Die Prinzessinnen - Fünf gegen die Finsternis (Christian Endres)

Cross Cult (April 2023)
Klappenbroschur, 480 Seiten, 18,00 EUR
ISBN: 978-3-98666-305-6

Genre: High Fantasy / Grimdark


Klappentext

Aus dem Schloss … in die Schlacht

Seit Jahren kämpfen sich die ehemaligen Königstöchter Aiby, Mef, Decanra und Cinn als Söldnerinnen durch eine Welt voller Monster und Mistkerle. Die Prinzessinnen haben sich den Ruf einer knallharten Truppe erworben. Mit Schwert und Streitaxt treten sie Räubern, Werwölfen, Ogern, Kobolden und Drachen entgegen. Das Retten junger Thronerbinnen in Nöten ist außerdem ihr Fachgebiet. Prinzessin Narvila aus den Händen einer Bande Gesetzloser zu befreien, scheint also ein Auftrag unter vielen zu sein. Doch dann erklärt Narvila, dass sie fortan selbst über ihr Schicksal bestimmen und sich den Prinzessinnen als Söldnerin anschließen will – mit allen finsteren und blutigen Konsequenzen …


Rezension

Narvilas Leben dreht sich wie das der meisten Prinzessinnen um gutes Benehmen, gutes Aussehen und eine politisch vorteilhafte Eheschließung, bei der sie als Frau wie eine Ware gehandelt wird. Doch eine Entführung ändert alles für Narvila: Sie wird von vier Söldnerinnen befreit, die ihre Entführer brutal niedermetzeln. Und in dieser Brutalität erkennt Narvila das, wonach sie sich schon lange sehnt: Freiheit und Selbstbestimmung. Kaum haben die Söldnerinnen sie im Schloss der Eltern abgeliefert, folgt Narvila ihnen und überzeugt sie, ihr das Kämpfen beizubringen. Der Einstieg ins Söldnerinnenleben ist hart und blutig, doch Narvila beißt sich durch und wird bald zu einer echten Prinzessin, die Monster jagt, die Schwachen beschützt und toxische Männer das Fürchten lehrt …

„Die Prinzessinnen – Fünf gegen die Finsternis“ ist Narvilas Geschichte, doch in Rückblenden erfährt man spannende Details über die Leben der anderen vier Prinzessinnen, die alle ihre Geheimnisse und Traumata haben. Was sie eint: Sie sind alle Töchter von Herrschern und sie alle wurden verstoßen oder auch niemals anerkannt. Ihre Lebensumstände haben sie nicht verzweifeln lassen, sondern sie haben sich dazu entschieden, Kriegerinnen zu werden und für ihre Freiheit notfalls auch zu töten. Die axtschwingende, grimmige Aiby ist die Anführerin der Truppe, sie organisiert die Aufträge und trinkt oftmals zu viel. Schwertkämpferin Mef ist offen und kommunikativ, flirtet mit zu vielen Frauen und leidet unter dem Verlust ihrer großen Liebe. Decanra und Cinn sind beide auf ihre Weise verschlossen und geben zunächst wenig von sich preis. In den Rückblenden erfährt man, warum dies so ist, und ab und an erhascht man einen berührenden Blick hinter ihre harten Fassaden. Alle vier sind auf ihre Art sympathisch, ihre Fähigkeiten ergänzten sich perfekt und zwischen den Frauen herrscht eine tolle Dynamik.

Narvila ist von den Söldnerinnen schwer beeindruckt und bis sie selbst eine so erbarmungslose und geschickte Kämpferin wird, vergeht viel Zeit. Sie wird von den Prinzessinnen immer wieder verdroschen und scheint sich kaum zu verbessern – bis die richtige Waffe für sie gefunden ist. Doch auch dann ist es noch ein langer Weg zu einer echten Prinzessin, denn Narvila fällt das Töten von Menschen schwer. Die ersten Male kotzt sie sich jedes Mal die Seele aus dem Leib. Die anderen Prinzessinnen betrachten das mit Sorge und zwischenzeitlich scheint Mef die einzige zu sein, die an Narvila glaubt. Doch schon bald können sie sich nicht mehr vorstellen, ohne Narvila zu sein. Sie findet ihren Platz in der Gruppe und in einer Verkettung blutiger Kämpfe entstehen tiefe Freundschaften. Zudem zeigt sich, dass Narvila genau die richtige Person dafür ist, den Prinzessinnen über einen traumatischen Verlust hinwegzuhelfen. Und sie hält den von den vielen Schlachten abgestumpften Prinzessinnen den Spiegel vor.

