Rubinrot (Kerstin Gier)

Verlag: Arena, Januar 2009
HC, 352 Seiten, € 14,95
ISBN: 978- 3401063348

Genre: Fantasy / Jugendbuch


Klappentext

Was macht man, wenn man sich in der Vergangenheit wieder findet, mit nichts als dem Wissen ausgestattet, dass das Pferd seines Urururururgroßvaters Fat Annie hieß? Richtig, man bewahrt Ruhe. Das zumindest versucht Gwendolyn, als sie erfährt, dass sie nicht nur das Zeitreise-Gen ihrer Familie geerbt hat, sondern auch noch dazu auserwählt ist, die Vergangenheit in Ordnung zu bringen. Und ausgerechnet der arrogante Gideon soll sie dabei begleiten! Eher notgedrungen macht sich das ungleiche Paar auf in ein Abenteuer der besonderen Art. Bald erfährt Gwendolyn, dass Gegensätze sich scheinbar wirklich anziehen, egal zu welcher Zeit. Und dass in der Vergangenheit auch nichts mehr so ist, wie es früher mal war …


Rezension

Ist das Buch wirklich schon zu Ende? Wo ist die Zeit geblieben, macht man beim Lesen vielleicht auch eine Zeitreise? Wo ist die Fortsetzung? Nachdem man nun wieder in der normalen Welt angekommen ist, die schweißfeuchten Hände vom Buch löst und so nach und nach seine Umwelt wieder wahrnimmt, wird einem gewahr, was für ein großartiges Werk Kerstin Gier hier erschaffen hat. Kann man überhaupt ermitteln, was einen so in den Bann schlägt? Sind es die spritzigen, realistischen Charaktere, die meisten davon mit einer gehörigen Portion Humor ausgestattet, mit denen man sofort Tee trinken möchte? Oder ist es die Story, eine Zeitreise in die Vergangenheit, um den Chronographen zu retten? Oder doch eher die sich langsam anbahnenden Gefühle zwischen Gwen und Gideon? Vielleicht auch das zauberhafte Setting in London, in weit verwinkelten Häusern und Palästen? Die Mischung bewirkt, dass das Buch förmlich in der Hand klebt und man mit angehaltenem Atem die Seiten buchstäblich inhaliert.

In Gwendolyns Familie wird ein Zeitreise-Gen vererbt. Isaac Newton hat genau die Geburtsdaten des nächsten Empfängers ausgerechnet und es trifft Gwens Cousine Charlotte. Wie gut, dass Gwen einen Tag später Geburtstag hat. Charlotte wird seit ihrer frühesten Kindheit darauf vorbereitet, sie lernt mehrere Sprachen, zu fechten und zu reiten, Benimmregeln, Politik und Geschichte und natürlich, wie sie sich kleiden muss in den verschiedenen Epochen, in die sie zurückspringen kann. Aber wieso kann Gwen mit Geistern und Wasserspeiern reden, und wieso ist ihr schwindelig und nicht ihrer Cousine Charlotte? Als sie dann innerhalb kürzester Zeit unkontrolliert in die Vergangenheit springt, wird ihr klar, dass sie wohl das Gen geerbt hat und nicht Charlotte. Hat Newton sich in ihren Geburtsdaten verrechnet?

Als feststeht, dass tatsächlich Gwen die Springerin ist, muss sie völlig unvorbereitet ihren Platz einnehmen und zusammen mit dem reichen, elitären und hochnäsigen Gideon in die Vergangenheit reisen, um herauszufinden, was wirklich mit dem Chronographen geschah. Gideon macht keinen Hehl aus seiner Verärgerung über Gwen, er ist offensichtlich in Charlotte verliebt und wäre viel lieber mit ihr seinen Aufgaben nachgegangen. Aber Gwen weiß sich zu wehren, ihre Wortgeplänkel sind faszinierend und spritzig und so nach und nach wächst ihr gegenseitiger Respekt. Gwen schafft es, das versäumte Erlernte durch Geistesgegenwart, Intelligenz und Mut wieder wett zu machen, was die beiden zusammen erleben, zaubert ein Dauerschmunzeln auf die Gesichter der Leser.

