann, wenn Schulden nicht beglichen und die Verträge nicht eingehalten werden. Zusätzlich enthält das Nachtleben Alt Coulumbs einige Cyberpunkvibes. In der ersten Romanhälfte kommt durch den ungewöhnlichen Genremix viel Spannung auf und auch die Handlung bietet einige unerwartete Wendungen – doch in der zweiten Hälfte gerät die Geschichte zunehmend ins Stocken, als wüsste Max Gladstone nicht, wie er aus all seinen interessanten Ideen machen soll. So wird es zwischenzeitlich recht langatmig und die Begeisterung lässt spürbar nach.


Fazit

„Drei Viertel Tot“ begeistert mit seinem komplexen Worldbuilding, in dem Fantasy, Steampunk und Cyberpunk auf einzigartige Weise miteinander verschmelzen. Die erste Hälfte ist wahnsinnig spannend und Max Gladstone wartet mit vielen tollen Ideen auf – allerdings fällt es ihm in der zweiten Romanhälfte schwer, diese zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen.


Pro & Contra

+ faszinierendes Worldbuilding mit Fantasy-, Steampunk- und Cyberpunkelementen
+ spannendes, wissenschaftlich angehauchtes Magiesystem
+ Tara ist eine forsche, sehr sympathische Protagonistin
+ mit Elayne Kevarian und Cat weitere starke Frauenfiguren
+ Götter, die durch Verträge gebunden und verletzlich sind
+ sehr atmosphärisch geschrieben
+ cooles Cover, das Tara recht gut trifft

- in der zweiten Hälfte teils verwirrend und langatmig
- wichtiger Handlungsteil gerät zwischenzeitlich in Vergessenheit

Wertung: sterne4

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesspaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5

Tags: Cyberpunk, Steamfantasy, Götter, Urban Fantasy, Magie