Kryson - Diener des dunklen Hirten (Bernd Rümmelein)

Otherworld Verlag (Juli 2009)
763 Seiten, 14,95 €
ISBN: 978-3800095018

Genre: High Fantasy


Klappentext

AUSGEZEICHNET MIT DEM WOLFGANG-HOHLBEINPREIS-2008

Lordmaster Madhrab hat die Schlacht am Rayhin erfolgreich geschlagen, die Bedrohung der Klanlande scheint vorerst gebannt. Doch das Blut der Gefallenen lockt eine noch schrecklichere Gefahr ans Licht der Welt – den dunklen Hirten. Mit seinem Erwachen gerät der Gleichgewicht, das Kryson regiert, aus den Fugen. Wieder einmal ruht die Hoffnung des Volkes der Klan auf dem freien Magier Sapius. Wird es seinem Rat, nun auch den zweiten Bruder, den weißen Schäfer, zu erwecken, tatsächlich folgen?


Rezension

Bernd Rümmeleins Debüt ist in keinem Fall massentauglich, das stand von Beginn an fest. Denn mit dem ersten Band seiner Reihe „Die Schlacht am Rayhin“ wies der frisch gebackene Autor eine Richtung, die vorerst befremdete und nur schwer zu begeistern verstand, sich aber nach und nach durchzusetzen wusste. Zwar nicht ohne nennenswerte Mankos (wie die allgemeine Überzeichnung, das kompromisslose Ausmalen von Schwarz und Weiß und die ab und an deutlich merkbare Eintönigkeit), doch zum Ende hin überzeugender, als sich ursprünglich vermuten ließ. Mit „Diener des Dunklen Hirten“ setzt er die Geschichte Krysons weiter fort und schafft damit einen weiteren Grundstein für seine hoffentlich zahlreich nachfolgenden Romane.

>> Aus dem Blut erhebt sich das Unheil <<

Lordmaster Madhrab hat die Schlacht am Rayhin gewonnen und damit, so seine Hoffnung, erreicht, was ihm wichtig war. Er wollte nichts Geringeres als Sicherheit für die menschenähnlichen Klan, Kryson höchstselbst und für seine Geliebte und ihr ungeborenes Kind. Keinen Dank, keine Macht – einfach nur Frieden. Was er allerdings als Lohn für seine Dienste erhält, ist Verrat, denn für die Politiker Krysons ist die leidenschaftliche Zuneigung des Volkes zu Madhrab bedrohlich geworden und so wird der Bewahrer schließlich angeklagt. Man wirft ihm Kriegsverbrechen und Unmenschlichkeit vor. Was vorerst wie ein abzuwendendes Unheil wirkt, wird in dem feuchten Kerker der Bewahrer bitterer Ernst. Mehr als ein Feind ist entschlossen, den Volkshelden still und leise foltern und dann verschwinden zu lassen.

In der Zwischenzeit ist geschehen, was für den Magier Sapius von Anfang an unvermeidlich schien: Der dunkle Hirte ist erwacht. Die ersten Vorboten seiner zunehmenden Macht brachten nicht nur Eisbergen in Gefahr, sie münden nun im Verdunkeln einer Sonne Krysons. Die Welt, wie man sie kennt, ist bedroht und Sapius, der sich Hilfe von den Bluttrinkern erhofft hatte, sieht nur eine Möglichkeit: Er muss Ulljans Buch finden und den weißen Schäfer erwecken, um das Unheil abzuwenden und die bald geborenen Lesvaraq zu schützen. Doch die Neuentstehung einer uralten Macht findet nicht überall Gefallen ...