Es sind die vielen liebevollen Kleinigkeiten, die das Buch so zauberhaft machen. Die Geister Verstorbener, die nur Gwendolyn sehen kann, haben alle ihre eigene Geschichte zu erzählen, man wird nicht müde, ihnen zu lauschen. Auch die Wasserspeier und Gargoyles sind witzig und sorgen für immerwährende Auflockerung. Die Charaktere haben Tiefgang, sie sind facettenreich und verbergen Geheimnisse, auf deren Auflösung man mit angehaltenem Atem wartet. Giers gewohnter Wortwitz gelangt hier zur meisterhaften Vollendung, ihr Stil ist gewohnt flüssig und schnörkellos, man wird sofort regelrecht in die Geschichte hineingesogen und verlässt sie auch erst wieder sehr widerwillig am Ende des Buches. Die ständigen Kommentare Gwens sind witzig sarkastisch, englischer Humor bekommt hier eine neue Bedeutung. Die bildhafte Beschreibung von Gwens und Gideons Kleidung löst wahre Lachsalven aus, pointiert und bissig beschreibt Gier den jeweils vorherrschenden Kleiderstil und lässt ihre Protagonisten mit ungewohnten Accessoires für die heutigen Verhältnisse mit einem Augenzwinkern umgehen.

Die wahre Heldin dieser außergewöhnlichen Geschichte ist allerdings Leslie, Gwens Freundin. Unerschrocken geht sie mit ihr durch Dick und Dünn, wissbegierig saugt sie alles auf, was Gwen ihr erzählt. Mit nimmermüdem Eifer ergoogelt sie sämtliche Fakten, die für Gwen wichtig sein könnten und steht ihr jederzeit mit Rat und Tat zur Seite. Ihre positive Energie strahlt förmlich durch das Buch hindurch und lässt jeden Leser wünschen, so eine treue Freundin an seiner Seite zu haben.

Leider endet das Buch ziemlich abrupt mitten in der Geschichte. Es sind noch so viele Fragen offen, Handlungsstränge wurden angefangen und noch lange nicht beendet und so manches Geheimnis wartet noch auf Auflösung. Zwar weiß man, dass noch zwei weitere Teile folgen werden, aber das Buch ist so spannend, dass man gerne direkt weiter lesen würde. Hier ist keine Seite zu viel, es gibt keine Längen und die angefangene Handlung ist so genial, dass man wirklich ungeduldig auf die Fortsetzungen wartet. Es kann noch so viel passieren, es gibt unzählige Möglichkeiten und vor allem möchte man noch viel mehr aus der Vergangenheit erfahren und einfach Zeit mit Gwen, Gideon, Leslie und all den anderen zu verbringen.

Zum guten Schluss bleibt nur noch die absolut edle Gestaltung des Buches zu erwähnen. Dickes, angenehmes Papier, zweifarbig bedruckt, ein Schutzumschlag aus dicker, pergamentähnlicher Qualität mit schwarzen Jugendstilornamenten und einem Pärchen aus lackähnlichen Material bedruckt machen das Buch zu einer wahren Augenweide. Die Farbe passend zum Titel, die beiden noch folgenden Bücher werden ähnlich gestaltet sein. Mit Sicherheit ein echter Hingucker im Bücherregal und das auch noch zu einem moderaten Preis.


Fazit

Quark edit bisquitis – nur einer der kleinen, feinen Höhepunkte dieses Meisterwerkes der Jugendfantasy. Intelligente, humorvolle und lebendige Charaktere in einer ungewöhnlichen Geschichte und witzige, sarkastische, kleine, feine Nadelstiche sorgen für ein Dauergrinsen und der gewohnt lockere Schreibstil für eine Wohlfühlatmosphäre. Dieses Buch verzaubert, einmal angefangen kann man sich der Magie nicht mehr entziehen. Dies ist nicht nur ein Jugendbuch, auch Erwachsene werden sich bestens unterhalten fühlen.


Pro und Contra

+ witzige Situationen
+ fesselnd
+ für alle Altersstufen geeignet
+ facettenreiche Charaktere
+ pointierte und bissige Bemerkungen
+ spannende Einblicke in die Vergangenheit
+ viele Handlungsstränge
+ interessantes Thema
+ viele zauberhafte Gestalten

Wertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 5/5


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