Der Roman gliedert sich grob in zwei Teile: In der ersten Hälfte geht es um Narvilas Ausbildung zur Prinzessin und diverse kleine Aufträge, wobei die Frauen viel Zeit bei einer herumreisenden Schaustellertruppe verbringen und als deren Beschützerinnen fungieren. Die Handlung wirkt dabei manchmal ziellos, doch das Lesen macht dennoch großen Spaß, schon allein, weil Narvila sich stetig weiterentwickelt. Dabei strauchelt sie oft, fällt hin und steht immer wieder auf. Es herrscht eine gute Balance zwischen blutiger Action, humorvollen Dialogen und ernsten Momenten. In der zweiten Romanhälfte sind die nun fünf Prinzessinnen zu einem starken Team zusammengewachsen und widmen sich der Befreiung der auf ihrem Kontinent berühmtesten Prinzessin, die kurz vor ihrer Hochzeit entführt wurde, um einen Krieg auszulösen. Narvila und ihre Mitstreiterinnen bekommen es hier mit bösartigen Kultisten, obskuren Ritualen, gefährlichen Trugbildern und einer paranoiden Schwiegermutter zu tun.

Christian Handel beschreibt „Die Prinzessinnen“ als „eine Kreuzung aus einem Quentin Tarantino-Film und den Märchen in in ihrer ursprünglichen, blutigen Form“, was den Roman perfekt beschreibt. Schon das Cover erinnert an „Kill Bill“ und die Prinzessinnen schlachten sich durch die Geschichte ähnlich wie Kiddo auf ihrem Rachefeldzug. Allerdings sind die Frauen hier vielschichtiger und es bleibt mehr Zeit für ruhige Momente, die nachdenklich stimmen oder auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn die blutverschmierten Prinzessinnen genüsslich in einen Badezuber sinken. Trotz aller üblen Monster und plastisch geschilderter Kämpfe, bei denen Blut und Eingeweide spritzen und die Protagonistinnen sprichwörtlich durch Scheiße waten, ist „Die Prinzessinnen“ kein wirklich finsteres Buch, sondern vor allem eine sehr unterhaltsame und derbe Geschichte über die Freundschaft zwischen Frauen, die auf Gewalt mit Gewalt reagieren.

Die Fantasywelt ist in viele kleine und größere Königreiche aufgeteilt, es gibt viele Prinzessinnen und noch mehr Monster und Männer, die ihnen gefährlich werden können. Magie wird streng reguliert, seit ein Zauberer-Krieg einen großen Teil des Kontinents in die Verwüstung verwandelt hat, ein finsteres, lebensfeindliches Gebiet voll mutierter Kreaturen. „Die Prinzessinnen“ wirkt dabei wie eine düstere und dreckige Version von „Shrek“, wo ebenfalls verschiedenste Märchen in einer phantastischen Welt verschmelzen. Nur sind es hier Prinzessinnen, die andere Prinzessinnen retten. Die meisten Männer, mit denen es die Protagonistinnen zu tun bekommen, sind brutal und toxisch, doch es gibt auch Männer im Buch, die die Frauen respektvoll behandeln. Die Prinzessinnen sind keine klassischen Heldinnen und auch wenn sie die Männer zu Recht verdreschen, so sind ihre Handlungen selbst moralisch fragwürdig – auch wenn sie meist auf der „guten“ Seite stehen. Feministisch ist „Die Prinzessinnen“ nicht, dazu haben sich die Protagonistinnen zu sehr dem brutalen Patriarchat angepasst. Hier und da gibt es dennoch Kritik an den Machtstrukturen und die Prinzessinnen ermutigen andere Frauen, sich zu wehren, doch insgesamt liegt der Fokus schlicht auf phantastischer Unterhaltung.


Fazit

„Die Prinzessinnen – Fünf gegen die Finsternis“ ist ein brutal unterhaltsamer Mix aus Grimdark-Fantasy und Märchen, in dem hartgesottene Söldnerinnen Monster und Männer das Fürchten lehren. Christian Endres bricht und spielt mit Genreklischees und begeistert mit fünf vielschichtigen Protagonistinnen, die in einer gewaltvollen, patriarchalen Welt gelernt haben, ihre Freiheit mit Gewalt zu verteidigen.


Pro und Contra

+ derbe, blutige Fantasy mit starken Protagonistinnen
+ Narvilas Entwicklung: sie kämpft, fällt und steht immer wieder auf
+ die sympathische Schwertkämpferin Mef und ihre Affären
+ auch Aiby, Decanra und Cinn sind vielschichtige Figuren mit Vergangenheit
+ Frauen unterstützen sich gegenseitig
+ vielseitige, an Märchen angelehnte Fantasywelt
+ viele interessante Nebenfiguren
+ derber, flüssiger Schreibstil
+ cooles, perfekt passendes Cover

- Decanra und Cinn kommen etwas zu kurz
- zu wenig Rebellion gegen das Patriarchat

Wertung: sterne4.5

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4/5


Interview mit Christian Endres (2023)

Tags: Märchen, Grimdark