Wie auch schon im ersten Band gilt: Wer Erwartungen à la Wolfgang Hohlbein hegt wird mit Kryson eine Enttäuschung in den Händen halten, denn Bernd Rümmelein geht immer noch andere Wege und scheint von diesen auch nicht abweichen zu wollen. Im Gegenteil, sie führen den Autor weiter in einen dunklen, schmerzverlorenen Wald, abseits jener Massenware, die sich in so manchen Bücherregalen finden lässt. Anspruchsvoll werden die im ersten Band gesponnenen Handlungsstränge dabei fortgesetzt. Man liest nicht nur von Madhrab, Elischa oder Sapius. Nein, auch Renlasol und seinen unterschiedlichen Begleitern wird endlich der langersehnte Raum zugestanden, um die Geschichte der Bluttrinker weiter zu erzählen, auf deren Suche sich die Gefährten bald in Lebensgefahr befinden. Hierbei hätte Bernd Rümmelein gerne noch intensiver auf die keimende Liebesbeziehung zwischen Renlasol und Ylissa eingehen können, um die bald folgende Tragik mehr hervorzuheben. Denn betrachtet man den Ausgang dieser Tändelei, so ist sie ein wenig zu blass geraten und steht damit im Gegensatz zu den dafür weit weniger unauffällig, sehr gut gestalteten Sequenzen manch anderer Charaktere, die „Diener des dunklen Hirten“ erneut erstaunlich üppige Vielseitigkeit verleihen. Sie sind ebenso liebevoll (selten auch oberflächlich) gestaltet wie alle anderen Details, die Bernd Rümmelein vermutlich im Schweiße seines Angesichts erschaffen hat. Mit nichts anderem kann man sich die Detailfreudigkeit erklären, die zwar immer noch ab und an übertrieben, jedoch (sobald daran gewöhnt) beinahe unschätzbar geworden ist.

Weit weniger unterhaltsam ist die Tatsache, dass es trotz der vorhandenen Tiefgründigkeit manchen Dialogen immer noch an Leben fehlt. Sie sind, wie auch schon im ersten Band, ab und an zu platt geraten und passen damit in keinem Fall zum Gesamtwerk des talentierten Autors und Erzählers. Sieht man über diese fast schon nichtigwirkende Kleinigkeit angesichts der Leistung, die erbracht wurde, hinweg, so hält man ein Buch in den Händen, das es schafft, die längst vergangene Liebe zum genauesten Details und einem erzählenden Stil wieder aufleben zu lassen. Dieser ist nicht mehr ganz so extrem langgezogen wie in „Schlacht am Rayhin“ und tröstet einen damit über die im ersten Band aufgebrachte Geduld hinweg. Trotzdem ist zu sagen, dass man sich kein schnelles Lesevergnügen erwarten darf. Dafür sind  Stil und Handlung zu gehaltvoll ausgelegt und verlangen damit eine Bereitschaft ab, sich als Leser auch mit überschäumenden Kleinigkeiten auseinandersetzen zu wollen. Mit dieser Tatsache bestätigt „Diener des dunklen Hirten“ ebenso, für Erwachsene geschrieben worden zu sein, wie mit den durchweg grausamen und kranken Brutalitäten, die immer mehr und mehr Überhand gewinnen. Der zweite Band aus der Welt Kryson ist nämlich noch zerstörerischer und deutlich einschüchternder angelegt als sein Vorgänger. Geneigte Literaturliebhaber, die sich erwarten, liebgewonne Protagonisten am Schluss in Richtung harmoniebeladenen Sonnenuntergang wandern zu sehen, sind mit Bernd Rümmeleins Büchern ebenso falsch beraten wie jugendliche oder gar junge phantastikbegeisterte Weltenbummler.


Fazit

Bernd Rümmeleins Protagonisten verdienen Mitgefühl, seine Leser nicht. Denn der deutsche Autor schafft es, sich mit „Diener des dunklen Hirten“ zu steigern und wird damit jene überzeugen, die dem ersten Band etwas abgewinnen konnten. High-Fantasy auf hohen, wenn auch manchmal anstrengenden Niveau für Erwachsene!


Pro & Kontra

+ anspruchsvolle High Fantasy
+ bewundernswert ausgearbeiteter Hintergrund
+ angemessen blutig & brutal
+ spannend zu lesen
+ ein sich vom Einheitsbrei abhebendes Werk
+ würdige, sich steigernde Fortsetzung
+ viele interessante Nebencharaktere
+ abwechslungsreiche Handlungen
+ intensive Bilder & Beschreibungen

o oftmals sehr schonungslos
o erzählender Stil
o gehaltvoller Magieanteil
o insgesamt überzeichnet

- trotz allem vorhandene Schwarz- & Weißmalerei
- manche Protagonisten leicht durchschaubar o. oberflächlich in ihrer Darstellung
- ab und an zu platt geraten

Wertung:

Handlung 4,5 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4,5 / 5
Preis/Leistung: 4,5 / 5


Interview mit Bernd Rümmelein (22.12.2009)
Rezension zu "Die Schlacht am Rayhin" (1)
Rezension zu "Zeit der Dämmerung" (3)
Rezension zu "Das verlorene Volk" (4)
Rezension zu "Das Buch der Macht" (5)